Eine geheime Nachricht

39 4 0
                                    

Ana streckte sich am Schreibtisch. Ihr Rücken tat von der langen Arbeit am Schreibtisch weh und es war inzwischen auch spät geworden. Es war nicht so, als würde man das an irgendwas bemerken, weil der Raum, in dem sie saß, keine Fenster hatte, sondern weil sie müde auf die Uhr ihres Laptops geschaut hatte. Den ganzen Tag war sie jetzt schon dabei gewesen, wichtige Unterlagen zu Sky anzulegen und einen Plan aufzustellen, nach dem sie ihn trainieren wollte. Das alles musste gut überlegt sein. Nicht zu vergessen, hatte sie eine E-Mail an den Kontakt gesendet, den Patra ihr gegeben hatte. Den ganzen Tag wartete sie jetzt schon auf eine Antwort. Immerhin brauchte sie Forschungsberichte und Ergebnisse, um ihren Plan effizienter zu gestalten.
Gerade als sie dabei war, den Laptop frustriert zu zuklappen, ertönte ein ihr nun bekannter Benachrichtigungston. Eifrig richtete sie das Display wieder auf, um die Nachricht einzusehen. Blitzschnell hatte sie die Zeilen überflogen und ihre aufgeregte Mimik, die gerade eben noch einen Funken Hoffnung versprüht hatte, verfinsterte sich.
"Abgelehnt?! Wie bitte?", sie ließ sich enttäuscht im Stuhl zurückfallen.
Mr. Turner betrat den Raum mit zwei Tassen in der Hand. "Was beschweren sie sich? Nicht abgespeichert? Das passiert mir ständig, dann kann ich alles neu schreiben."
Er kam zu Ana rüber und stellte ihr die Kaffeetasse auf den Schreibtisch.
"Nein, das ist es nicht." Ana strich sich mit beiden Händen müde über das Gesicht. "Ich hab nach einer einsehung der Forschungsunterlagen gebeten und das wurde soeben abgelehnt." Sie erblickte die Tasse neben sich und nahm diese in die Hand. Kaffee, bemerkte sie, als sie die Tasse unter der Nase hatte. Eigentlich war sie kein großer Kaffeetrinker, aber sie würde ihn brauchen. "Das schlimmste ist, auf die Frage hin, ob ich irgendwo eine Sicherheitsfreigabe beantragen könnte und ob man mir dafür die Notwendigen Infos zukommen lassen könnte, haben die mir einfach nur geantwortet, das das vergebens ist und nicht in mein Fachgebiet fällt."
In ihrer Stimme konnte man ihren Frust hören. Mr. Turner trank einen Schluck und setzte sich mit einem Bein leicht auf die Kante des Schreibtisches, Ana zugewandt. "Das überrascht mich nicht. Ich sagte ja, hier ist das nicht so einfach an Unterlagen aus anderen Einrichtungen zu kommen."
Ja, das hatte er gesagt und auch Patra hatte das erwähnt. Dabei hatte Ana doch extra in die Mail geschrieben, um was es sich handelte und warum sie diese Unterlagen wirklich benötigte. Scheinbar war ihnen das aber egal. Alles war so kryptisch und kompliziert, niemand rückte mit der Sprache raus, es kam Ana so vor, als sprachen alle in Rätseln. Grummelnd trank sie einen Schluck vom Kaffee. Er war furchtbar.
"Was mach ich denn jetzt am besten." murrte sie leise.
"Das, was sie vorher auch gemacht haben. Einfach weiter. Nur seien sie mehr vorsichtig in seiner Nähe." Mr. Turner schaute sie an.
"Ja, mir bleibt ja nichts anderes übrig. Das wird meine Arbeit nur verzögern, aber das ist denen ja egal, dass ich jetzt deutlich mehr zu tun haben werde."
"Sie schaffen das schon, sie sind mit Abstand die mutigste Person, die hier arbeitet. So wie sie sich an Sky ran getraut haben, nach allem, was passiert ist." Er schmunzelte.
Ana schaute ihn nun auch an. Er schien amüsiert. "Natürlich schaffe ich das. Dafür bin ich ja hier und ein Versagen kommt gar nicht in Frage." sagte Ana selbstbewusst.
"Na also." Er schien zufrieden.
Ein Mann lugte plötzlich in den Raum. "Mr. Turner, die Schaltanlage an der Schleuse macht Probleme, könnten sie mal eben kommen?"
"Ja, einen Augenblick." er stand auf. "Geben sie nicht auf, vielleicht haben sie ja Glück, wenn sie hartnäckig bleiben." Er zwinkerte Ana zu und ging mit dem Kollegen, der an der Tür auf ihn wartete, aus dem Raum.
Ana blieb zurück und wandte ihren Blick wieder zum Laptop. Was sollte sie jetzt tun? Vielleicht ihren Boss anschreiben, ob dieser sich für sie einsetzen könnte, dass Ana vielleicht doch noch die Sicherheitsfreigabe für die Unterlagen bekam? Aber was wäre, wenn ihr Boss da gar nicht gut drauf reagieren würde? Wenn das dafür sorgen würde, dass er an ihrer Kompetenz anfängt zu zweifeln? Das darf auf keinen Fall passieren.
Sie stand auf und ging zum Überwachungsraum. Der Raum war recht dunkel und wurde nur durch die vielen Bildschirme, die zeigten, was die Überwachungskameras wiedergeben, beleuchtet. An den Bildschirmen war sie nicht interessiert, stattdessen ging sie zum Fenster, mit dem man in das Gehege schauen konnte. Schon wie an ihrem ersten Tag, schaute sie hinunter und versuchte Sky ausfindig zu machen und diesmal war sie erfolgreich. Sie konnte Sky vor dem Baum auf dem Boden hockend erblicken. Er schien irgendwas zu machen, aber es war so klein, dass Ana es von hier oben nicht erkennen konnte. Also drehte sie sich zu den Bildschirmen und suchte die richtige Kamera aus, um näher ran zu soomen.
Sky hatte Äste in den Händen und schien die Faser einer Pflanze drumherum zu binden und zu knoten. Ana setzte sich hin und beobachtete das genau. Es erinnerte sie an eine Korb Flechttechnik, die sie aus manchen Kulturen kannte. Wie ungewöhnlich geschickt Sky das machte, als wüsste er genau was er tut. Wieder kam ihr dieser Gedanke. Sky verhielt sich so Humanoid, fernab von einem animalischen Verhalten. Sie wollte keinesfalls voreilige Schlüsse ziehen, doch immer mehr wollte sich dieser Gedanke nicht wegschieben lassen.
Ein erneuter Signalton an ihrem Handy ließ sie vom Bildschirm aufsehen. Eine neue Mail hatte sich bei ihr eingefunden, aber ohne Absender. Äußerst sonderbar. Sie entschloss sich, zurück an ihren Schreibtisch zu gehen und die Mail am Laptop genauer unter die Lupe zu nehmen. Was sie an ihrem Laptop schnell feststellte, war, dass es nicht ihr normales E-Mail-Postfach war, was die Nachricht empfangen hatte. Sie hatte ein neues Programm auf dem Rechner, welches zuvor noch nicht da gewesen war. Wurde Ana gehackt? Jetzt war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie die Mail wirklich öffnen sollte. Das selbst auf Pandora gehackt wurde, egal wo man hin ging, diese Spam Mails verfolgten einen womöglich durchs ganze Universum. Gerade als Ana dabei war, das seltsame Programm zu löschen, bekam sie eine Mail von Patra.
'Guten Abend Novak, zu ihnen hat eine vertrauliche Mail ihren Weg gefunden. Schrecken Sie nicht zurück und öffnen Sie diese. Es wird Ihnen sehr weiterhelfen.' stand darin. War das eine echte Nachricht von Patra oder auch nur ein Teil eines echt gruseligen Hacks.
Sofort rief Ana Patra an. Diese nahm den Anruf erstaunlich schnell entgegen. "Guten Abend, haben sie mir gerade eben eine Mail gesendet?" fragte Ana unsicher.
"Ja, das hab ich und ich meine auch das, was ich geschrieben habe. Lesen Sie die Mail." gab sie knapp zur Antwort.
Etwas wunderlich war die Situation schon. Irgendwas seltsames ging hier vor, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, Patra konnte ihr nicht mehr sagen. Scheinbar war etwas Geheimnis im Gange.
"Schauen Sie nochmal in meine Mail, da steht etwas noch unten beigefügt. Wir reden später, wenn sie daheim sind." Patra lächelte Ana zu und legte dann auf.
Sofort öffnete Ana noch mal die Mail von Patra und stellte fest, dass die Frau nicht gelogen hatte. Unten stand beigefügt. 'Ihr Code lautet: 037592649, löschen Sie diese E-Mail bitte wieder. Danke.'
Anas Herz fing aufgeregt an zu schlagen. In was war sie hier hinein geraten? Sie sicherte sich den Code vorerst ins Handy und löschte dann wie gewünscht die E-Mail. Danach loggte sie sich in dem neuen seltsamen Programm ein.
Es war ein schlichtes Programm, es hatte kaum Knöpfe oder Funktionen, nur ein senden und empfangen. Um in das Programm zu kommen, musste man den Code eingeben. In dem Postfach befand sich nur eine Email. Es war genau die besagte geheimnisvolle Mail, die Ana gerade eben empfangen hatte. Mit einem aufgeregten und mulmigen Gefühl klickte sie auf die Nachricht, um diese zu öffnen.
'Guten Abend Dr. Novak,
Aus zuverlässiger Quelle wissen wir, das sie mit einem Na'vi zusammenarbeiten und Kontakt aufgenommen haben, um Forschungsunterlagen, im Bezug auf Na'vis, zugreifen zu können. Sie werden sicher festgestellt haben, dass die Forschungsergebnisse auf Pandora unter großer Geheimhaltung stehen. Ihnen wird es unmöglich sein, an diese Informationen ran zu kommen, daher nehmen wir Kontakt mit ihnen auf. Sie müssen nicht wissen, wer wir sind, aber wir wollen ihnen helfen, mit Sky zu arbeiten. Wir haben ihren Background gegen geprüft und wissen, um ihre aufrichtigen Absichten und ihre hervorragenden Qualifikationen.
Wir werden in Zukunft wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen, aber wir geben ihnen schon mal einen Rat. Lassen Sie niemanden von diesem Kontakt wissen. Erzählen Sie niemanden, was sie durch uns in Erfahrung bringen und ganz wichtig: Unterschätzen Sie Sky nicht. Die Na'vi sind die Einwohner von Pandora, sie haben eine enorm hohe emotionale Intelligenz. Sie sind in keinster weise mit Tieren zu vergleichen.
Wir werden erneut zu ihnen Kontakt aufnehmen, bis dahin wünschen wir ihnen viel Erfolg mit Sky.'
Ana laß die Worte gespannt und fast schon ungläubig. Hatte sie Kontakt zu einer geheimen Organisation aufgebaut und war auch Patra ein Teil von ihnen? Sie schloss das Programm mit der Mail eifrig wieder, bevor noch jemand den Raum betrat und den Inhalt laß. Ihr wurde langsam bewusst, dass sie durch den geheimen Kontakt echte Schwierigkeiten bekommen kann. Ab jetzt musste sie auf der hut sein.
Doch was sie noch mehr aufwühlte, als den Fakt, da sie so eben was sehr wahrscheinlich verbotenes gemacht hatte, waren die Informationen über die Na'vi. Eine extrem hohe emotionale Intelligenz, hieß es. In etwa so wie bei Delphinen oder Orca wale? Ana schüttelte den Kopf, nein. In der Nachricht hieß es, die Na'vi wären in keinster weise mit Tieren zu vergleichen. Außerdem hieß es Einwohner von Pandora. Das hörte sich nicht nach Tieren an, sondern nach einem Volk, das hier auf Pandora lebte.
Nur bei dem Gedanken daran, dass Sky ein intelligent fühlendes Wesen war, so wie sie selbst, ließ sich ihren Magen umdrehen. Das wäre eine furchtbare Erkenntnis, würde aber zu ihren eigenen Beobachtungen passen. Also hat Sky wirklich versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, er hatte wirklich versucht ihr etwas zu sagen. In einer Sprache die sie nicht verstand.
Das waren gute aber auch bestürzende Nachrichten. Doch halt. Ana sammelte ihre Gedanken und klappte den Laptop zu. Das waren alles Informationen aus einer unbekannten Quelle. Wer weiß ob das wirklich stimmte. Vielleicht war das auch nur eine Bewegung alternativer Wissenschaftler, die an einer These festhielten die noch nicht bestätigt war. Sie musste also diese Behauptung für sich selbst feststellen. Es gab Hinweise darauf, dass das Gesagte eine Richtigkeit hatte, sie würde dem genauer Nachgehen. Wenn Sky eine gewisse Intelligenz hatte, die sich mit der Menschlichen vergleichen lässt, so würde sie es bemerken und herausfinden. Ganz sicher.
Ana zuckte zusammen, als die elektronische Tür zu ihrem Arbeitsplatz aufging. Zwei Kollegen kamen rein und Ana war froh, dass sie den Laptop schon zugeklappt hatte.
"Sie sind ja immer noch da Miss Novak, wollen sie etwa eine Nachtschicht einlegen?" Es war Mr. Turner.
"Oh, nein, gewiss nicht." Ana versuchte sich die Geheimniskrämerei nicht anmerken zu lassen, oder den Fakt, dass sie sich ganz schön erschrocken hatte.
"Die Anlage an der Schleuse geht wieder, es war nur ein kleiner Fehler in der Software." meinte dann der andere Kollege. Es war derselbe, der Turner gerade gebeten hatte, ihm zu helfen.
"Sie sollten jetzt ernsthaft Feierabend machen, sonst erwischen sie den Letzten Mannschaftsbus nicht." Turner lächelte sie an und wandte sich dann der Schaltanlage zu, die sich ebenfalls in diesem Raum befand.
"Ja, sie haben recht,", Ana packte den Laptop in ihre Tasche, die am Schreibtisch angelehnt war und stand dann auf. "Wir sehen uns morgen. Ich hab vor Morgen ins Gehege zu gehen."
"Ich werde meine Kollegen darauf vorbereiten, sodass sie morgen nicht so lange warten müssen."
"Das ist lieb von ihnen, dann wünsche ich ihnen eine ruhige Nachtschicht. Bis Morgen." Ana winkte beiden Männern noch einmal zu und verschwand dann aus dem Arbeitszimmer, auf dem Weg zum bald ankommenden Mannschaftsbus, der sie zu ihrem Wohnheim bringen würde.

Am nächsten Morgen begann Ana sehr früh mit ihrer Arbeit. Es war gerade erst hell draußen geworden, da stieg sie schon aus dem Mannschaftsbus, um sich auf den Weg ins Innere des Stützpunktes zu machen. Viele der Soldaten, die mit ihr ausgestiegen waren, waren noch müde und wirkten nicht sonderlich motiviert, ihre Kollegen in der Schicht abzulösen. Ana hingegen war sehr motiviert. Sie war fest entschlossen der Sache mit Sky auf den Grund zu gehen. Das, was ihr Geheimer Kontakt ihr als Informationen zukommen lassen hatte, musste überprüft werden. Denn wenn das stimmte, dann musste Ana alles, was sie hier machte, überdenken.
Als sie in Gedanken den Stützpunkt durchquert hatte und nun in ihrer, man könnte es Abteilung nennen, eintraf, erwartete sie ein müder Mr. Turner.
"Guten Morgen." grüßte ihn Ana und legte ihre Tasche auf den Schreibtisch. "Müsste ihre Schicht nicht schon vorbei sein? Was machen Sie noch hier?"
"Oh, guten Morgen." Der Mann sah von einem Stapel Papiere auf, "Ja, ich könnte längst in meinem Bett liegen, aber ich habe mich noch mit der ablösenden Schicht Vorbereitungen getroffen, sie haben ja gesagt, sie wollen heute nochmal in das Gehege?"
Ana war überrascht wie zuverlässig und sorgfältig Mr. Turner war. Scheinbar hatte er noch immer große Sorgen um Ana, nach dem, was letztes mal passiert war. "Ja, das ist richtig, ich werde heute nochmal in das Gehege gehen."
"Was genau haben Sie eigentlich vor? Das hatten sie mir noch gar nicht erzählt."
"Ich möchte Sky nur an meine Anwesenheit gewöhnen, also hab ich erst mal nichts Besonderes vor. Ich werde mich wahrscheinlich erst mal ins Gehege setzen und ihn ein wenig beobachten." erklärte Sie ihm.
Er schaute sie grübelnd an. "Das verstehe ich nicht so recht, aber umso besser. Versuchen sie, ihm nicht zu nahe zu kommen, nicht, dass er sie wieder angreift. Auch wenn wir dahingehend natürlich auf sie aufpassen werden."
"Das weiß ich, aber sie brauchen keine Angst haben, ich denke nicht, dass es zu einem Vorfall kommen wird." beruhigte Ana Mr. Turner. Woher sie das so genau wusste, wusste sie selbst nicht. Es lag ihr einfach irgendwie im Gefühl. Nachdem Sky das letzte Mal nach dem Angriff so behutsam und gar passiv war, hatte sie das Gefühl, sie beide hatten eine Chance auf eine gute Bindung. Manchmal wusste man sowas einfach und man musste sich auf dieses Gespür verlassen.
"Also schön." Mr. Turner stand auf und nahm seine Kaffeetasse. Der Kaffee Geruch erfüllte bereits den ganzen Raum. "Ich gebe sie an meinen Kollegen Mr. Miles weiter, dann kann ich Feierabend machen. Immerhin wartet heute noch eine Nachtschicht auf mich."
Er lächelte Ana müde an und sie lächelte zurück. Mr. Turner sah immer so aus, als hätte er Tage nicht geschlafen und so langsam wurde ihr bewusst, dass er tatsächlich wenig schlief und fast immer nur arbeitete. Auf lange Sicht war das, was er da machte, gar nicht gesund, aber er war eindeutig alt genug, das für sich selbst zu entscheiden.
Mr. Miles war sie hingegen noch nicht begegnet. Zusammen gingen Turner und Ana rüber in den Überwachungsraum, in dem ein großer Mann hinter Gonzales stand, um mit auf die Bildschirme zu schauen.
"Miles, ich habe hier unsere neue Kollegin, die zuständige für Sky." kündigte Turner an. Der große Mann drehte sich nach ihnen um.
"Schön sie kennen zu lernen," er ging zu Ana rüber und schüttelte ihre Hand. "Sie werden mit Sky ganz schön Arbeit haben und gefährlich ist es obendrein auch noch."
Er schaute sie an, als hätte er Mitleid mit Anas Schicksal, dabei fand Ana ihre Arbeit gar nicht schrecklich. Sie war scheinbar die einzige, die kein Problem damit hatte, diese Arbeit zu verrichten. In den Augen der anderen schien es fast wie eine Bestrafung zu sein.
"Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin bestens ausgebildet und qualifiziert für diesen Job." antwortete sie selbstbewusst.
"Natürlich sind sie das, ich habe nie daran gezweifelt." Miles hob beschwichtigend seine Hände, scheinbar hatte er es wirklich nicht so gemein. "Ich werde sie mit unseren Kollegen so gut es geht unterstützen, wir passen hier alle aufeinander auf."
"Dankeschön, das habe ich bereits feststellen dürfen. Hier arbeiten wirklich außergewöhnlich zuverlässige Leute." stimmte Ana zu.
"Das ist hier auf Pandora auch überlebenswichtig und gerade wo fast alles auf Pandora versucht, einen umzubringen." erklärte er und drehte sich dann wieder den Bildschirmen zu wo man Sky sehen konnte. "Sagen sie mir kurz, worauf ich achten muss, wenn sie heute ins Gehege gehen?"
Turner unterbrach ihr Gespräch. "Ich sehe sie sind in besten Händen, Novak. Ich werde mich dann für heute verabschieden. Mein wohlverdienter Schönheitsschlaf ruft." Er lachte locker und winkte beiden noch mal zu, während er mit seiner Kaffeetasse in der Hand die Abteilung verließ.
Ana lenkte ihre Aufmerksamkeit, nachdem sie Turner freundlich hinterher gewunken hatte, wieder auf Miles. "Ich habe nichts besonderes vor. Ich werde einfach ein wenig Zeit im Gehege verbringen und Sky beobachten, damit er sich an meine Anwesenheit gewöhnt und sie vielleicht anfängt zu dulden."
Miles schaute sie an, während er ihr scheinbar aufmerksam zuhörte. "Ich werde sie mit einem Headset ausstatten, damit wir jederzeit in Kontakt treten können, ich denke so ein großes Funkgerät würde sie nur hindern."
"Ja, das ist eine gute Idee, wenn ich meine Hände frei habe, fällt es mir leichter, Aufzeichnungen zu machen."
Miles nickte und ging dann an ein Schränkchen. Als er wieder kam, hatte er ein Gerät in der Hand, welches man an das Ohr befestigte. "Das tun sie sich ans Ohr, darüber können wir sie hören Dr. Novak und sie uns. Am besten lassen sie uns auf Dauer senden. Wenn nicht, müssen sie ständig an das Ohr greifen, um den Ton anzuschalten, was sich in einer Gefahrensituation als schwierig herausstellen könnte."
Ana nahm ihm das kleine Gerät ab. "Hier aktiviere und deaktiviere ich das Mikrofon, richtig?"
Miles nickte: "Lassen Sie mich ihnen einmal zeigen, wie man es richtig am Ohr fest macht." Er kam auf sie zu.
Etwas unsicher ließ Ana ihren Kollegen machen. Etwas ungewohnt war es, dass hier alle so unbekümmert nah zueinander waren, aber sie verstand die Notwendigkeit und fand die Gesellschaft erfrischend angenehm. Sie würde sich sicher sehr einsam auf Pandora, ohne den freundlichen Kontakt zu ihren Kollegen, fühlen. Schnell hatte Mr. Miles das Gerät an ihr Ohr angebracht und ihr dabei auch erklärt, wie es funktionierte. Ana hatte sich das gleich gut eingeprägt, damit sie es beim nächsten Mal alleine machen konnte.
"Gut, hören sie mich?" sagte Gonzales, der am Bildschirm saß und dort scheinbar ein Gegenstück liegen hatte.
Ana nickte. "Klar und deutlich. Bin ich auch gut zu verstehen?"
Gonzales gab mit der Hand ein OK Zeichen und drehte sich wieder zu den Bildschirmen.
"Sehr gut, dann können sie gleich gerne schon in das Gehege gehen. Sky ist schon wach." meinte dann Miles zufrieden.
"Sehr schön, ich hole eben meine Sachen, dann mache ich mich auf den Weg zur Schleuse. Ich gehe davon aus, dass sie ein Auge auf uns haben werden?" sagte Ana während sie schon auf dem Weg in den anderen Raum zu ihren Sachen war.
"Natürlich!" hörte sie noch Miles sagen, bevor sich die automatische Tür hinter ihr schloss.
Aus der Tasche, die sie auf den Schreibtisch gelegt hatte, holte sie Stifte und Papier. Sie würde eventuelle Aufzeichnungen über Sky machen, wenn sie im Gehege war, dafür würde sie das alles brauchen. In der Schublade des Schreibtisches fand sie noch ein entsprechendes Klemmbrett, dasselbe, was sie zuvor auch schon genutzt hatte. Darauf klemmte sie das Papier fest und machte sich auf den Weg zur Schleuse. Um zu dieser zu gelangen, musste man wieder raus aus ihrer Abteilung, eine Etage tiefer gehen und dann von unten wieder rein. Alle Räume ihrer Abteilung waren durch die großen Hauptflure des Stützpunktes verbunden.
Unten bei der Schleuse wurde sie bereits von Kollegen erwartet. Ana grüßte alle höflich und öffnete die Schleuse mit ihrem Arbeiterausweis. Die Türen öffneten sich, während sie sich die Atemmaske aufsetzte und dann trat sie ein. Die Schleuse schloss sich, der Druckausgleich passierte und kurz danach Konnte sie das Gehege betreten.
Sobald sich die Schleusentüren zum Gehege öffneten, spürte Ana ihre steigende Aufregung. Um ehrlich zu sein, hatte sie etwas Angst. Die Erinnerungen vom Angriff waren nicht komplett von ihr vergessen. So etwas konnte man nicht einfach so vergessen, der Schock hatte tief gesessen. Jedoch versuchte sie, diese negativen ängstlichen Gedanken mit einer anderen Erinnerung zu überschatten. Sky hatte ganz behutsam ihre Hand genommen. In diesem Moment hatte sie keine Angst vor ihm gehabt. Sky hatte eine liebe Seite, wenn man ihn nicht verängstigte oder bedrängte.
Mutig ging sie voran und hörte sogleich Mr. Miles Stimme in ihrem Ohr. "Test, können Sie mich gut hören?"
Ana aktivierte ihr Mikrofon, in dem sie ihren Finger auf das Gerät an ihrem Ohr legte, "Ja klar und deutlich, sie mich auch?"
"Positiv, passen sie auf sich auf, wir haben von ihr oben ein Auge auf sie." antwortete Miles, dann endete der Kontakt.
Miles und ihre anderen Kollegen schienen sich wirklich sehr um sie zu Sorgen. Alle waren der Meinung das es viel zu gefährlich war, Sky einfach so im Gehege entgegen zu treten. Ana konnte es keinem von ihnen verübeln.
Aufmerksam ging sie weiter und ihre Augen suchten das große Gehege nach Sky ab. Auch diesmal vermutete sie ihn am Baum. Durch das Dickicht, was wohl Sky zur Liebe überall gepflanzt wurde, war es schwer, die Übersicht zu behalten. Ana presste sich nervös das Klemmbrett an die Brust und Schritt vorsichtig voran.
Sky hatte sie noch immer nicht entdeckt. Sie strich hochgewachsenes Gras beiseite, um sich dem Baum zu nähern, als sie es hinter sich raschelte hörte. Sofort blieb sie wie angewurzelt stehen. Hinter ihr war jemand und das konnte nur Sky sein.
"Novak hinter ihnen, sollen wir einschreiten?" hörte sie durch den Funk.
Vorsichtig griff sie an das Gerät am Ohr, "Nein, nichts machen." sagte sie leise und drehte sich dann vorsichtig um.
Sky stand tatsächlich hinter ihr. Er war aufgerichtet, stand auf den Beinen ganz gerade da und schaute sie an. Sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging, die Mimik war kalt und starr. Fast schon ein wenig abweisend. Angegriffen hatte er aber noch nicht. Das war ein gutes Zeichen.
Ana hob beschwichtigend die Hände und machte eine sachte Geste: "Alles gut, ich bin nicht hier, um dir was zu tun." sagte sie, auch wenn ihr bewusst war, dass Sky kein Wort verstand. Es ging ihr darum, dass er an ihrer Ausstrahlung und Stimme erkannte, das sie friedlich war.
Skys rötliche Augen wanderten an Ana hoch und runter, als würde er sie genau inspizieren, dann schaute er ihr wieder fest in die Augen. Ana hielt seinen Blick stand, machte keine hastigen Bewegungen, sondern wartete geduldig ab, was als nächstes passierte. Sein Ohr zuckte nervös, er schien auch abzuwarten, was Ana machte. Als er zu dem Entschluss kam, das nichts weiter passieren würde, wandte er sich ab und ging zu seinem Baum, der ganz nah war.
Ana atmete auf, es war wirklich zu keiner Eskalation gekommen. "Beeindruckend Novak." hörte sie Miles sagen und sie musste gestehen, dass auch sie selbst beeindruckt war, wie friedlich es gelaufen war. Sie hatte es gehofft, aber eine kleine Angst war dennoch da gewesen, dass es eskalieren könnte.
Nachdem Sky vorausgegangen war, ging auch Ana zum Baum. Jedoch ging sie nicht zum Stamm, an dem Sky irgendwas zu machen schien, sondern setzte sich abgelegener auf einen Stein. Dort legte sie ihr Klemmbrett auf den Schoß und beobachtete Sky bei seiner Tätigkeit.
Dieser hatte sich auf den Boden gehockt und schien wirklich Äste zusammenzubinden. Fasziniert davon, schaute Ana genau hin. Sie würde nur zu gerne wissen, warum Sky das tat und was genau es darstellen soll. Oder vielleicht hatte es ja sogar eine Funktion? So viele Fragen und doch konnte sie nicht mit ihm kommunizieren. Wieder kam ihr die geheime Nachricht in den Sinn, wo von einer hohen emotionalen Intelligenz gesprochen wurde. Wenn sie Sky so beobachtete, konnte sie das Menschliche, was sie in ihm sah, fast nicht mehr absprechen.
Ihr Blick ging an seiner großen Gestalt entlang. Seine Haut hatte eine wunderschöne sanft dunkelblaue Färbung mit schönen dunklen Markierungen. Sein Körper war schlank und dennoch konnte man seine definierten Muskeln sich von der Haut leicht abheben sehen. Ana nahm ihren Stift in die Hand und fing an ihn zu malen, seine außergewöhnliche Schönheit, die wie nichts war, was sie kannte, einzufangen. Er war ganz anders als sie selbst und doch hatte sie immer mehr das Gefühl, dass sie gar nicht so unterschiedlich waren. Dafür, dass er ein Alien war, hatte er nichts mit diesen kleinen grünen Männchen gemeinsam. Auch nichts von diesen Horror Aliens, die einen in Stücke rissen. Er sah menschlich aus, er hatte etwas... Normales. Etwas, woran sie sich nicht erst gewöhnen musste. Seine Anwesenheit war nicht merkwürdig.
Friedlich saßen sie beide da, Ana malte Sky und er schien an irgendwas zu basteln. Dann jedoch blickte er von seiner Arbeit auf, rüber zu Ana. Sie bemerkte seinen Blick, stoppte aber nicht. Ana wollte ihm die Zeit lassen, dass auch er sie mal genauer anschauen konnte. Sie spürte Skys schöne Augen auf ihrer Gestalt ruhen und versuchte, sich weiterhin auf das Bild zu konzentrieren und sich nicht anmerken zu lassen, dass sie bemerkt hatte, dass Sky sie anschaute. Dann hörte sie ihn bewegen. Er war aufgestanden und schien vorsichtig zu ihr rüber zu kommen. Noch immer tat Ana, als würde sie es nicht bemerken, oder zumindest als würde es sie nicht stören. Was es sie auch nicht tat. Tatsächlich hatte sie keine Angst. Die Stimmung war gerade sehr friedlich und Sky schien gerade einfach nur neugierig zu sein.
In leicht geduckter Haltung kam er vorsichtig, aber neugierig zu ihr rüber, bis Ana Sky neben sich aus dem Augenwinkel sehen konnte. Er versuchte zu sehen, was sie da auf dem Papier malte. Nun schaute Ana doch auf und winkelte das Klemmbrett so an, dass er besser sehen konnte, ohne näher ran kommen zu müssen. Überrascht über diese Handlung schaute er vom Papier auf, in ihr Gesicht. Scheinbar versuchte er zu verstehen, warum das hier alles passierte, versuchte zu erkennen, ob Ana ihn austricksen wollte. Doch Ana lächelte ihn nur einladend an. Sie war nicht sein Feind, sie wollte sich mit ihm anfreunden.
Als er wohl sicher war, dass Ana nichts böses im schilde führte. Kam er hockend noch ein Stück näher ran, um sich das Bild anzuschauen. Sein Blick ruhte auf der Zeichnung, dann schaute er hoch zu Ana und dann wieder zum Bild zurück.
Sie wartete geduldig ab, ließ ihm Zeit, sich das Bild anzuschauen und bewegte sich dabei kein Stück, da sie ihn nicht verschrecken wollte. Noch einmal schaute Sky prüfend zu Ana, dann kam er ganz nah an sie heran um mit seiner Hand über das Papier zu streifen. Sofort fiel Ana auf, das er nur drei Finger anstelle von vier besaß, ohne den Daumen zuzurechnen. Vorsichtig gab sie Sky das Klemmbrett in die Hand. Er nahm es genau so vorsichtig entgegen.
Beide waren sehr vorsichtig mit ihrem Gegenüber, weil sie diesen nicht einschätzen konnten. Dennoch blieb die Atmosphäre ruhig zwischen ihnen. Sky holte das Bild nahe an sich ran, um jeden Strich genau zu inspizieren. Ana war sich sicher, er erkannte, dass Ana ihn gemalt hatte.
Nachdem Sky eine Weile das Bild angesehen hatte, nahm Ana es ihm behutsam wieder ab und zeigte ihm, wie sie mit ihrem Stift an der Zeichnung was ergänzte. Sky beobachtete das aufmerksam. Dann hielt sie ihm den Stift hin. Würde er verstehen, was Ana von ihm wollte? Würde auch Sky etwas auf dem Papier ergänzen? Unsicher nahm Sky den Stift entgegen, sein Blick ruhte auf Ana, wachsam, darauf bedacht, sofort zu erkennen, wenn sie etwas bösen vorhatte.
Als er den Stift hatte, hielt Ana ihm das Klemmbrett hin, er solle etwas darauf malen. Sie versuchte zu erkennen, wie intelligent er wirklich war, sie musste sich einfach sicher sein.
Sky führte den Stift zu dem Papier, fing an tatsächlich etwas darauf zu malen. Es war ein Symbol, er malte es genau auf die Brust, von der Zeichnung, die Ana gemalt hatte. Ein richtiges Symbol. Ana konnte ihren Augen kaum trauen wie koordiniert und gezielt er das Symbol auf das Papier brachte. Sie hielt kurz den Atem an. Alles, was sie geglaubt hatte zu wissen, schien vor ihren Augen zu zerbröseln. Die geheime Mail, alles was darin gestanden hatte. Sie hatten recht! Jetzt gab es kein zurück mehr. Ana musste mehr herausfinden und versuchen, den geheimen Kontakt zu vertiefen. Wie viel mehr war da noch, von dem sie nicht wusste?
Sky legte den Stift zurück in Anas Hand und schaute sie an, als würde er abwarten, wie sie reagieren würde. Aber das wusste Ana selbst noch nicht. Wie sollte sie jetzt weiter machen, jetzt wo sie wusste das sie es mit einer höheren intelligenten Spezies zu tun hatte. Eine, die sehr wahrscheinlich ein Bewusstsein hatte.
Die ruhigen großen Augen von Sky beruhigten sie wieder. Erstmal konnte sie nichts anders machen, jetzt in dieser Situation konnte sie nur mit dem Arbeiten was sie hatte.
Ana deutete mit ihrem Finger auf sich selbst und sagte dann gut verständlich. "Anastasia Novak."
Sky schaute sie wachsam an. Sie erwiderte seinen Blick und überlegte. "Ana." sagte sie dann, was dem Na'vi sicher leichter fallen würde, wenn er wirklich vorhatte, mit ihr zu sprechen.
Dann deutete sie auf Sky und schaute ihn fragend an. Sie hoffte, er würde verstehen, was sie von ihm wollte. Doch Sky blieb stumm. Sie deutete wieder auf sich, sagte ihren Namen und dann deutete sie wieder auf Sky. Doch auch diesmal reagierte er nicht darauf. Irgendwie hatte Ana das Gefühl, dass er sehr wohl verstanden hatte, was sie von ihm wollte, er aber noch nicht aufgeschlossen genug war, darauf einzugehen. Denn anstelle ihr zu antworten, entfernte er sich von ihr wieder. Scheinbar musste auch Sky über ein paar Sachen, die gerade eben passiert waren, nachdenken. So wie sie selbst.
Das Schlimmste war, Ana konnte vorerst mit niemandem darüber reden. Irgendwie hatte sie das Gefühl, würden die Falschen davon erfahren, könnte Sky Schwierigkeiten bekommen. Sie stand auf und nahm ihre Sachen mit sich. Sky weiterhin Sky zu nennen, kam ihr mittlerweile komisch vor. Es fühlte sich nicht richtig an. Er hatte diesen Namen sicher von einem Menschen bekommen und sie war sich sicher, wenn die Na'vi ein Intelligentes Volk waren, so hatte Sky sicher einen richtigen Namen, einen Namen, den er von einer Mutter oder einem Vater bekommen hatte.
In Gedanken versunken ging sie durch das Gehege zurück zur Schleuse. Sie wollte mehr über Sky herausfinden, woher er kam, was vor alledem hier gewesen war. "Ich komme jetzt raus." meldete sie Miles, während sie schon die Schleuse betrat, die ihr geöffnet wurde. Heute war viel passiert, über das Ana erstmal nachdenken musste.

Aungia ta Eywa - ein Zeichen von Eywa // AvatarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt