8. Kapitel

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Schon zum zweiten Mal an diesem Tag saß Schlangenpfote in einem Nest im Heilerbau. Lichtpfote säuberte gerade seine Wunden, von denen Flammenblüte die Paste bereits entfernt hatte. Er hatte ein paar Prellungen und Kratzer, aber nichts Ernstes. Schlangenpfote blickte auf die Lichtung des Lagers. Die Sonne ging langsam unter. Es war Zeit für die Totenwache. "Alle Katzen, deren Herzen trauern, fordere ich nun auf, unseren Verstorbenen zu gedenken.", rief Eisstern.

Schlangenpfote richtete sich auf und lief gemeinsam mit Lichtpfote aus dem Bau des Heilers. Die Lichtung füllte sich immer weiter, während sich die Katzen zwischen Weißschweif und Lerchenherz aufteilten. Dann herrschte Stille.

"Ach, Lerchenherz.", brach Flammenblüte schließlich das Schweigen und versenkte ihre Schnauze im Pelz ihres Wurfgefährten, "Warum nur musstest du von uns gehen?" Wir hatten doch vereinbart, dass wir erst zum SternenClan gehen, wenn ich in den Ältestenbau gezogen bin!"

Obwohl ihr Pelz immer noch vom Blut klebte und sie wackelig auf den Beinen war, fuhr Schneefell fort: "Ich erinnere mich noch an den Tag, als wir uns kennenlernten. Ich war einfach nur eine abgemagerte, junge Streunerin, hatte Hunger und jagte auf eurem Gebiet. Doch statt mir den Pelz zu zerfleischen, bist du einfach nur stehen geblieben und hast mich dabei beobachtet, wie ich einen Sperling fing. Du erzähltest mir von deinem Clan und davon, wie gut ich dort als Kriegerin wäre und ich flehte Blitzstern an, mich aufzunehmen und er zeigte Gnade. Wir verliebten uns und nun sind wir hier."

Auf der Lichtung herrschte Schweigen. Außer ein paar wenigen war zu dieser Zeit, niemand von ihnen auf der Welt gewesen und alle hatten nur Schneefells aufpolierte Geschichte gehört, davon, dass sie von Blitzstern angefleht worden war und ihr eine Stellung als zweite Anführerin anbot. Doch dies war nichts, als die Wahrheit. Außerdem dämmerte Schlangenpfote langsam, woher Blitzpelz seinen Namen hatte. 

Seeblick trat als nächstes heran: "Danke, dafür, dass du mir ein so wunderbarer und geduldiger Mentor warst. Ich werde dich nie vergessen."

Immer mehr Katzen traten heran, um dem Ältesten die letzte Ehre zu erweisen. Borkenfell war die letzte: "Danke, für deinen Humor, deine Weisheit und deine Liebe. Du hast mir durch jede schwere Zeit meines Lebens geholfen und immer das Gute gesehen. Wir sehen uns im SternenClan wieder." Die Worte hingen kurz in der Luft, dann wanden sich alle, die eine Verbindung mit Weißschweif gehabt hatten, der toten Kriegerin zu.

Schattenfleck begann: "Weißschweif, was ist nur geschehen? Ich vermisse dich jetzt schon. Trotz unserer unterschiedlichen Wege wollten wir doch immer zusammenhalten. Warum nur hast du uns verlassen müssen?" Seine letzten Worte klangen eher wie ein verzweifeltes Jaulen. Flammenblüte trat zu ihm und legte ihm den Schweif auf die Schulter.

Schlangenpfote rieb seine Schnauze an Weißschweifs Fell. "Danke, dass du mich gerettet hast.", flüsterte er, "Du hast es nicht verdient, mit deinem Leben dafür bezahlen zu müssen." Wütend dachte er an die FlussClan-Kriegerin, mit der seine Schwester gekämpft hatte. Sie war für die Wunden in Weißschweifs Pelz verantwortlich. Und für all die Wunden in den Herzen seiner Clangefährten. 

Nach vielen weiteren herzzerreißenden Abschiedsworten kehrten einige ihrer Clangefährten in ihre Baue zurück, doch Lichtpfote, Schattenfleck, Schlangenpfote, Borkenfell und Weißschweifs ehemalige Schülerin Mausgesicht blieben bei der Toten. Auch um Lerchenherz trauerten viele ihrer Clangefährten die ganze Nacht weiter.

Am nächsten Morgen fühlten sich Schlangenpfotes Gelenke eingestaubt an, weil er sich die ganze Nacht nicht bewegt hatte. Neben ihm stand Lichtpfote langsam auf, denn die Totenwache war vorbei. "Ich gehe jetzt schlafen.", murmelte sie.

Borkenfell erhob sich nun ebenfalls. "Am besten begraben wir sie.", flüsterte sie erstickt und hob Weißschweif zusammen mit Schattenfleck vom Boden. Schneefell und Blitzpelz taten das gleiche mit Lerchenherz. Für gewöhnlich begruben nur die Ältesten die Toten, doch Schneefell war viel zu schwach, um das allein zu tun. 

Warrior Cats - Eine Prophezeiung von Unheil  Geschlossene GrenzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt