7. Kapitel

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Silberpfote schluckte. Sie saß vor dem Schülerbau. Seit dem Kampf hatte nur Rindenpelz sie einmal untersucht, ansonsten war sie in Ruhe gelassen worden, womit sie absolut zufrieden war. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was im DonnerClan-Lager passiert war. Ihr Blick haftete starr am Heilerbau, wo gerade ein paar Nester gebaut worden waren, um Platz für Forellenzahn, Heckenfell und Abendpfote zu schaffen, die beim Kampf alle schwer verletzt wurden. 

Sie spürte, wie sich jemand neben ihr niederließ. "Du musst etwas essen.", miaute ihr Bruder Weidenpfote sanft. Er war schon immer der Ernsteste und Verständnisvollste in ihrem Wurf gewesen und obwohl Silberpfote ihn gern damit aufzog, bewunderte sie ihn insgeheim dafür. Zum ersten Mal glitt ihr Blick vom Heilerbau weg und zur Seite. Weidenpfote hatte seinen Kopf schräg gelegt, vor ihm lag ein Barsch. "Hab ich gerade gefangen.", erklärte er. "Ich hab keinen Hunger.", brummte Silberpfote. "Sei kein Froschhirn! Es ist fast Nacht und du hast seit dem Morgengrauen nichts gefressen." "Ich habe keinen Hunger, Weidenpfote." "Wir könnten ihn uns auch teilen." "Wie kannst du an Beute denken, wenn Abendpfote da drüben im Heilerbau liegt?", fauchte Silberpfote ihren Bruder an. Weidenpfotes Blick wurde dunkel. "Soll ich lieber einfach hier sitzen und auf den Heilerbau starren, in der Erwartung, dass jederzeit Rindenpelz hinaustritt und mir mit traurigem Blick verkündet, dass Abendpfote jetzt beim SternenClan ist? Ich war jagen, ich habe meinem Clan gedient und ich wollte versuchen dich aufzumuntern, aber dir ist es egal! Hör auf in Trauer zu versinken, wenn noch gar nichts geschehen ist! Abendpfote ist jung und stark und Rindenpelz ist ein großartiger Heiler und bald wird er auch noch Unterstützung bekommen!" "Was meinst du damit, dass er noch Unterstützung bekommen wird?", fragte Silberpfote verwirrt. 

Weidenpfote blickte zu ihr, wahrscheinlich verärgert, dass sie ausgerechnet darauf eingegangen war: "Ich habe entschieden, dass ich Heilerschüler werden möchte." "Was? Aber wir haben doch immer davon geträumt Krieger und Anführer zu werden!" "Ich weiß.", seufzte Weidenpfote, die Wut in seinen Augen war verschwunden, "Aber bei der Schlacht heute war ich wie gelähmt. All das Blut und die Schreie...", er erschauderte, "Ich möchte so etwas nicht verursachen. Ich möchte lieber heilen." 

"Okay.", sagte Silberpfote. "Okay? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?" "Du scheinst dir absolut sicher zu sein und wenn es dein Traum ist, warum nicht? Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du die beste Heilerkatze überhaupt sein wirst!" Weidenpfote schnurrte: "Ich verspreche es! Und ich gehe sofort zu Rindenpelz und frage ihn!" "Soll ich mitkommen?", fragte Silberpfote besorgt. Sie war zwar nicht gerade scharf darauf, ihren verwundeten Bruder zu sehen, aber sie wollte Weidenpfote unterstützen. "Nein, das schaffe ich schon allein.", erwiderte ihr Bruder und trabte zum Heilerbau. 

Auf einmal fühlte Silberpfote sich schrecklich allein. Weidenpfote würde sich bald mit dem SternenClan die Zunge geben und Kräuter auswendig lernen und Abendpfote würde noch eine Weile im Heilerbau feststecken. Ein Knurren ballte sich in ihrer Kehle zusammen. Ihr Vater Schilfschweif war tot, ertrunken bei der Überschwemmung des Lager, und Lilienblüte war seitdem nur noch im Territorium unterwegs. 

Sie blickte sich im Lager um. Ausnahmsweise saß ihre Mutter vor der Kinderstube und gab sich mit Nachtwind, Graspelz und Schneeschweif die Zunge. Der Bauch der Königin wölbte sich schon beinahe bis zum Boden. Anscheinend würden Schneeschweif und Graspelz in wenigen Sonnenaufgängen Eltern werden. Baumpelz saß schweigend im Eingang des Ältestenbaus und blickte über das Lager. Otterschweif und Kieselpelz standen vorn Kriegerbau und leckten sich ihre Wunden. Moosstern saß vor ihrem Bau und blickte über das Lager. Sie hatte sich geweigert von Rindenpelz behandelt zu werden, bevor alle versorgt wurden und nun klafften viele Wunden in ihrem Pelz. Ihre Blicke begegneten sich. Moosstern verschiedenfarbene Augen leuchteten kurz auf, doch dann verschwand jegliches Leuchten aus ihnen und sie brach zusammen. 

"Moosstern!", jaulte Wellenherz und stürzte aus dem Kriegerbau. Silberpfote erreichte ihre Anführerin vor ihm und presste ihr Ohr an ihre Seite. Nichts. Sie hob ihren Kopf, sah in Wellenherz' Augen und schüttelte ihren Kopf. Auf einmal begann die tote Anführerin zu zucken. Silberpfotes Kopf wirbelte herum. Die Wunden an Moossterns Pelz waren vollkommen verschwunden. "Wie...?", keuchte Silberpfote, doch dann verstand sie. Moosstern hat ein Leben verloren.

Der Blick von Moosstern war etwas verklärt und Rindenpelz stürmte aus seinem Bau. Er sah seine Anführerin und sofort erschien die Erkenntnis in seinen Augen. "Moosstern, wir müssen reden.", rief er und trabte zu ihnen, "Unter vier Augen." Die FlussClan-Anführerin nickte nur und betrat ihren Bau. 

Weidenpfote kam mit federndem Gang aus dem Heilerbau und rannte auf Silberpfote zu. "Er hat 'Ja' gesagt!", rief er, "Ich darf Heiler werden!" "Herzlichen Glückwunsch!" Silberpfote stupste ihn mit der Nase an. Weidenpfote flüsterte: "Glaubst du Otterschweif wird sehr wütend sein?" 

Silberpfote erstarrte. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, dass Weidenpfotes Mentorin ihren ersten Schüler verlieren würde. "Ich weiß es nicht.", erwiderte sie ehrlich, "Aber sie will nur das Beste für dich und wenn du glaubst, dass du als Heiler-Katze besser bist als als Krieger, dann wird sie das akzeptieren. Vielleicht nicht sofort, aber sie wird. Am besten gehst du sofort zu ihr, immerhin redet Rindenpelz gerade mit Moosstern." "Da hast du wohl recht.", seufzte Weidenpfote. "Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich bitten würde mitzukommen?" "Auf gar keinen Fall!", beteuerte sie. "Ich werde dich immer unterstützen, solange du nichts vollkommen Froschhirniges machst." "Danke.", flüsterte Weidenpfote und blickte sich um. "Da drüben.", sagte Silberpfote und deutet mit ihrem Schweif auf die Stelle vor dem Kriegerbau, an der Otterschweif saß. 

Weidenpfote schluckte und ging dann vorsichtig auf seine Mentorin zu. "Otterschweif?", fragte er vorsichtig, "Könnte ich kurz mit dir reden?" Silberpfote legte ihm ihren Schweif über die Schultern und blickte Otterschweif ebenfalls ernst an. "Äh, na klar.", meinte Otterschweif und Kieselpelz schlich sich auffällig unauffällig davon. "Was gibt's?" Weidenpfote schluckte erneut. "Nunja, ich habe mit Rindenpelz gesprochen und...", Weidenpfote brach ab. "Und was?", fragte Otterschweif und Silberpfote stupste ihren Bruder vorsichtig an. Dieser holte tief Luft und sagte dann schnell: "Und ich habe ihn gefragt, ob ich sein Schüler werden darf." "Was?", rief Otterschweif. "Ich will Heilerschüler werden.", flüsterte Weidenpfote fast laulos. "Warum?" Die Verletztheit stand der Kätzin ins Gesicht geschrieben. "Die Schlacht, all das Blut und, und... Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich unbedingt zur Heiler-Katze werden will.", miaute Weidenpfote, "Entschuldige." "Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin stolz darauf, dass du es mir gesagt hast." Otterschweif senkte den Kopf auf Weidenpfotes Schulter und flüsterte ihm etwas zu, das Silberpfote nicht verstehen konnte. Sie zog sich vorsichtig zurück und trabte zum Heilerbau. Sie musste sich ihrer Angst stellen. Es war an der Zeit Abendpfote zu besuchen.


"Störe ich?", fragte Silberpfote, als sie den Heilerbau betrat. "Überhaupt nicht, Kleines.", brummte Baumpelz. Anscheinend hatte Rindenpelz ihn darum gebeten, auf dir Kranken aufzupassen, während er mit Moosstern sprach. 

Silberpfote schluckte. Trotz des Blutgeruchs im Bau hatte sie das Nest von Abendpfote sofort ausgemacht. Sie musste sich dazu zwingen, die Augen geöffnet zu halten, während sie in sein Nest lugte.

Abendpfote lag zusammengerollt in dem Moos, sein Atem ging unregelmäßig und unter den vielen Pasten verbargen sich tiefe Wunden, doch er lebte. Noch, erklang eine Stimme in ihrem Hinterkopf, Doch wer weiß, wie lange noch. Silberpfote schluckte. Die Stimme hatte nicht Unrecht. Abendpfote sah furchtbar klein aus und es würde lange dauern, bis er sich erholt hatte. 

"Ich erinnere mich noch an meine Wurfgefährtin.", murmelte Baumpelz, "Ihr Name war Fliegenpfote." Und ohne, dass Silberpfote irgendetwas dagegen ausrichten konnte, spürte sie ein Kribbeln in ihrem Pelz, genau wie im DonnerClan-Lager, und die Welt verschwamm erneut vor ihren Augen.

Warrior Cats - Eine Prophezeiung von Unheil  Geschlossene GrenzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt