Kapitel 7

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Nachdem ich mit meinem Frühstück fertig bin, verabschiede ich mich von den Volleyballern, die noch weiter ihre Mahlzeit genießen möchten, gehe ich mit meinem Tablett zur Rückgabe und sortiere meinen Teller, sowie Messer, Tasse und das Tablett selbst in die jeweiligen Behälter. Am Tisch wieder angekommen, habe sich noch weitere Jungs des Volleyballteams niedergelassen und haben Nyra-senpai und die anderen Jungs in ein Gespräch verwickelt. Darunter war auch Shirabu-san aus meiner Klasse.

Irgendwie ist das schon ein bisschen komisch. Als ich am Tisch saß, wurde sich kaum unterhalten. Jetzt wo ich weg bin, fangen erst die Gespräche an und sind auch richtig lebendig, wie ich an den Handbewegungen einiger Jungs erkennen kann. Aber auch in gewisser Weise verständlich. Sie kennen mich nicht wirklich und am Anfang ist man immer eher zurückhaltend, um zu schauen wie der andere tickt. Außer natürlich Tendo-senpai. Der ist aber ein ganz anderer Fall, wie ich das von den kleinen Streitereien von ihm und SemiSemi mitbekommen habe. Hach, ich muss die Drittklässlerin auf jeden Fall heute Abend fragen, wie der Typ noch richtig heißt. Ich kann ihn ja nicht immer SemiSemi nennen, weil anscheinend ist das eher ein unfreiwilliger Spitzname.

„Hallo Shirabu-san, dürfte ich ganz kurz ran? Meine Tasche steht noch unter dem Tisch und ich bin etwas in Eile. Tut mir leid." Shirabu-san, der auf meinem ehemaligen Platz neben Tendo nun sitzt, dreht sich verwundert um, bevor sich ein Lächeln auf seinem Gesicht erscheint. „Guten Morgen Kawa-san. Klar, kein Problem. Ich schätze, dass ich auf deinem Platz sitze? Tut mir leid, aber Tendo meinte, dass hier frei ist." Etwas fragend schaut er nach rechts zu dem Rothaarigen, der ihn aber geflissen ignoriert und sich lieber mit meiner Mitbewohnerin unterhält, die ihren Platz gewechselt hat und nun zu Tendos rechten Seite sitzt.

Kurz winke ich ab, um meinem Klassenkameraden zu signalisiert, dass es kein Problem ist. Schnell schnappe ich mir meine Tasche, bevor ich mich von allen höflich verabschiede. Rückmeldung bekam ich lediglich von Shirabu-san und SemiSemi, der mir kurz noch zulächelt, bevor er von Reon-senpai auf etwas in seinem Handy aufmerksam gemacht wird, welches der Dunkelhaarige ihm direkt vor das Gesicht hält.

Mit schnellen Schritten verlasse ich den Speisesaal, um der etwas merkwürdigen Situation zu entkommen. Ich bin einfach nicht besonders gut darin neue Freundschaften zu schließen. Nyra-senpai hat mich sofort aufgenommen und mir gar keine Chance gelassen sich ihr zu widersetzen. Mit Qian-chan war ich vom ersten Augenblick an auf einer Wellenlänge und wir haben auch die gleichen Interessen und Vorlieben. Aber ansonsten bin ich echt nicht gut darin Freundschaften zu schließen. Irgendwie habe ich Vertrauensprobleme. Wenn andere ein Problem haben, bin ich immer die erste Ansprechperson oder wenn es darum geht etwas zu organisieren. Aber wenn ich dann erstmal Hilfe brauche und etwas mit jemanden unternehmen möchte, dass über die Schule darüber hinaus geht, fühlt sich keiner beflissen etwas mit mir zu machen. Nein ich werde sogar teilweise ignoriert und das ist überhaupt kein schönes Gefühl. Eigentlich ist es ganz einfach mit mir eine Freundschaft zu schließen und von meiner Seite aus, würde sie auch lebenslang bestehen bleiben, aber irgendwann bin ich einfach nicht mehr interessant genug und werde einfach vergessen. Das ist wirklich frustrierend. Hinzu kommt, dass ich neu in Sendai bin und hier niemanden weiter kenne. Die meisten sind schon zusammen auf vorherige Schulen oder gar gemeinsam zum Kindergarten gegangen, da ist es nicht leicht in eine bereits bestehende Freundesgruppe aufgenommen zu werden.

Mit etwas zu hoher Geschwindigkeit laufe ich um die Ecke und knalle prompt in eine etwas kleinere Person. Aino-senpai. Super. Die hat mir gerade noch gefehlt. „Sag mal, kannst du nicht aufpassen?" Mault sie mich an. Sofort verbeuge ich mich, denn ich möchte nicht unbedingt in meiner ersten Woche einen Streit vom Zaun brechen und schon gar nicht mit ihr. Bereits jetzt habe ich nicht viele positive Dinge von ihr mitbekommen und möchte nicht das nächste Opfer ihrer Sticheleien sein. Klar, ich kenne nur Qian-chans Seite der Wahrnehmung, aber es war schon krass, was sie mir über Aino-senpai erzählt hat.

„Ach du bist es nur Kawa-san. Ist Nyra-san schon aufgestanden?" Wie jetzt? Keine Predigt? Kein gar nichts? Verunsichert schaue ich sie an, während sie einmal kurz herzhaft gähnt. Wahrscheinlich ist sie etwas zu müde, um ihre Krallen auszufahren, aber soll mir ehrlich gesagt ganz recht sein. „Ja ist sie. Sie frühstückt gerade mit den Jungs vom Volleyballteam." Mit einem Nicken bestätigt sie mir, dass sie meine Worte mitbekommen hat: „Wer von den Jungs ist denn schon da?" Kurz muss ich überlegen, bevor ich langsam die Namen der Mitglieder aufzähle: „Reon-senpai, Tendo-senpai, Shirabu-san aus meiner Klasse und ein SemiSemi." Gegen Ende müssen wir beide etwas lächeln, bevor sie mir zuzwinkert: „Lass mich raten, Tendo hat ihn vorgestellt und er war schon so von dem Rothaarigen genervt, dass er nichts weiter erwidert hat, richtig?" Bestätigend nicke ich. „Ok. Bitte nenne ihn nicht so. Er hasst diesen Namen einfach. Tendo spricht ihn immer damit an, wenn er ihn ärgern möchte. Sein richtiger Name ist Semi Eita." Gegen Ende zwinkert sie mir zu. Wow. In welchem Film bin ich denn jetzt gelandet? Hat sie gerade ihre netten fünf Minuten? Verstehend nicke ich, bevor wir uns voneinander verabschieden und in die jeweils entgegengesetzte Richtung laufen. Sie in den Speisesaal und ich auf den Schulcampus.

Kurz schaue ich auf die Uhr, um abzuchecken, wie viel Zeit mir durch das kurze Gespräch verloren gegangen ist, aber ich befindet mich noch im Rahmen. Mit schnellen Schritten verlasse ich das Schulgebäude und schlage den Weg Richtung Treffpunkt ein. Tōru und treffen uns im Park. Vor dem Mittagessen wollen wir noch ein bisschen etwas zusammen unternehmen, da wir uns höchstwahrscheinlich in jüngster Zeit nicht mehr so oft sehen werden. Er hat irgendeine Überraschung geplant und ich bin gespannt, was es sein wird.

Im Park angekommen, lasse ich meinen Blick schweifen. Wir wollen uns am Kinderspielplatz treffen. Ehrlich gesagt war ich noch nie in diesem Park und muss erstmal eine ältere Dame nach dem Weg fragen, den sie mir mit Freuden zeigte. Schon von Weitem kann ich meinen Bruder erkennen, der mit einem kleinen Jungen streitet. Es scheint wohl um Volleyball zu gehen. Rasch trete ich auf die beiden zu und umarme Tōru von schräg hinten. Im ersten Moment verspannt er sich etwas und bricht das Gespräch mit dem Kleinen ab, bis er sich zu mir umdreht und mich anlächelt.

„Cire! Du hast mich ganz schön erschreckt. Schleich dich doch nicht immer so an", gegen Ende stubst er mir gegen die Stirn. Ich muss lächeln. Mein Bruder ist wirklich facettenreich. Er setzt für jeden ein anderes Gesicht auf, außer für Iwa-san und mich. Da ist er ganz er selbst. Es freut mich unheimlich, dass er mir so viel vertraut, dass er mir sein wahres Gesicht zeigt. „Cire-neechaaaannnnn... Unternimmt die heute was mit uns?" Der kleine Junge schaut uns an. Erst jetzt erkenne ich, dass es sich um Takeru handelt. Wie konnte mir das passieren? Ich gehe in die Hocke, um mit meinem Neffen auf Augenhöhe zu sprechen: „Klar natürlich. Zusammen macht doch einfach alles mehr Spaß." Ich zwinkere dem Kleinen zu, woraufhin er zu strahlen anfängt. Irgendwie habe ich einen Narren an dem kleinen Fratz gefressen.

Während ich mich aufrichte, frage ich den Oberschüler, was er denn für heute geplant hat. „Nur zusammen ein bisschen Volleyball spielen, später kommt noch Iwa-chan dazu und dann essen wir zu viert Mittag. Danach begleiten wir dich noch zu deiner Oberschule, gehen dann zu uns nach Hause und du kommst nach deiner Arbeit nach. Würde das soweit für dich passen?" „Klar, das ist kein Problem für mich." Leicht lächle ich. Ich freue mich echt mit den Jungs etwas zu unternehmen. Inzwischen haben wir uns in Bewegung gesetzt und mein Bruder erzählt mir etwas von seinem letzten Taining. Auf meiner linken Seite läuft Takeru-chan, der meine Hand hält und sie samt meinem Arm hin- und herschwingt. Er ist wirklich ein Sonnenschein.

Nachdem wir Iwa-san aufgesammelt haben, sind wir gleich weiter auf eine große Wiese gegangen und haben ein paar neue Techniken ausprobiert, die die Jungs im nächsten Spiel anwenden möchten. Takeru-chans und meine Aufgabe bestand hauptsächlich darin die Bälle zuzuwerfen oder aufzusammeln. Zusammen sind die beiden Jungs ein unschlagbares Team. Es erstaunt mich immer wieder wie die beiden sich aufeinander abstimmen und sich ohne Worte verständigen können. Nach circa vier Stunden lockeren Trainings haben wir den Volleyball, den Iwa-san mitbrachte, in einer Extratasche verstaut und haben uns einen Imbiss gesucht, an dem wir unser Mittag kauften.

Im Moment sitzen wir wieder im Park und beobachten die verschiedenen Leute. Es sind sehr viele Pärchen zu sehen. Meine Gedanken schweifen zurück zu Semi-senpai und meinem peinlichen Verhalten. Er muss bestimmt denken, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe und total schüchtern bin. Ich könnte heulen. Das war einfach so peinlich. Plötzlich springt Takeru-chan auf und sagt, dass er die Enten am Teich füttern möchte. Bevor wir etwas erwidern können, ist er schon losgelaufen. Keiner von uns springt ihm hinterher, da der Teich sich in Sehweite befindet.

„Du Tōru...", fange ich an und als ich mir sicher bin seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben, fahre ich fort, „ich habe dir doch von Aino-senpai erzählt. Ich bin heute in sie reingelaufen, als ich auf dem Weg zu euch war. Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass sie mich anpampen wird, aber nichts ist davon geschehen. Sie war richtig nett und wir haben ein sehr angenehmes Gespräch geführt. Ich bin jetzt etwas verunsichert, weil mir Qian-chan so viele böse Sachen über sie erzählt hat und sie immer wieder als Hexe betitelt. Und mein erster Eindruck von ihr war, dass sie hinterlistig und eine richtige Zicke ist. Aber sie war heute so nett. Ich weiß nicht, was ich glauben soll." Etwas verzweifelt schaue ich meinen Bruder an. Er hingegen beobachtet Takeru-chan, der seinen Spaß mit den Enten hat. Etwas geräuschvoll atmet Iwa-san aus, aber sein bester Freund ergreift das Wort: „Naja, du kennst nur die Seite von deiner Freundin. Die von Aino hast du nie gehört. Du solltest immer beide Seiten kennen und versuchen diese jeweils zu verstehen. Ich weiß deine Menschenkenntnis ist recht gut, aber kann es sein, dass du dich am Anfang etwas getäuscht hast und dann von deiner Freundin beeinflussen lassen hast?"

Verblüfft schaue ich ihn an. Von dieser Seite habe ich das noch gar nicht getrachtet. „Du solltest vielleicht mal in Ruhe mit Aino reden. Vielleicht ist sie wirklich ganz nett." Iwa-san schließt sich meinem Bruder mit seinem Rat an. Verstehend nicke ich. Ja, ich werde auf jedem Fall einmal mit ihr in Ruhe reden und mein eigenes Urteil bilden.

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Kleine Schwestern sind die wahren Herrscher über das SpielfeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt