Kapitel 21 - Drew ✓

84 7 0
                                    

   Ohne mich noch einmal nach Jeanne umzudrehen, stieg ich aus dem Wagen und lief zum Schulgebäude. Jeanne folgte mir nicht. Warum gab es da noch einen Teil von mir, der das bedauerte? Ich musste jetzt stark sein. Ich musste verdammt nochmal einsehen, dass das mir und Jeanne nicht funktioniert hätte.
   Ich war froh, dass Jeanne offenbar der gleichen Meinung war, denn sonst hätte sie doch versucht, alles zu erklären, oder? Aber es gab nichts zu erklären. Mir war schon alles klar. Jeanne hatte Marcy Lorcoi getötet, weil sie ein Sicherheitsrisiko war. Ein Risiko, verdammt! Und was, wenn ich einmal so ein Risiko sein würde? Ich könnte nie ganz sicher sein, ob ich nicht die nächste war, die ihr nicht in den Kram passte.
   Und dann ja auch noch diese Cassandra, Jeannes frühere Freundin. Jetzt war sie tot. Zwar nicht von Jeanne getötet, aber alleine, dass diese Cassandra einmal etwas mit Jeanne gehabt hatte, hatten Jeannes Feinde dazu veranlasst, sie zu töten. Genügte die kurze Beziehung zwischen uns, dass mir das gleiche Schicksal widerfahren würde?
   Am besten wäre es, wenn ich Jeanne gar nicht mehr sehen würde. Als ich in meinem Zimmer war, legte ich mich hin und dachte noch einmal über alles nach. Mein Vater betrieb illegale Pokerspiele mit meiner Mutter und dem nun toten Herr Deicksler. Konnte es sein, dass mein Vater Herr Deicksler getötet hatte? Eigentlich war mein Vater ja schon von der Verdächigenliste verschwunden, aber das hieß nicht, dass er trotzdem …
   Ich schloss die Augen. Wann hatte mein Leben eigentlich begonnen, in so einem Chaos zu versinken? Und dann musste ich feststellen, dass es sie war, Jeanne hatte das in nur wenigen Tagen geschafft. Das bewies doch nur, was es bedeutete, etwas mit Jeanne Rough zu haben. Es konnte nicht gut gehen, wenn so ihr ganzes Leben verlief.
   Es ging auf die vierundzwanzig Uhr zu, aber ich konnte immer noch nicht schlafen. Meine Mutter hatte einen Liebhaber und der war natürlich zufällig auch der Vater von Cassadin. Und Bram, wie Cassadins Vater wohl hieß, hatte, wie ich im Internet herausgefunden hatte, eigentlich eine Frau.
   Ich sah mir die Bilder an. Sie war zierlich und schien zerbrechlich. Und trotzdem sagte mir ein Gefühl, dass sie das nicht war.
   Und Bram … nun, der sah schon sehr gut aus. Und neben seiner Frau wirkte er wie ein gewaltiger Fels.
   Ich starrte noch eine Weile auf die Fotos im Netz und ging dann aus dem Internet. Von Cassadin hatte ich das WLAN-Passwort der Schule bekommen, damit ich meine mobilen Daten nicht weiter nutzen musste, obwohl es eigentlich keinen Unterschied macht, schließlich tat meinen Eltern das Geld nicht weh.
   Ich sah an die Zimmerdecke. Doch was mich einfach nicht losließ, war die Frage: Wer war Garcia Dorges, meine Mutter, wirklich? Ich hatte immer nur ihre Schauspielereien kennenlernen dürfen. Aber eigentlich wusste ich nichts über sie.
   Eigentlich über meine Eltern insgesamt. Wie sie zusammen gekommen waren und das Ganze. Das, was eigentlich alle Kinder über ihre Eltern wussten. Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber jetzt tat ich es.
   Wer war Garcia Dorges wirklich? Und wenn sie etwas mit Bram Thrones zu tun hatte, was hatte er dann mit dem Ganzen hier zu tun? Wer hatte Herr Deicksler ermordet? Und wer war hier der Böse in der Geschichte? Oder waren sie es alle? Oder alles ein größeres Missverständnis? Letzteres dachte ich nur, weil ich es hoffte. Aber ich war mir sicher, dass das alles kein großes Missverständnis war.
   Und einem Gefühl nach schrieb ich meiner Schwester, Blame. ‚Weißt du, wie Moms Mädchenname war?‘ Nicht einmal das wusste ich! Ich fügte eine Nachricht hinzu. ‚Könntest du deine neuen Freunde da vielleicht zurate ziehen?
   Ich bekam keine Antwort. Aber das war nicht weiter verwunderlich, schließlich war es bereits nach zwölf Uhr nachts und da sollte man schließlich unter der Woche schlafen. Und genau das tat ich dann auch. Doch mein Schlaf fiel nicht gerade gut aus. Und ich wünschte mir, dass zwischen mir und Jeanne wieder alles gut wäre. Nur das Problem dabei war, dass wir uns ja nicht direkt gestritten hatten und dieses Problem nicht mit Reden zu beheben war. Die einzige Möglichkeit war, zu akzeptieren, dass Jeanne wenn es darauf ankam, eine eiskalte Mörderin war.
   Und irgendwie konnte ich es nicht mit meinem Gewissen ausmachen, mit so jemandem zusammen zu sein. Und trotzdem wünschte ich mir, bei ihr zu sein. Denn egal, was sie tun würde, eine körperliche Anziehung würde immer bestehen.

𝗦𝗪𝗘𝗘𝗧𝗜𝗘 - kleine, devote Sklavin (2) (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt