Die unmögliche Aufgabe

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Anas Magen krampfte sich zusammen, als sie dem Mann gegenüberstand, die für das alles verantwortlich war. Zumindest was das Leid von Ean'tu betraf. Er war derjenige der ihn gefangen hielt, eingepfercht wie ein Tier. Es gab so viel, was sie ihm hätte sagen können, doch stattdessen biss sie die Zähen aufeinander und blieb Stumm. Nur ein falsches Wort könnte ihr oder Ean'tus Schicksal bestimmen, sie musste vorsichtig sein und ihre Wut runter schlucken.
Mr. Cornett schaute mit eiserner Miene zu ihr und seine Blicke durchbohrten sie. Er hatte einen feinen Anzug an, die Haare ordentlich zurück gekämmt und das Gesicht glatt rasiert. Sie konnte sogar noch sein stark riechendes Aftershave riechen, was ihr in der Nase brannte. Turner hatte sich wieder an den Schreibtisch gesetzt und Ana mit dem Boss und den beiden Soldaten, zu seinem Schutz, alleine gelassen.
"Dr. Anastasia Novak, sehr erfreut sie nun auch persönlich kennen zu lernen," zwang sich Ana zu einer gespielten Freundlichkeit und reichte dem Mann die Hand.
"Die Freude liegt ganz auf meiner Seite." Er schüttelte ihre Hand und setzte ein falsches Lächeln auf. Als Verhaltenspsychologin, durchschaute Ana sofort seine Mimik und Gestik. Ohne es zu wissen, schien sie bereits etwas getan zu haben, was ihn verärgert hatte. Genau so wusste sie jedoch auch, dass er wahrscheinlich davon absehen wird, ihr zu erzählen, was es genau war. Es lag an ihr, das herauszufinden. "Ich sehe sie machen Fortschritte bei Sky? So schnell habe ich nicht mit Ergebnissen gerechnet, das er schon so zahm ist. Sie hatten mir gar nicht davon berichtet."
Ah ha, da lag das Problem, die unterschwellige Beschwerde hatte Ana sofort raus gehört. "Ich bin sehr gut in dem was ich mache Sir, sonst hätten sie sicher davon abgesehen mich einzustellen." erklärte sie sich dann, "Aber von zahm kann hier noch keine Rede sein."
"Und wie erklären Sie sich das in dem isolierten Raum?" Er verschränkte die Arme.
"Nun Sir, Sky ist komplexer als anfangs angenommen, er duldet meine Nähe inzwischen, was wichtig für eine weitere Zusammenarbeit und Training ist, jedoch liegt noch ein weiter Weg vor Sky, bis von einer vollständigen Zähmung gesprochen werden kann." Ana hielt seinen Blick stand.
"Was meinen Sie mit Komplex Dr. Novak? Wie viel Komplexer als andere Tiere kann er schon sein."
"Um einiges, vertrauen sie einfach in meine Arbeit."
Der Mann schien sie genau zu begutachten und zu überlegen. Einen Blick, den Ana nicht ganz deuten konnte. Suchte er in ihren Worten eine Lüge? Denn Lügen tat sie nicht. Jeglich ein Paar informationen hielt Ana zurück. Es war wichtig dass sie genau das tat, was ihr Boss von ihr erwartete, so das Ana ihren Job nicht verlor. Hier wurden nur die besten gebraucht auf Pandora.
"Sir, wenn ich offen reden könnte," fing Ana an. Ihr Boss nickte ihr zu. "Ich würde gerne ein paar Umstandsverbesserungen für Sky beantragen. Dinge für sein Wohlergehen, damit er sich heimischer fühlt. Er hat mehr Bedürfnisse als ein einfacher Hund."
Das war eine gewagte bitte, aber wenn der Boss ehrliche Interesse an Sky hatte, sollten diese Dinge um die Ana bat, kein Problem für ihn darstellen.
Ihr Boss schaute sie misstrauisch an. "Um welche Dinge reden wir hier?"
"Kleidungsstücke, Schmuck und Materialien." nannte sie gewagt.
Eine kurze Stille entstand, in der Anas Puls stieg. Hatte sie zu viel gesagt, würde der Boss das ablehnen? Seine Augenbraue zuckte und Anas Gesicht blieb starr, da sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollte.
"Wird das helfen?" fragte Mr. Cornett nach, noch immer leicht misstrauisch.
"Ja." Ana war sicher das es helfen würde, nicht um Ean'u an die Menschen zu gewöhnen, aber um sein Wohlbefinden zu steigern.
"Dann bekommen sie was sie brauchen. Schreiben Sie auf, was Sie benötigen und ich sehe zu, dass es den Weg zu ihnen findet." willigte er ein und Ana hätte am liebsten aufgeatmet, jedoch sprach er weiter. "Ich bin tatsächlich hier, um mit ihnen noch etwas zu besprechen."
"Natürlich," Ana setzte ein interessiertes Gesicht auf und wirkte ganz Ohr.
"Ich plane Sky ab zu richten. So wie einen Schutzhund. Er soll so abgerichtet sein, das ich ihn als Begleitung auf Banketts oder andere wichtigen Unternehmen treffen mitnehmen kann und das er im Falle mein Leben schützt." er grinste. "Niemand stellt sich einem drei Meter großen Na'vi in den Weg, stellen sie sich nur die geballte Kraft vor."
Ana hätte Mr. Cornett fast mit offenem Mund angestarrt, hätte sie nicht eine Beherrschung aus Gold. Das, was der Mann von ihr erwartet, war unmöglich. Niemals würde Ean'tu diesen Mann beschützt. Egal was Ana versuchen würde. Ean'tu hasste die Menschen, aber vor allem hasste er die Leute hier, jeden einzelnen von ihnen. Ana konnte jedoch unmöglich ablehnen. Was würde Mr. Cornett mit Ean'tu tun, wenn er erfährt dein sein vorhaben unmöglich wäre? Hätte er dann keine Verwendung mehr für den na'vi? Oder würde er vielleicht die Schuld bei Ana suchen und sie zurück zur Erde schicken?
Etwas überrumpelt schluckte Ana. "Da wird Sky noch einen langen Weg vor sich haben, bevor er so weit sein wird." zwang sie sich zu einer Antwort.
"Aber es ist möglich?" wollte ihr Boss das Ana es ihm noch mal bestätigte.
"Nun, mit viel Arbeit, ja." log sie ihm ins Gesicht. Von außen wirkte sie gefasst, aber innerlich war sie aufgewühlt und durcheinander.
"Sehr schön, das ist was ich hören wollte." Er schien zufrieden, gar erfreut. "Aber lassen sie sich nicht allzu sehr Zeit damit, zum nächsten großen Event möchte ich ihn mitnehmen."
Ana wurde speiübel. Der Druck der sich durch die Worte ihres Boss aufbaute, war immens. Immer mehr war klar, das sie sich in einer Unlösbaren Situation befand, einer Situation die kein gutes Ende nehmen würde, egal wie sie es dreht und wendete.
Das Klingeln eines Handys unterbrach ihr Gespräch und es war das von Mr. Cornett. Ihr Boss zückte das Handy, ehe er ran ging wandte er sich noch kurz Ana zu, "lassen sie mir die Liste zukommen, von dem was sie benötigen und halten sie mich auf dem Laufenden."
Mit diesen Worten nahm er den Anruf entgegen und wandte sich ab. Mit den beiden Soldaten verließ er die Station. Dann war es ruhig und Ana konnte endlich wieder Atmen. Etwas durcheinander fand sie den Weg zu ihrem Schreibtisch und ließ sich auf ihren Stuhl sinken.
"Sie sehen erschöpft aus." Turner hatte sich nach ihr umgedreht auf seinem Stuhl und schaute sie an.
Konnte sie ihm wirklich sagen, was der Boss verlangt hatte? Das sie ohne mit der Wimper zu zucken gelogen hatte? Turner war ihr verbündete, sie musste ihm davon erzählen. "Der Boss möchte das ich Sky abrichte wie einen Schutzhund."
Mr. Turner entglitten die Gesichtszüge. "Er will ihn zu einer seiner Bodyguards machen? Oder wie kann ich das verstehen?"
"Nun, irgendwie schon..." Ana stützte sich auf dem Schreibtisch ab und strich mit ihren Händen über ihr Gesicht.
"Lassen Sie mich raten... sie haben den Auftrag angenommen."
"Ja und es fühlt sich schrecklich an zu lügen."
"Vor allem haben Lügen kurze Beine, was gedenken sie zu tun? Diese Fassade können sie nicht ewig wahren und Sky wird sich nicht abrichten lassen... das weiß sogar ich." Turner schaute sie besorgt an.
"Ich weiß noch nicht was ich mache, lassen sie mich erst mal eine Zeit darüber nachdenken." das es keine Lösung geben wird, war beiden Klar, aber den Kopf in den Sand stecken würde nicht helfen. "Ich werde erstmal wie gewohnt mit Sky weiter Arbeiten, ihm unsere Sprache beibringen und die Bindung zu ihm vertiefen. Außerdem gibt es auch gute Nachrichten."
Er schien interessiert und zog die Augenbrauen hoch. "Na, dann lassen sie hören."
"Ich habe Zugeständnisse in Skys Versorgung bekommen, ich darf eine Liste anfertigen, mit Dingen die ich für zwingend Nötig halte." erklärte sie.
"Das sind tatsächlich gute Neuigkeiten. Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, das er so etwas zustimmen würde."
"Ich bin ebenfalls erstaunt, aber so wird sich Sky bald viel wohler fühlen, so gut das eben geht in gefangenschaft." Ana war überzeugt das sie alles geben wollte, damit Ean'tu sich wohl fühlte.
"In Zukunft werden sie jedoch einen Plan benötigen, wie sie die Situation händeln wollen." sagte Turner dann noch mahnend und sie wusste das er recht hatte. Daraufhin nickte Ana nur, was sollte sie auch noch groß dazu sagen. Er wandte sich nun wieder seiner Arbeit zu und Ana lehnte sich erschöpft in ihrem Stuhl zurück.
Müde ging ihr Blick zur Seite, in Richtung des Raumes, wo Ean'tu war. Zu ihrer Überraschung stand er an der Scheibe, beide Hände dagegen gelehnt und schaute auch sie an. Ihre Blicke trafen sich und Ana winkte ihm mit einem erschöpften Lächeln zu, doch sein Blick blieb besorgt. Ob er gesehen hatte wie sie mit ihrem Boss geredet hatte? Kannte er diesen Mann oder war dieser Ean'tu völlig fremd? Heute würde sie jedoch nicht noch mal zu dem Na'vi gehen, Ana war müde. Das war jedoch nicht der alleinige Grund. Sie musste unbedingt versuchen ihren geheimen Kontakt zu erreichen. Ana hatte so viele Fragen und vor allem fühlte sie sich machtlos.
"Ich fahre heute einmal zu meinem Wohnheim, ich müsste einmal meine Kleidung waschen und neue Kleidung holen." sagte sie an Turner gewandt. Tatsächlich war das nichts Neues, das tat sie jede Woche einmal, gerade da sie sonst die ganze Zeit auf der Station war.
"Machen sie das, in einem richtigen Bett zu schlafen, wird ihr Rücken ihnen danken." antwortete Turner ihr, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen. "Ich melde mich, falls etwas mit Sky sein sollte."
Ana ließ den Na'vi nur sehr ungern zurück, aber sie musste sich um ihre Wäsche kümmern und dazu war es unmöglich, das sie mit dem Geheimen Kontakt hier auf Station schrieb. Viel zu groß war die Gefahr, das sie auffliegen würde.
Ana nahm ihre Tasche und ging ein letztes Mal zur Scheibe hinter der Ean'tu stand. Sie legte ihre Hand an das Glas und schaute zu ihm hoch. Mit der anderen Hand formte sie eine Geste des Abschieds, die der Na'vi verstand. So gab sie ihm jedes Mal zu verstehen, das sie die Station kurz verlassen musste. Der traurige Blick von Ean'tu traf ihren und er erwiderte die Geste. Danach wandte sie sich ab und beeilte sich, den Mannschaftsbus zu bekommen.

Frisch geduscht kam Ana aus dem kleinen anliegenden Bad ihres Zimmer. Auf dem Stützpunkt hatte sie keine Gelegenheit gehabt, lange duschen zu gehen und war froh, das sie sich endlich wieder frisch fühlte. Ihre Schlafkleidung schon tragend, klappte sie ihren Laptop auf und setzte sich davor. Jetzt hatte sie endlich die Gelegenheit, Patra zu kontaktieren und eine E-Mail an den Geheimen Kontakt zu hinterlassen. Ohne zu zögern, schrieb sie Patra, 'Ich bin wieder im Wohnheim, können wir reden?"
Danach öffnete sie das Programm, worüber sie E-mails mit den Mysteriösen Kontakt austauschte. Noch immer haben sie sich nicht namentlich vorgestellt und ließen Ana im Dunklen. Natürlich hatte sie schon oft darüber nachgedacht, wie riskant der Kontakt war und ihnen einfach Vertrauen zu schenken. Eine andere Wahl hatte sie jedoch nicht. Wenn sie weiterhin Informationen zu den Na'vis haben wollte, musste sie den Kontakt vertiefen. Denn auch die Gegenpartei war vorsichtig. Scheinbar mussten auch sie schauen, ob sie Ana vertrauen konnten. Ana bekam nur nach und nach mehr Informationen, die sie im Gegenzug mit den Informationen zu Ean'tu austauschte. Die Leute vom Kontakt, wollten alles wissen, was mit ihm zu tun hatte. Egal was Ana für Fortschritte bei Ean'tu machte, was sie herausfand, all das teilte sie in den E-Mails mit.
Jede Woche ein mal, wenn sie zurück im Wohnheim war, nahm sie Kontakt auf und berichtete. Das ging jetzt schon seit Wochen so.
Während sie an dem Bericht schrieb, den sie dem geheimen Kontakt schicken wollte, antwortete ihr Patra und sie horchte auf. Nur einen Bruchteil später ging schon ein Anruf ein.
Ana nahm den Anruf entgegen. "Guten Abend," grüßte sie ihre einzige Freundin auf Pandora.
"Guten Abend, schön von dir zu hören." Patra lächelte sie freundlich durch die Webcam ihres Laptops an. Scheinbar war sie noch immer auf der Arbeit, denn im Hintergrund konnte man die Station sehen, auf der sie zur Zeit arbeitete.
"Ja, es tut auch mit dir zu reden." stimmte Ana zu.
"Meine Güte, du siehst ganz schön fertig aus, du hast sicher kaum geschlafen auf dem Stützpunkt."
"Nicht wirklich gut zumindestens." Der Raum, in dem sich das Personal schlafen legen konnte, war ein Gemeinschaftsraum, wo sie unter Kollegen und sogar Soldaten und Wachpersonal schliefen. Jeder mit einer anderen Schicht, es war ein ständiges ein- und ausgehen. Dazu kam, das manche Leute auch noch fürchterlich schnarchten. Es war immer eine furchtbare Unruhe in dem Zimmer, die es Ana sehr schwer gemacht hatte, Schlaf zu finden.
"Aber das ist nicht alles stimmts?" Patra schaute sie mit ihren dunkelbraunen, fast schwarzen Augen an. Ihre Freundin hatte Ana durchschaut. "Was ist los? Irgendwas ist doch passiert."
Ana seufzte laut und strich sich über das Gesicht. "Heute war unser Boss auf Station. Quasi ein überraschungs Besuch, komplett unangekündigt."
"Nein! Was wirklich? Und wie wars?" Patra stoppte das, was sie tat und wandte ihre ganze Aufmerksamkeit Ana zu.
"Ein unsympathischer, schmieriger Mann, der ganz schön viel unterdrückte Wut in sich trägt." Analysierte Ana ihren Boss grob. "Er hat gesehen, wie ich mit Sky gearbeitet habe und irgendwie komplett merkwürdig reagiert. Fast schon eifersüchtig. Alles blöd gelaufen. Turner und ich haben uns vorgenommen, unsere Arbeit so geheim wie möglich durchzuführen und das letzte was ich gewollt habe, ist, das mein Boss sieht, das wir uns näher kommen."
Ana vergrub ihr Gesicht beschämt in ihre Hände. Was redete sie da nur? Alleine wenn sie nur daran dachte, wie Ean'tu sie angesehen hatte, seine Haut sich unter ihren Fingerspitzen angefühlt hatte, raste ihr Herz aufgeregt. Ausgerechnet dann musste ihr Boss auf die Station kommen. Ein so intimer Moment, der nicht so intim hätte sein dürfen. Das war einfach nur unprofessionell gewesen.
"Ihr seid euch näher gekommen?" Patras wachsamer Blick lag auf ihr.
"... Ach nichts, nur... Irgendwie waren wir uns Emotional so nah. Ich kann das garnicht richtig beschreiben." das was Ana fühlte ließ sich kaum in worte fassen. Da fiel ihr ein, was Ean'tu zu ihr gesagt hatte. "Sag mal Patra... hast du schon mal einen na'vi 'Ich sehe dich' sagen hören? Sagt dir das was?"
Nun war Patra höchst interessiert und sie setzte sich aufrecht hin. "Nun... tun wir mal so, als hätte ich mit gewissen Wissenschaftlern darüber geredet und ich wüsste, dass es eine Begrüßung innerhalb ihres Volkes ist, warum möchtest du das wissen?"
"Er hat das zu mir gesagt, natürlich in seiner Sprache. Ich hab nachfragen müssen, er hat gesagt, er sieht mich hier." Ana deutete auf ihre Brust, da wo Ean'tu sie berührt hatte, da wo ihr Herz schlug. "Ich glaube Ihm fehlen die Vokabeln um genauer zu beschreiben was es bedeutet..."
Patra lächelte liebevoll. "Da gibt es nicht viel zu sagen, das ist eher was Spirituelles für die na'vi. Er sieht dich nicht als Gestalt vor sich, er meint dich als Person, er versteht, wer du bist, das was dich ausmacht. So hat man es mir erklärt."
Ana hörte zu und dachte über das Gesagte nach. Die Bedeutung gefiel ihr. Das, was Ean'tu und sie verband, war irgendwie nicht mit Worten zu erklären, es war nicht greifbar oder logisch. Es war jedoch da und Ana war sich sicher, das auch Ean'tu es spürte. Es half ihnen, einander zu vertrauen.
"Wenn Sky das zu dir gesagt hat, dann ist das etwas gutes. Er scheint dich sehr zu mögen und zu wertschätzen." erklärte Patra nochmal.
"Du hast sehr wahrscheinlich recht und auch ich schätze ihn sehr. Ich muss zugeben, das er mir sehr an das Herz gewachsen ist, in der Zeit die ich jetzt auf Pandora verbracht habe."
Patra nickte. "Natürlich, du bist auch jeden Tag bei ihm und arbeitest eng mit ihm zusammen, da ist es normal, dass man enger zusammenwächst. Außerdem muss du bedenken, er hat nur dich Novak. Sonst niemanden."
Jetzt wo Patra es noch mal deutlich so aussprach, wurde es ihr auch noch mal deutlich bewusst. Ean'tu konnte nur mit ihr sprechen. Er bekam nur Zuneigung, Aufmerksamkeit und Nähe von Ana, sonst niemanden. Jeder andere behandelte ihn wie ein Objekt. Dabei war Ean'tu so emotional sensibel. Er musste schrecklich einsam gewesen sein.
"Du hast recht, das Gute ist, ich konnte Mr. Cornell, meinen Boss, davon überzeugen, Skys Lebensumstände zu verbessern." erzählte Ana und stützte sich wieder auf dem Tisch ab. "Ich werde eine Liste anfertigen, von Dingen die ich für nötig halte, außerdem soll ein Teil des Geheges neu bepflanzt werden, da durfte sich Sky auch etwas aussuchen."
"Das sind doch großartige Neuigkeiten! Sky kann froh sein, dass du dich so für ihn einsetzt."
"Ich gebe auf jeden Fall alles." Ana lächelt.
Ein Blick auf die Uhr erinnerte sie daran das es spät geworden war und dass sie noch immer nicht den Bericht fertig geschrieben hatte, den sie an den Geheimen Kontakt senden wollte. "Ich muss leider auflegen, ich habe noch einen Bericht zu schreiben und wollte morgen früh direkt los, damit Sky nicht so lang alleine sein muss."
"Natürlich, ich mach mich dann auch zurück an die Arbeit." Patra deutete auf ein Gerät, an dem sie rum schraubte. "Schlaf gut Novak, wir hören voneinander."
"Ja, gute Nacht. Bis dann." Ana legte auf und öffnete wieder das Schreibprogramm, in dem sie gerade den Bericht tippte. Zum Glück musste sie nicht mehr allzu viel schreiben, denn die Müdigkeit holte sie allmählich wirklich ein.
Während sie den Bericht schrieb ließ sie alles was bisher passiert ist, revue passieren. Ihre Gedanken waren voll mit Ean'tu, mit Na'vis generell. Mit all den Informationen die sie bereits erfahren durfte durch den geheimen Kontakt. Nie hätte sie gedacht das etwas sie so vereinnahmen würde. Jede Sekunde die sie hatte, versuchte sie an Informationen ran zu kommen oder neue Informationen zu verstehen. Sie Arbeitete neue Lehrpläne für Ean'tu aus, damit sein Englisch sich schnell verbesserte, aber auch neue Konzepte, wie sie generell mit ihm fortschritte machen konnte.
Als sie den Bericht fertig geschrieben hatte, hing sie ihn an der Mail an und verfasste die Nachricht. Sie erzählte von dem Besuch von ihrem Boss und ihrer Hilflosigkeit. Ana war nur ein Zahnrad in einem großen Getriebe. Momentan blieb ihr nichts anderes übrig als ihre Rolle zu spielen und genau das zu tun was man von ihr verlangte. Nie zuvor hatte das in ihr einen interessenkonflikt ausgelöst. Sie war stets sehr zufrieden mit ihrer Rolle in der Gesellschaft und in ihren Jobs gewesen. Doch umso länger sie auf Pandora war und mit Ean'tu Arbeitete, desto mehr veränderte sie sich. Ana fing an anders zu denken, zu fühlen und zu Handeln, aber lag das wirklich an dem Mond, den sie jetzt ihr neues zu Hause nannte? Zumindest vorerst. Oder lag es an dem Na'vi mit dem sie arbeitete?
Genau konnte sie es nicht sagen, aber vieles konnte sie nicht mehr genau sagen. So viele Gedanken und Gefühle spielten sich in ihr ab, so vieles, was sie vorher nicht empfunden hatte. Es überforderte sie. Irgendwie funktionierte Ana immer weiter, obwohl sie oft das Gefühl hatte, sich selber über die Schulter betrachtet zu beobachten.
Nachdem sie ihre Verzweiflung, gegenüber dem neuen Plans ihres Bosses, in der Mail geäußert und nach Rat gefragt hatte, schickte sie die Mail ab. Sie konnte nur hoffen, das die Leute mit denen Ana heimlich E-Mails austauschte, wussten was zu tun war oder ihr vielleicht Hilfe anboten. Alleine hatte sie jedenfalls nicht das Gefühl als wäre sie dem Gewachsen und als wüsste sie was zu tun war.
Völlig erschöpft und innerlich aufgewühlt, klappte sie den Laptop zu und stieg in ihr Bett. Ana brauchte ganz eindeutig Schlaf und sie musste das Erlebte verarbeiten. Auch wenn ihre Gedanken dauerhaft um ihre Sorgen kreisten, fand sie ziemlich schnell die benötigte Ruhe und schlief ein.

Aungia ta Eywa - ein Zeichen von Eywa // AvatarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt