Kapitel 18 - Jeanne ✓

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   Eine Stunde zuvor...
   Ich stand mit Draga im Schuppen neben dem Sportplatz und fragte mich woher sie von eben diesem überhaupt wusste. Und warum wir hier waren. Draga betrachtete mich jetzt wieder so merkwürdig und langsam machte ich mir wirklich um ihren Geisteszustand Sorgen. „Was ist los?“
   Draga wartete noch einen Moment ab und sagte schließlich. „Du liebst diese Drew.“ Stellte sie fest und beobachtete mich dabei genau.
   Ich verspannte mich und erstarrte. „Was soll das? Ist das ein schlechter Witz? Du weißt ganz genau, dass ich nicht in sie verliebt bin!“ Entgegnete ich heftig. Zu heftig. Und das wussten wir beide.
   Ein Lächeln umspielte jetzt wieder Dragas Lippen. „Sagt dir, was du willst. Aber es ist dir ins Gesicht geschrieben. Du hast Besitzansprüche auf sie und vorhin hattest du zwar intimen Kontakt vor mir und Maggie, doch du hast ihren Körper verdeckt. Und wir beide wissen, dass du das noch nie getan hast. Nicht einmal bei Cassandra. Sag mir, Jeanne Rough, was bisst du dann, wenn nicht komplett in Drew verliebt?“
   Jetzt war ich es, die die Lippen aufeinander presste. Ich wandte den Blick ab und schwieg. Ich sah Draga nicht in die Augen. Schließlich stellte ich mich doch ihrem Blick und sagte fest und ohne eine Miene zu verziehen. „Und was ist mit dir?“
   Sie hob spöttisch eine Braue. „Ob ich verliebt bin? Nein.“
   „Nein. Was sind das für Familienangelegenheiten? Deine Schwester und deine Mutter sind doch akzeptabel, wie du oft sagtest. Also?“ Ich sah sie auffordernd an.
   Sie lachte leise. Humorlos. „Du weißt wirklich, wie du von dir abzulenken weißt. Aber versuch das ja nicht an der Königin der Ablenkung. Nun … um trotzdem deine Frage zu beantworten: Es geht nicht um meine Mutter oder meine Schwester. Und mehr erfährst du auch nicht. Jetzt kommst du dran. Also? Bist du verliebt?“
   Sie musterte mich mit kalter Neugierde. Und ich wusste, dass sie auch nicht beleidigt sein würde, wenn ich ihr nicht antworten würde. Aber ich antwortete ihr langsam und gut durchdacht. „Ich begehre ihren Körper. Und ich finde sie sehr anziehend. Ich mag das Wort ‚Liebe‘ nicht, wie ich zugeben muss. Es ist nicht einfach nur das Wort. Ich finde es auch unpassend, unglaublich viele Gefühle in ein Wort zu stopfen. Und … was gehört wirklich genau dazu? Ich weiß nur, dass sie vermutlich die Einzige ist, die ich je so gewollt habe. Oder willst du behaupten, du wärst schon einmal verliebt gewesen?“
   Draga schwieg. Dann zuckten ihre Mundwinkel. „Du bist wirklich gut darin, das Spiel so zu biegen, wie es gut klingt, Jeanne Rough. Und deine Gespräche werde ich sicher vermissen. Aber ich muss jetzt gehen. Ich werde bald wieder kommen. Und das … ist ein Versprechen.“
   Damit trat Draga aus dem Schuppen, warf mir noch ein kokettes Grinsen mit Augenzwinkern zu und ging dann auf dem Rasen davon. Ich sah ihr noch kurz nachdenklich hinterher und lächelte dann. Ich musste ja würde zurück zu Drew.
   Als ich jedoch bei Maggie war, war von Drew keine Spur. Maggie sah mich erschrocken an, als ich sie scharf danach fragte, wo Drew war. Sie schluckte und zuckte die Schultern.
   Na wunderbar. Ich verließ das Gebäude und sah mich aufmerksam um. Niemand da. Bald würde es Abendessen geben. Wahrscheinlich sollte ich zuerst dort suchen. Also ging ich zum Essensaal, aber die Türen waren noch abgeschlossen und mir erschien es unwahrscheinlich, dass Drew da irgendwie hereingekommen war.
   Also suchte ich weiter. Blöderweise konnte ich keine ihrer Freunde fragen, weil diese Frage misstrauen erregend gewesen wäre. Aber … ich könnte Blame, Drews Schwester fragen.
   Ich machte mich auf den Weg zu Blames Zimmer. Doch ich kam nicht weit. Jemand versperrte mir den Weg. Ich rollte genervt mit den Augen, als ich die Person vor mir als Raven, meine Schwester identifizierte.
   „Was ist?“ Fragte ich und versuchte an ihr vorbeizukommen. Ich hatte noch ein Hühnchen mit Drew zu rupfen und wollte nicht aufgehalten werden.
   Raven betrachtete mich beleidigt und erwiderte. „Ich habe eine wichtige Information, die dich wahrscheinlich brennend interessieren würde. Aber …“
   Ich hatte weder Lust noch Zeit für solche Spielchen. „Sag’s mir jetzt oder geh zur Seite, ich hab jetzt keine Zeit!“
   Raven starrte mich wütend an. Ich überging den Gesichtsausdruck einfach und drängte mich an ihr vorbei. Ich hörte, wie ihre Schritte mir folgten. Ohne mich umzudrehen, fragte ich sie genervt. „Was ist?“
   Meine Schwester versuchte, mit mir schrittzuhalten und sagte. „Ich habe beschlossen, dass, solange du nichts Illegales machst, ich dich nicht stören werde.“
   „Du störst aber gerade.“ Gab ich seufzend zurück und ging noch schneller. Vielleicht könnte ich sie ja abhängen.
   Ich wusste, dass sie gerade wütend die Augen zu schmalen Schlitzen verengte. Ich kannte sie einfach zu gut. Leider. „Ich habe doch gesagt, ich will dir helfen.“
   „Ach? Jetzt plötzlich?“ Ich sah mich um, weil ich sicher keine Zeit verschwenden wollte und von meiner Schwester abgelenkt werden wollte, indem ich den falschen Weg ging. Wir betraten das Mädchenwohnheim.
   „Ja.“ Presste sie wütend hervor. „Ich glaube, ich weiß, was du hier willst. Und ich habe etwas herausgefunden, das dir helfen würde. Allerdings nur unter einer Bedingung.“
   Mir wäre es das liebste gewesen, meine Schwester wäre verschwunden, trotzdem fragte ich müde. „Was?“
   Sie schien nicht sehr erfreut, dass ich nicht aufgeregt danach fragte. „Du sagst mir, warum du hier bist.“
   „Ausgeschlossen.“ Antwortete ich knapp, meine Schuhe klackten laut auf dem Boden nieder und der Gang nahm eine weitere Biegung ein.
   Meine Schwester verschwand leider nicht. „Vielleicht sollte ich dir einen kleinen Vorgeschmack geben. Ich weiß etwas über Garcia Dorges. Und über Nathaniel Dorges wolltest du doch etwas herausfinden, oder? Und ich habe eine interessante Information von seiner Frau.“
   Ich fuhr zu ihr herum. Sie schreckte zusammen. Ich hob nur gelangweilt eine Braue. „Also gut. Ich sage dir, warum ich hier bin.“
   „Du zuerst.“ Sagte sie siegessicher.
   Ich verdrehte die Augen und lehnte mich an die Wand. Jetzt war es sowieso nicht mehr weit bis zu Blame. „Du hast ja bereits herausgefunden, dass ich wegen Nathaniel Dorges hier bin. Nun, etwas genauer … ich bin hier wegen seiner Tochter. Junge Menschen sind einfacher zu quälen und zu brechen.“ Ich grinste böse.
   So wie ich mir gedacht hatte, verzog Raven angewidert das Gesicht. „Du … du … was hast du mit dem armen Mädchen gemacht?!“
   Ich stieß mich von der Wand ab und drängte meine Schwester nun wiederum gegen die gegenüberliegende Wand. Nah an ihrem Gesicht zischte ich gefährlich leise. „Hinterfrage nicht meine Methoden und keine Angst, ihr geht es gut.“ Aber bald würde das nicht mehr der Fall sein. Denn ich würde sie verdammt noch mal dafür büßen lassen, dass sie einfach verschwunden war.
   „Jetzt zu dir. Hast du nun etwas zu erzählen oder war das nur ein Trick, um aus mir Informationen herauszulocken? Und wenn, dann sei dir sicher, dass dir die Tatsache, dass du meine Schwester bist, auch nicht vor meinem Zorn bewahren wird.“
   Ich trat zurück und sah sie abwartend an. Raven schluckte und sah mich dann wieder wütend an. Irgendwie ihr Dauerblick, wenn sie mit mir sprach. Ich hatte keine Ahnung, warum. Nicht. Trotzig funkelte sie mich an. „Ja, ich habe wirklich Informationen. Garcia Dorges ist ein bisschen eigenständiger als man denken mag. Vielleicht sogar sehr viel mehr. Und sie hat einen Liebhaber.“
   Ich musterte ihr Gesicht und als ich entschied, dass sie die Wahrheit sagte, fragte ich langsam. „Wer?“
   Sie wand sich. „Nun … das hat mein Informant auch nicht gewusst. Aber, das ist doch schon etwas. Dafür, dass du ja noch nichts Wichtiges herausgefunden zu haben scheinst.“
   Langsam hob sich eine meiner Brauen. „Ich möchte mal wissen, wie du dir da so sicher sein kannst. Und jetzt geh. Außer es gibt noch etwas. Wie gesagt. Ich muss noch etwas Wichtiges erledigen.“
   Sie sah mich wie ein bockiges, beleidigtes Kind an und zog dann wütend von dannen. Oft war ich mir sicher, dass sie im Kleinkindalter zurückgeblieben war. Ich seufzte.
   Dann ging ich den Rest des Ganges entlang, sah mich kurz um und klopfte dann an der Tür von Blame. „Ja?“ Kam es von drinnen.
   Ohne noch zu warten, weil ich meiner Meinung schon lange genug gewartet hatte, stieß ich die Zimmertür auf. Ich stellte fest, dass Cassadin bei Blame war. Keine große Überraschung, da sich Blame und Cassadin gestern vor unserer kleinen Gruppe geküsst hatten.
   Trotzdem war ich überrascht, ihn hier anzutreffen. War er nicht offiziell Lehrer? Und hatte der jetzt keine Arbeit mehr, oder was? Ich musterte die beiden prüfend. Sicherlich wäre Drew nicht sehr erfreut über dieses Beisammensein.
   Aber ich war auch über viele Dinge, die Drew tat, nicht sehr erfreut. „Wo ist Drew?“ Fragte ich also scharf und ohne große Einleitung.
   Blame sah mich überrascht und erschrocken an, blinzelte verwirrt. „Äh … ich weiß nicht.“
   Ich musterte die beiden weiter. Ich wandte mich an Cassadin. Wenn er schon da war … „Hast du dich entschieden?“
   Cassadin starrte mich genauso überrascht an wie Blame. Dann hatte er sich erholt und antwortete. „Ja, habe ich. Also … ja.“
   Ich musterte die beiden noch ein letztes Mal an und nickte dann. „Gut. Eine wirklich gute Entscheidung.“ Ich wandte mich Blame zu. „Ich hoffe für dich, dass du deine Schwester wirklich nicht gesehen hast.“
   Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und verließ Blames Zimmer. Ich dachte nach. Wo konnte Drew sonst noch sein? Sie war weder beim Essen, noch bei Blame.
   Natürlich konnte sie noch bei ihren Freunden sein. Doch ich entschied noch einen letzten anderen Versuch zu starten. Mein Handy piepte mit einer neuen Nachricht. Von Cassadin. ‚Blame hat gesagt dass du ihren Zuhause Weg gucken solltest.
   Ich hob eine Augenbraue. Als wäre ich darauf nicht auch von selbst gekommen. Jetzt, wo es Essen gab, war niemand auf dem Gelände. Ich runzelte die Stirn und sah mich prüfend um. Nichts und niemand. Ich lief Richtung Turnhalle, die ebenfalls auf ihrem Weg lag.
   Immer noch keine Spur von Drew. Ich ging an der Turnhalle vorbei und … auf dem Hang, rechts. Zwei Gestalten. Der eine drückte die andere zu Boden und die darunter befindende Person versuchte sich zu wehren.
   Als ich näher trat, erkannte ich die untere Person. Drew. Wut durchdrang meine Adern. Der Typ hatte seine dreckigen Finger unter ihrem Shirt! Und seine Lippen waren auf die ihre gepresst!
   Ich wusste, dass ich an dieser Situation schuld war, aber Drew war es ebenfalls. Wäre sie nicht geflohen, wäre das hier erst gar nicht passiert.
   Meine Stimme knallte wie ein Peitschenhieb durch die Luft, als ich knurrte: „Entfernen Sie sich sofort von Frau Dorges!“

𝗦𝗪𝗘𝗘𝗧𝗜𝗘 - kleine, devote Sklavin (2) (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt