Kapitel 05 - Drew ✓

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Dienstag
Ich saß im Unterricht, doch mein Kopf war ganz woanders. Erst hatte mich Frau Rough an Stellen berührt, die zuvor niemand berührt hatte. Und dann hatte sie mich vor die Tür gesetzt. Einfach so.
Außerdem hatte sie mir mehr oder weniger klargemacht, dass ich ihr helfen sollte, was auch immer über meinen Vater herauszufinden. Und wenn nicht, würde die Nummer gestern vermutlich erst der Anfang werden. Ich wollte am liebsten erst gar nicht herausfinden, was ihr sonst noch für Ideen einfallen würden. Aber ich konnte ihr auch nicht einfach nachgeben. Vielleicht aber auch doch, wenn man bedachte wie leicht das gestern außer Kontrolle geraten war...
„Frau Dorges. Können Sie etwas zum Unterricht beitragen und die Frage beantworten, die ich Ihnen gerade gestellt habe?"
Herr Valou unser Geografielehrer, sah mich auffordernd an. Mist! Meine Wangen röteten sich, als ich antwortete. „Könnten Sie... Ihre Frage vielleicht wiederholen?"
Herr Valou hob eine Augenbraue und sah nicht sehr zufrieden aus. Schließlich sagte er scharf. „Beim nächsten Mal wissen Sie hoffentlich die Antwort, sonst muss ich einen Eintrag in das Klassenbuch schreiben." Damit wandte er sich wieder der Klasse zu.
Ein Eintrag ins Klassenbuch erschien mir so nichtig im Vergleich dazu, was Frau Rough für Maßnahmen ergriffen hatte...
Wir hatten heute kein Deutsch mehr. Das bedeutete, dass ich Frau Rough erst zum Nachsitzen wider sehen würde. Und ich hasste mich dafür, dass kribbelige Vorfreude bei dem Gedanken sie wieder zu sehen mich durchströmte.
Die nächste Stunde war Mathematik bei Herr Meider. Also der Albtraum schlechthin.
Er lächelte schmal in die Klasse und man konnte schon sehen, was er dachte: Muss ich hier einem Haufen von Versagern etwas beibringen, wozu sie sowieso keine Lust haben, weil sie lieber saufen und Spass haben.
Er blickte sich um, als suche er bereits nach einem guten Opfer. Niemand meldete sich und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Fehrra hatte sich neben mich gesetzt und strich sich zerstreut durch die Haare.
Herr Meider hatte es in seinen Jahren als Lehrer perfektioniert, die Schüler aufzurufen, die nichts wussten oder aus einem anderen Grund nicht wollten.
Er kannte alle Tricks wie die Schüler sich zu verstellen versuchten, um nicht aufgerufen zu werden. Und natürlich fiel sein Blick sofort auf Fehrra, die verzweifelt in ihrer Schultasche suchte. Und natürlich stürzte sich Herr Meider sofort auf sein neues Opfer und lächelte.
Ich glaube, sein Lächeln ist nur echt, wenn er ein Opfer auswählte, das entweder keine Ahnung von Mathematik hatte oder den Stoff gerade nicht gelernt hatte.
„Nun Frau Anderson, können Sie mir die Frage beantworten, was wir, dem Thema, das wir letzte Stunde durchgenommen haben, wohl jetzt durcharbeiten werden?"
Außerdem schien Herr Meider es zu genießen, unmögliche Fragen zu fragen. Denn wir waren keine Lehrer und man musste schon im Schulbuch vorblättern, um zu wissen, was als Nächstes dran kam.
Und Herr Meider wusste, dass keiner seiner Schüler so fleißig war. Deshalb erfreute es ihn ja auch, dass, als Fehrra sich nun von ihrer Schultasche abwandte und sich Herr Meider wieder zuwandte, Unwissenheit in ihrem Blick zu lesen war.
Nun... Zufällig wusste ich die Antwort. Um meine neue Freundin also zu retten, meldete ich mich.
Von meiner Einmischung schien Herr Meider sehr verstimmt zu sein und er richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. „Ich habe Frau Anderson und nicht Sie, Frau Dorges gefragt. Deshalb erwarte ich auch von Frau Anderson die Antwort."
Ich nahm die Hand wieder herunter. Dann konnte ich wohl nichts tun. Wenn Herr Meider wollte, dass Fehrra antwortete. Fehrra schluckte nervös und sagte schließlich. „Ich... Ich weiß die Antwort nicht." Sie schaute überallhin, nur nicht in seine Richtung.
Obwohl er ihre Unwissenheit zu genießen schien, verzog sein Gesicht jetzt missbilligend. „Interessant. Sie wissen die Antwort nicht, sagen Sie?"
Fehrra schluckte und nickte, zögerlich, als wäre sie selbst nicht sicher.
Herr Meider lächelte wieder. Und wieder hatte es nichts Nettes an sich. „Dann kommen Sie vor und ich diktiere Ihnen, was Sie auf die Tafel für jeden ersichtlich schreiben sollen. Und schreiben Sie ordentlich."
Mit geröteten Wangen erhob Fehrra sich und ich blickte sie mitleidig an. Sie nickte nur kurz und ging dann vor zur Tafel, während Herr Meider entspannt in seinem Stuhl saß und die Klasse ansah, als wären wir alles Hohlköpfe, die es nicht verdienten von ihm unterrichtet zu werden.
Dann wandte er sich Fehrra zu und diktierte, was sie schreiben sollte. Eigentlich gab es in Mathematik, außer Zahlen, nicht viel zu schreiben. Vielleicht einmal ein paar Merksätze, aber nicht so viel, wie er sie dann schreiben ließ.
Außerdem trug sie einen Rock, der immer etwas nach oben rutschte, wenn sie sich nach oben strecken musste, um ganz nach oben zu gelangen.
Am Ende der Stunde erbarmte sich Herr Meider und ließ Fehrra aufhören. Wir verließen gemeinsam das Klassenzimmer und Fehrra fragte mit noch vor Nervosität zitternder Stimme. „Sind alle Lehrer hier so?"
Ich kratze mich am Kinn und murmelte. „Na ja... Nicht alle. Aber viele. Sie sind nicht die nettesten. Aber du wirst dich daran gewöhnen. Ich gebe dir einen Rat: Lerne sie einzuschätzen und es ist leicht, sich unter ihrem Radar zu bewegen."
„Und was ist mit dieser Frau Rough? Unter dem Radar bist du ja noch nicht."
Ich schluckte. Wohl war. Unter dem Radar meiner Quälerin war ich noch nicht. Und das würde ich auch nicht so leicht. Nur, wenn ich tat, was sie sagte. Gute Aussichten, was? „Sie ist... tatsächlich selbst für diese Schule eine besondere Lehrerin. Aber das wird schon." Ich lächelte verkrampft. „So schlecht bin ich nicht in Deutsch."
Ich leckte mir über die Unterlippe. Verdammt. Ich musste daran denken, wie sie mich berührt hatte. Und dass das verdammt noch mal nicht noch einmal passieren durfte!
Meine Eltern würden ausflippen, wenn sie davon wüssten. Sie hatten ja sowieso schon eher schlecht als Recht aufgenommen, dass ich auf Frauen stand.
Meine Mutter hatte gemeint, dass jeder ja auf das stehen konnte, was er oder sie wollte, aber dass sie Männer doch bevorzuge. Und dann hatte sie mich auf irgendwelche Treffen mit Männern geschleppt, damit ich meine Meinung noch ein Mal überdachte.
Und mein Vater... Nun, der hatte nicht viel gesagt. Aber er hatte auch nicht gerade Luftsprünge gemacht. Meine Lippen zuckten. Mein Vater und Luftsprünge. Das passte so überhaupt nicht zusammen.
Vielleicht sollte ich mal nach meiner Schwester sehen. Auch wenn ihr das gar nicht gefallen würde. Sie wollte am liebsten niemanden sehen. Was hieß, dass sie unsere Eltern bereits um Privatunterricht gefragt hatte.
Sie hatte wenig bis gar nicht mit ihrer Mitschüler zu tun und machte insgesamt mehr so ihr eigenes Ding.
Wir liefen zur nächsten Stunde. Englisch. Bei Frau Brem. Frau Brem gehörte nicht unbedingt zu meinen Lieblingslehrerinnen. Allerdings stimmte auch, was ich Fehrra erzählt hatte.
Es gab hier keine Lieblingslehrer/innen. Sondern Lehrer/innen nur die man am wenigsten mochte. Sie erwarteten hier Höchstleistungen. Und wer die nicht brachte, wurde heruntergeputzt.
Frau Brem lächelte nicht. Sie versuchte nicht einmal nett dreinzusehen, sondern hatte ein kaltes Glitzern in den Augen. Als alle vollzählig waren und es klingelte, verzog Frau Brem keine Miene. Manchmal fühlte man sich in ihrem Unterricht wie beim Militär, weil sie viele Regeln in ihrem Unterricht aufstellte und gutes Benehmen dabei an oberster Stelle stand.
Man durfte sich kein einziges Mal im Stuhl entspannen, sondern immer kerzengerade sitzen und wenn man aufgerufen wurde, musste man sich erheben und sich verbeugen, bevor man antwortete. Und sie erfand immer wieder gerne neue Strafen für die, die nicht gehorchten. Doch nachdem Frau Brem nun schon fünf Jahre an dieser Schule unterrichtet hatte, wussten alle, dass es nicht zu empfehlen war, aus der Reihe zu tanzen.
„Beginnen wir mit dem Unterricht." Sagte sie, ohne eine Regung in ihrem kalten Gesicht. Ach, und man musste sie mit Madame oder Ma'm ansprechen. „Was halten Sie von einer Interpretation eines Gedichtes?" Es war keine Frage, auch wenn sie sie so stellte. Alle wussten das.
Wir sollten unsere Schulbücher heraus holen und begannen zu schreiben. Wer das nicht tat, wurde dazu aufgefordert, vor der Tafel, vor allen anderen genauestens zu erläutern, warum er oder sie nichts geschrieben hatte. Auf Englisch natürlich.
Ich hörte Schritte und hob den Blick von meinem Papier. Frau Brem betrachtete mit aufeinander gepressten Lippen, was ich bereits geschrieben hatte. „Mehr oder weniger akzeptabel." Meinte sie schließlich widerwillig. Alle Lehrer hier gaben nur sehr widerwillig Lob aus. Und dieses Akzeptabel war bereits zum freuen.
Ich schrieb weiter. Und wirklich jeder schrieb. Selbst die, die keine Ahnung hatten. Denn die hofften, dass Frau Brem ihr Blatt nicht las. Natürlich fand sie einen der Betrüger. „Darren Hendricks. Was lese ich da?" Fragte Frau Brem spöttisch und hob eine Braue. Alle Schüler schauten von ihrem Schreiben auf und zu Darren. Dieser blickte nervös und wollte offenbar im Boden versinken. Die Lehrerin las laut vor, während sie durch die Reihen ging und prüfte, dass auch jeder schrieb.
„Ich habe keine Ahnung, was ich schreiben soll, aber ich muss etwas schreiben, um den Schein zu wahren, deshalb schreibe ich jetzt irgendetwas. Verdammt. Was soll ich bloß schreiben? Und warum habe ich das Gefühl, dass Annabelle mich immer wieder anstarrt, als wüsste sie, dass ich nur Unsinn schreibe."
Die Klasse lachte. Frau Brem fuhr uns scharf an. „Ruhe!" Alle gehorchten. Dann wandte sie sich mit undurchdringlichem Gesicht an Gabriel, dessen Worte sie gerade vorgelesen hatte. „Sehr eloquent, ja, ja... Ich muss schon sagen." Sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich habe gehört, dass Sie nicht gerne Sport treiben. Nun... Morgen werden Sie mit dem neuen Sportlehrer eine Runde joggen und mehr... Natürlich werde ich das Ganze überwachen, dass sie sich auch verausgaben." Jetzt lächelte sie doch. Ein kaltes Lächeln.
Gabriels Gesicht wurde bleich, doch er nickte hastig. „Natürlich, Madame."
Und dann pinnte Frau Brem das Blatt, auf dem Gabriel geschrieben hatte, an die Wand, damit sie den Rest des Jahres nicht vergessen wurde. Eine weitere kleine Bestrafung. Gabriel wurde blass, sagte aber nichts.
Frau Brem sah in die Klasse. „Wie wäre es, wenn... Sie, Frau Daisy, doch bitte vortreten, um ihren Text vorzulesen."
Janelle oder eben Frau Daisy schluckte schwer und kam dann nervös nach vorne getreten.
Der Rest der Stunde verging mehr oder weniger gut.
Doch als ich aus dem Unterricht ging sprachen mich immer wieder Typen an, was die Folge von Frau Roughs Taten war. Ich knirschte im Geiste mit den Zähnen und ging einfach weiter wenn mich jemand ansprach.
Nächster Stopp: Biologie. Herr Deicksler unser Lehrer in Biologie, erfreute sich daran, die peinlichsten Fragen zu stellen und dabei absolute Genauigkeit zu fordern. Und wenn man etwas ausließ, durfte man das Klassenzimmer putzen, weil es irgendwie immer verstaubt war. Obwohl er oft die Fenster offen ließ.
Ich und Fehrra kamen pünktlich an. Herr Deicksler war vertieft in ein dickes Buch und mir grauste schon, was nun kommen würde. Keine Ahnung, wie er wissen konnte, dass wir es waren, die eintraten, aber er sagte, ohne hochzusehen. „Anderson und Dorges." Er ließ die Frau oder den Herr immer weg. Vielleicht wollte er cool wirken, keine Ahnung. Aber das war er nicht.
Herr Deicksler behauptete, er hätte einen sechsten Sinn oder so etwas in der Art, weshalb er sehen konnte, ohne hinzusehen. Ich glaubte ja, er hatte irgendeinen Trick.
„Haben Sie beide bereits den Biologietest bald gelernt?" Fragte er beiläufig und sah weiterhin auf sein Buch. Wir antworteten ihm nicht. Also sagte er schließlich, während er seine Brille zurückschob und die Lippen spitzte und nachdenklich den Kopf schief legte, während er die Worte vor sich betrachtete.
Obwohl Herr Deicksler einer der weniger schlimmen Lehrer war, war er noch weit von einem tollen Lehrer entfernt. Als der Raum sich langsam füllte und schließlich alle da waren, ging er zur Tafel. Immer noch hatte er keinen angesehen. Es war verrückt, aber er wollte damit seine Überlegenheit zur Schau stellen auch wenn es aus meiner Sicht einfach nur lächerlich war.
„Jonathan, könntest du bitte die Tür schließen?" Seit Jonathan Lads im letzten Jahr aus Versehen einen Streich an Herr Deicksler versucht hatte, der eigentlich für seinen besten Freund Karsen gedacht gewesen war, musste er jeden Tag die Tür schließen. Natürlich hatte Herr Deicksler allen klargemacht, dass jeder andere die Tür offen lassen musste, bis Jonathan die Tür nicht selbst schloss.
Von seinen Freunden wurde Jonathan Jonah genannt und er war so eine Art ‚total gelangweilter', der natürlich von nichts aus der Ruhe gebracht werden konnte, wie er allen klarmachen wollte.
Also latschte er zur Tür und schloss sie mit einem charmanten Lächeln. Nun... Die Geschmäcker waren verschieden, ich würde sein Grinsen allerdings nicht charmant nennen. Aber alle anderen schienen ganz angetan von ihm zu sein. Nun, vielleicht ließ mich sein angeblich unglaubliches Lächeln kalt, weil ich nicht auf Jungs stand.
Fehrra neben mir, mit der ich bis jetzt alle Stunden geteilt hatte, flüsterte mir zu. „Wie ist Herr Deicksler so?"
Ich sah mich um, bevor ich ihr antwortete. Auf Betty Rayens musste man besonders aufpassen. Sie galt schon fast als Lehrerin, weil sie für die Lehrer schaute, wer störte oder sonstigen Unsinn machte. Aber sie war Schülerin. Eine komplette Nervensäge und besonders bei Herr Deicksler beliebt. Doch Betty saß am anderen Ende des Klassenzimmers und beobachtete jeden Schritt von Herr Deicksler als würde er jeden Moment das Geheimnis ewigen Lebens offenbaren.
Schließlich antwortete ich, während mein Blick nach vorne gerichtet war. „Solange man nicht spricht und sich leise und unauffällig verhält, bekommt man keine Probleme. Ihm ist eigentlich am wichtigsten, seinen Unterricht ohne Unterbrechungen führen zu können."
Fehrra nickte dankend. „Du bist meine Rettung."
Ich nickte stumm. Ich hätte mich gerne noch mehr mit ihr unterhalten, aber in Herrn Deickslers Unterricht war Sprechen eine sehr schlechte Idee. Test kündigte Herr Deicksler zum Glück schon Wochen an. Das Problem war, dass er...
Nun, ihr werdet ihn jetzt wohl in Aktion sehen... „Ich habe euch ja schon im letzten Schuljahr gesagt, dass es gleich am Anfang dieses Schuljahres einen Test geben wird. Nun... die Uhr tickt und ihr habt noch genau..." Er lächelte masochistisch und blickte auf seine Uhr. „Acht Tage, drei Stunden und siebenundfünfzig Minuten. Und jetzt... nur noch sechsundfünfzig Minuten."
Ich grinste humorlos. „Und wenn man ihm im Flur begegnet, erinnert er einen auch daran. Es fehlt nur noch, dass er eine Bombe hereinstellt und die restliche Zeit mit unseren Handys synchronisiert. Wenn du denkst, unangekündigte Tests sind die Hölle, dann kennst du Herr Deickslers Terrorattacken auf unsere arme Psyche noch nicht."
Fehrra schluckte hart. „Das klingt... nicht gut."
Ich nickte stumm, denn Herr Deicksler kam auf uns zu. Er lächelte, Unheil kündend. „Fehrra Anderson, richtig? Sie sind die neue Schülerin dieses Schuljahr?"
Er stellte es zwar als Frage, aber es war klar, dass es keine Frage war. Fehrra schluckte, sah kurz unauffällig zu mir, um wohl einen Tipp zu erhalten, wie man mit ihm am besten fertig wurde. Doch ich zuckte nur unauffällig die Schultern. Also lächelte sie gepresst und antwortete. „Ja."
Er rieb sich übers Kinn und sah zu mir herüber. Seine Miene verzog sich missbilligend. „Sie haben vor drei Jahren dieses Klassenzimmer, das Fenster, mit einem Stein beworfen. Danach war das Fenster kaputt."
Und er vergaß absolut keine Übeltat. Ich begegnete seinem Blick vorsichtig. Man konnte bei Herr Deicksler nie wissen. „Exakt. Und ich hatte einen Monat in der Schulküche aushelfen müssen." Erinnerte ich ihn auch an den anderen Teil, damit er sich nicht dazu entschied, dass er mir doch noch eine Strafe aufdrücken musste. Nicht nur, dass Herr Deicksler nichts vergaß; manchmal erhielt man Strafen auch erst Monate oder Wochen nach der eigentlichen Tat.
Herr Deicksler nickte langsam, betrachtete mich aber weiter, als sähe er mich das erste Mal. Ich wollte am liebsten wegsehen weil sein Blick irgendwie merkwürdig war. Schließlich lächelte Herr Deicksler steif und wandte sich von uns ab. Doch ich konnte nicht vergessen, wie er mich angestarrt hatte. Als käme ihm etwas in den Sinn. Nur hatte ich keine Ahnung, was. Merkwürdig.
Der Rest der Stunde verging normal. Herr Deicksler spielte sich vor der Tafel auf und erwartete vollkommene Aufmerksamkeit von uns. Ich hatte ja den Verdacht, dass er eigentlich Bühnenschauspieler hatte werden wollte, anders konnte ich mir nicht erklären, warum er wollte, dass alle ihn ansahen.
Als die Schulklingel läutete, wollte ich eigentlich so schnell wie möglich gehen, doch Herr Deicksler hielt mich zurück. „Frau Dorges, kommen Sie gleich doch noch mal kurz vor, in Ordnung?"
Fehrra sah mich fragend an, aber ich zuckte nur die Schultern. Als schließlich alle den Raum verlassen hatten und ich Fehrra gesagt hatte, dass sie schon zur nächsten Stunde gehen sollte, ging ich vor zu Herrn Deicksler. „Ja, Herr Deicksler?" Fragte ich also gedehnt.
Er sah mich wieder mit diesem merkwürdigen, nicht zu deutenden Blick an. Nicht etwa unanständig, sondern einfach nur nachdenklich. „Wissen Sie, ich kenne Ihren Vater." Begann er schließlich.
Nun... diese Wendung überraschte mich nun doch. Ich hatte Herr Deicksler schon länger als Lehrer und er hatte niemals in dieser Richtung etwas erwähnt. „Jaaa?"
Herr Deicksler versuchte sich an einem freundlichen Lächeln, das für mich mehr angestrengt wirkte. „Dein Vater hat von dir erzählt. Nun... eigentlich kennen wir uns schon länger und wo ich Sie nun gesehen habe, ist es mir wieder eingefallen."
„Das ist toll, denke ich." Sagte ich unschlüssig, weil ich nicht wusste, was das Ganze hier sollte.
„Wir sind in einer etwas... privateren Sachen Geschäftspartner. Ich habe deinem Vater schon öfter gesagt, dass er dich doch einmal mitbringen soll. Deshalb... du wirst am Wochenende vermutlich sowieso zu deinen Eltern kommen. Da kannst du deinen Vater ja auf unser Gespräch ansprechen." Herr Deicksler lächelte. Doch es schien mir in diesem Moment gefährlich. Nicht etwa, dass er jeden Moment über mich herfallen würde, nicht auf diese Art gefährlich, sondern eher als gäbe es hinter seinen Worten etwas... ironisches.
„Dann...." Ich kam nicht dazu, meinen Satz zu beenden, denn hinter mir erklang eine gebieterische Stimme.
„Was ist hier los?" Ertappt fuhr ich zusammen, obwohl hier nichts Unerlaubtes passiert war. Aber vielleicht war es auch Frau Rouges Stimme, die mich einfach automatisch zusammen zucken ließ. Ich spürte ihre Anwesenheit nah hinter mir. Sehr nahe. Ich spürte ihren Atem in meinem Nacken.
Herr Deicksler lächelte unschuldig. Ganz anders als gerade eben. „Frau Dorges hatte nur noch eine Frage zum Unterrichtstoff." Log er, ohne dass es ihm anzumerken war und ich es nur wusste, weil wir definitiv nicht darüber gesprochen hatten.
Ich fand es merkwürdig, dass er log. Als wären seine Worte irgendwie geheim. Ich runzelte die Stirn. Doch schnell glättete sich meine Stirn wieder. Ich wollte mir nichts anmerken lassen. „Es ist immer wieder schön, wenn Schüler bei einem Thema Nachfragen, wenn sie etwas noch nicht ganz verstanden haben." Machte er weiter und ich meinte, dass er mir verschwörerisch zuzwinkerte.
Was geschah hier gerade?! Frau Rough oder auch meine Quälerin lächelte freundlich. „Na dann... ich möchte ja nicht stören, aber ich muss noch etwas Wichtiges mit Frau Dorges besprechen, über ihren Aufsatz, den sie aufbekommen hat."
Herr Deicksler grinste jetzt. Ich hatte ihn noch nie grinsen sehen. „Aber natürlich. Es ist alles besprochen, oder, Frau Dorges?"
Ich lächelte nervös und murmelte. „Klar... äh... ich meine ja."
Ich ließ mich von Frau Rough widerstandslos aus dem Raum bringen. Sie sagte kein Wort, während sie mich durch die Flure manövrierte und vor einem Raum anhielt. Der Nachsitzraum. Na super. Hinter uns schloss sie die Tür zu und sagte. „Hinsetzten." Und bedeutete mir mit einer Hand, mich auf einen Stuhl zu setzen.
Ich gehorchte noch etwas baff von dem, was da gerade geschehen war und was ich selbst nicht so ganz verstand. Nur eines wusste ich: Ich würde meinen Vater auf Herrn Deickslers Worte ansprechen. Und dann würde sich zeigen, ob überhaupt etwas an der Sache dran war.
Plötzlich spürte ich ihre Finger unter meinem Kinn und dieses grob zu sich nach oben hebend. Sie betrachtete mich prüfend und fragte dann scharf. „Was ist gerade geschehen?"

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3295 Wörter

𝗦𝗪𝗘𝗘𝗧𝗜𝗘 - kleine, devote Sklavin (2) (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt