Warrior Cats - Eine Prophezeiung von Unheil Geschlossene Grenzen

4. Kapitel

Silberpfote peitschte angriffslustig mit dem Schweif. Sie freute sich, dass Moosstern den ganzen Clan mitgenommen hatte. Nur Schneeschweif war im Lager geblieben, um ihren ungeborenen Jungen nicht zu schaden. Silberpfotes Brüder Abendpfote und Weidenpfote hatten neben ihr die Krallen ausgefahren und sprangen um sie herum. Silberpfotes und Weidenpfotes Mentoren Frostglanz und Otterschweif standen ruhig und mit glattem Pelz hinter ihnen. Abendpfotes Mentor, der zweite FlussClan-Anführer Wellenherz, stand neben Moosstern.

Sie warteten bereits seit dem Morgengrauen auf eine DonnerClan-Patrouille, doch bisher war keine aufgetaucht. Wahrscheinlich haben sich diese Froschhirne in ihrem eigenen Territorium verlaufen, dachte Silberpfote und blickte zum beginnenden Nachthimmel. Moosstern, Wellenherz, Forellenzahn und Nachtwind hatten am Morgen bereits die richtige Grenze markiert, um dem DonnerClan zu zeigen, dass die Sonnenfelsen dem FlussClan gehörten. „DonnerClan-Katzen.", knurrte Frostglanz. Otterschweif peitschte mit dem Schwanz: „Endlich."

Vier Katzen traten aus dem Schatten: „Moosstern!", rief der größte von ihnen, „Was hat das zu bedeuten?" „Wir holen uns zurück, was uns gehört, Tigerstreif!", erwiderte Moosstern. Der Name passte perfekt. Sein goldbraun getigerter Pelz war von schwarzen Streifen überzogen. Neben ihm standen eine graue Kätzin mit weißen Flecken, ein junger, graubrauner Kater, der auf schwarzen Pfoten stand, und eine kleine, graue Kätzin, wahrscheinlich eine Schülerin.

„Die Sonnenfelsen sind DonnerClan-Territorium!", fauchte Tigerstreif. Seine Stimme bebte vor Wut. „Das habe ich befürchtet.", miaute Moosstern. „FlussClan, Angriff!"

 Wellenherz stürzte sich auf Tigerstreif, doch der Kater presste sich blitzschnell flach auf den Boden, wodurch der zweite Anführer des FlussClans über ihn hinwegflog. Die beiden Kater drehten sich zeitgleich zueinander um, doch Tigerstreif war schneller und zog seinem Gegner die Krallen über die Schnauze. Wellenherz jaulte auf, während Tigerstreif brüllte: „Lichtpfote, lauf!" Abendpfote schoss los, um seinem Mentor zur Hilfe zu eilen. 

Ihre Mutter Lilienblüte und Otterschweif schossen auf die weißgraue Kätzin zu und Weidenpfote folgte ihnen. Frostglanz und Forellenzahn griffen den jungen DonnerClan-Kater an. Silberpfotes wollte ihnen folgen, doch Moosstern versperrte ihr den Weg. „Du folgst ihrer Schülerin. Lass sie nicht zu ihrem Lager gelangen!", wies ihre Anführerin sie an. Ihre verschiedenfarbigen Augen faszinierten Silberpfote immer wieder. Sie nickte Moosstern eifrig zu und schoss an den kämpfenden Kriegern vorbei.

 Forellenzahn, Nachtwind und Steinfell kämpften nun ebenfalls mit und es sah schlecht für die DonnerClan-Katzen aus. Silberpfote hielt ihre Nase am Boden und versuchte die Spur der Schülerin aufzunehmen. Der Wind hatte den Geruch der DonnerClan-Patrouille vorhin zu ihr getragen und es dauerte nur wenige Herzschläge bis sie die Witterung der jungen Kätzin wahrnahm. Schnell folgte Silberpfote der Spur. Sie rannte los, die Nase hielt sie nur knapp über dem Boden, nur so weit, dass sie vor sich schauen und Hindernissen ausweichen konnte.

Lichtpfote hatte vielleicht einen Vorsprung, doch sie war sehr klein. Silberpfote hatte sie auf den letzten beiden großen Versammlungen nicht gesehen und Eisstern hatte auch nichts von einer neuen Ernennung erzählt. Also war sie wahrscheinlich erst seit maximal einem halben Mond Schülerin und Silberpfote war fast anderthalb Monde älter. Schneller!, dachte sie. Moosstern würde stolz auf sie sein, wenn sie die Schülerin aufhielt und die Sonnenfelsen wieder dem FlussClan gehörten. Sie wich einem Baum aus und sah auf einmal eine kleine, graue Kätzin, nur ein paar Baumlängen von ihr entfernt. Silberpfote beschleunigte noch mehr, doch auf einmal sprang die DonnerClan-Schülerin nach unten.

Oh nein!, dachte Silberpfote, Das DonnerClan-Lager! Sie wusste, dass das Lager unterhalb einer Schlucht lag. Als sie am Rand des Abgrunds ankam, sah sie, dass sie zu spät war. Lichtpfote kletterte bereits auf halber Höhe der Schlucht. Silberpfote beeilte sich. Vielleicht konnte sie sie ja noch einholen. Doch als sie am fast Fuß des Abhangs angekommen war, war kroch Lichtpfote bereits durch den Eingang des Lagers. Aus einem Instinkt heraus folgte sie ihr. 

„FlussClan!", schrie die graue Kätzin. Silberpfote stürzte sich auf sie, doch bevor sie ihre Krallen ausfahren konnte, wurde sie von kräftigen Pfoten zu Seite gedrängt und bearbeitet. Silberpfote schloss die Augen und versuchte, sich mit ihren Pfoten zu verteidigen. Sie spürte, wie ihr Fell ausgerissen wurde. Das war's., dachte sie. Zerfetzt im Lager eines anderen Clans. Sie wollte gerade schon aufgeben, als ein Schrei das Lager erfüllte: „Lass Sie Los!" 

Jemand riss Silberpfotes Gegner von ihr. Sie öffnete die Augen und sah einen schwarzen Tigerkater vor sich. Sie erkannte den Heiler Schattenfleck. Auf ihrer ersten großen Versammlung hatte Eisstern seine Ernennung verkündet. Neben ihm stand eine braun getigerte Kätzin. In ihren grünen Augen funkelte blanke Wut. 

„Sie hat versucht meine Tochter zu töten!", fauchte sie. Nein!, wollte Silberpfote miauen, doch ihre Stimme hatte sie verlassen. „Sie hätte sie nicht getötet!", erwiderte Schattenfleck. „Borkenfell, sie ist eine Schülerin! Ich war auch einmal Kriegerschüler und ich habe gesehen, dass sie sie nicht getötet hätte." „Ich habe nur meine Tochter verteidigt!", rechtfertigte sich Borkenfell. „Sie ist meine Schwester! Ich würde sie nie gefährden!" Schattenfleck drehte sich nach seinen Worten zu Silberpfote zu: „Komm mit, ich gebe dir etwas für deine Wunden." „Du versorgst die Schülerin eines fremden Clans, nachdem sie deine Schwester angegriffen hat?!", keuchte Borkenfell. Schattenfleck wirbelte zu ihr herum: „Du hast vielleicht geschworen deinen Clan gegen die anderen zu verteidigen. Doch ich schwor, dass ich auf die Rivalitäten der Clans pfeife!"

Auf einmal fühlte es sich für Silberpfote so an, als ob die Welt auseinanderstob und sich wieder zusammensetzte. Sie öffnete die Augen und blickte zu einer roten Kätzin hinauf. Hinter der Kätzin befand sich das Ahnentor, das im Abendlicht wundervoll anmutete. Woher weiß ich, wie das Ahnentor aussieht? Ich war doch nie hier.", dachte Silberpfote. Endlich, ertönte eine Stimme in ihren Gedanken und ihr Pelz kribbelte vor Vorfreude. Doch die Stimme war nicht ihre eigene. Sie kannte sie, doch sie kam nicht darauf woher. 

Die rote Kätzin räusperte sich: „Ich, Flammenblüte, Heilerkatze des DonnerClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler herabzuschauen. Er hat hart gearbeitet, um das Wissen einer eines Heilers zu erlernen, und mit eurer Hilfe wird er seinem Clan viele Monde lang dienen. Schattenpfote, versprichst du, die Wege einer Heilerkatze zu gehen, dich von Rivalitäten zwischen Clans fernzuhalten und die kranken Katzen aller Clans zu versorgen, selbst wenn es dein Leben kostet?" 

Silberpfote verstand. Sie sah eine Erinnerung. Schattenflecks Erinnerung. Das vor ihr war seine Mentorin Flammenblüte. Er hatte eben seinen Schwur einer Heilerkatze erwähnt und sich wahrscheinlich an den Moment zurückgedacht. Und nun sah Silberpfote irgendwie seine Erinnerungen. Deshalb konnte sie sich auch nicht bewegen. Aber wie ist das möglich? Ich bin doch keine Heilerkatze?

„Ich verspreche es.", drang aus ihrem Maul, obwohl sie keine Kontrolle darüber hatte. Flammenblüte schnurrte: „Dann gebe ich dir mit der Kraft des SternenClans deinen Namen als Heiler-Katze. Schattenpfote, von diesem Augenblick an wirst du Schattenfleck heißen. Der SternenClan ehrt deine Güte und deine Freundlichkeit und wir heißen dich als vollwertigen Heiler des DonnerClans willkommen." Silberpfote, nein Schattenfleck drehte sich zu den anderen Heilerkatzen, die seinen Namen jubelten: „Schattenfleck, Schattenfleck, Schattenfleck!" Steinpelz, Minzpfote, Riesenherz, Seidenbart, Rindenpelz, Beerenschweif. Ohne Silberpfotes Zutun hatten sich die Namen der Katze in ihre Gedanken gebrannt. Obwohl Minzfell noch Schülerin war und obwohl sie Riesenherz und Beerenschweif, bevor sie starben, nie begegnet war. „Komm mit!", miaute Flammenblüte, „Zeit, dich dem SternenClan als Heilerkatze vorzustellen." 

Wieder verschwamm die Welt vor Silberpfotes Augen. Die Erinnerung war vorbei. Sie öffnete die Augen und blickte auf Schattenfleck, der sich zu ihr gedreht hatte. „Kommst du?", fragte er. Sie rappelte sich auf und folgte ihm in den Heilerbau.