Gestatten, Jack the Ripper

Zwei

Es waren jene, die den Schmerz vergessen. Jene, die die Seele heilen.
Die uns den Hass, die Wut aber auch die Liebe lehren. Sie alle durchströmten mich, wie eine kühle Messerklinge, die sich langsam inmitten meines Herzens bohrte. Schlaftrunken schreckte ich auf. Drei letzte Töne entwichen Hannas Spieluhr, bevor sich die Umgebung erneut der Stille unterwarf. Der Wind heulte durch die feinen Ritzen. Vor Kälte erstarrt tasteten meine rauen Fingerkuppen nach der Bettdecke. Rasch zog ich an einem der Bettzipfel und warf sie über die vor Kälte zitternden Schultern. Mit beiden Armen umschlung ich fest meinen Körper...als würde ich all mein Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit in seine Hände legen können. Noch gelähmt schwankte ich sacht zurück und begann leise über den Flur zu schlurfen. Bei jedem Schritt ächzten und knirschten die verdorrten Holzdielen, als würden sie unter mir zusammenbrechen. Urplötzlich streifte mich ein seltsames Gefühl. Dieses Gefühl, dem Auge eines anderen zum Opfer gefallen zu sein. Panisch ließ ich den Blick wandern, der in einem kahlen Gang endete. Doch da war niemand. Nachdem ich die Treppe hinabgestiegen war, drehte ich erneut meinen Rücken zur Haustür, um mich meines Alleinseins zu vergewissern. Ich war mir sicher etwas gehört zu haben und verharrte an Ort und Stelle. Mit vereisten Blick...Ein kurzer Luftzug streifte mein wirres Haar. Da war er. Ich hielt inne als ein dunkler Schatten blitzschnell den oberen Gang entlang striff und das Geräusch zerspringenden Glases die Einsamkeit erhellte. Mein Herz schlug bis zum Hals. Nervös vergrub ich meine Hände immer weiter in die Decke. Mit einem tiefen Schlucken, so als stecke mir ein Kloß im Halse, setzte ich einen Schritt vor mich. Überraschend schnell hatte ich die Treppe erreicht und umklammerte mit verschwitzten eiskalten Händen einen liebevoll gravierten Treppenpfosten, den ich so fest umschlung, dass sich Holzsplitter wie Glasscherben in meine Handflächen bohrten und das Blut zu Boden fließen ließen. Doch spürte ich keinen Schmerz. Nur die Angst, die meinen Körper zu verschlingen drohte. Erst nachdem ich die letzte Stufe erklommen hatte, begannen sich meine Fingerspitzen zu lösen. Ich ließ den Blick kreisen, der in einem kargen Gang endete. Niemand da...dachte ich mir und stolperte ohne jeglichen Hintergedanken zum Dachgarten. Längst verblasste Erinnerungen erschienen in kristallklarer Gestalt vor mir, als Glasscherben, die wie Eisblumen über den Fußboden verstreut worden waren, unter meinen Fußsohlen zu knirschen begannen. Verängstigt drückte ich die Klinke und stieß die Tür mit einem tiefen Ächzen augenblicklich von mir. Ein kühler Luftzug empfing ich. Der Schnee hatte ihn in ein funkelndes Paradies aus winzigen Kristallen verwandelt. Von Sonnenstrahlen gebrochen... Ich war ergriffen... von so viel Schönheit, dass mein Blick zunächst das zarte Rot auf dem unberührtem Schnee verfehlte...