Kapitel 10 Helja

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„Noch ein wenig Rouge und...Perfekt! Ihr sehr wunderschön aus!"

Ich stehe vor meinem Spiegel und begutachte das Meisterwerk meiner Zofen und Schneiderinnen.

Mein Haar blondes Haar ist elegant hochgesteckt und es wurden sogar kleine Blumen in die Frisur hineingearbeitet.

Doch diese prachtvolle Frisur mag man glatt übersehen bei dem wunderschönen Kleid, das ich trage.

Es ist cremeweiß und bis zur Taille über und über mit weißen Rosen bestickt.

Der Rock des Kleides funkelt und ist mit einem Reifrock etwas in Form gebracht.

Außerdem trage ich einen schlichten Tüllschleier.

Meine Zofe Abda hat sich auch herausgeputzt. Sie soll mich schließlich gleich hinunter in den Ballsaal geleiten, wo die Hochzeit stattfinden wird.

„Seid ihr soweit?", fragt diese dann.

Ich nicke.

Als ich den Ballsaal betrete verstummen alle Gespräche. Dann geht ein staunendes Raunen durch die Menge.

Der Saal ist prachtvoll geschmückt. Am Rand sind Tische mit weißen Tischdecken und wunderschönen Tischgedecken aus Blumen bestückt. An diesen sitzen viele Leute in prachtvollen Kleidern aus dem Adel.

Am Ende des Saal steht ein, mit rosa und weißen Rosen geschmückter, Hochzeitbogen. Darunter ist ein Pult platziert.

Dort steht Denkar in einem dunkelroten Anzug und lächelt mich an. Außerdem steht hinter dem Pult der Mann, der uns verheiraten soll.

Mein Vater kommt an meine Seite und hakt sich bei mir unter.

Er sieht stolz zu mir hinüber, ehe Musik erklingt und wir schreiten erhobenen Hauptes den Saal entlang bis zu dem Pult.

Dann lässt mein Vater mich los und ich stelle mich Denkar gegenüber hin.

Nachdem der Mann seine Rede gehalten hat, uns beide gefragt hat, ob wir heiraten wollen, kommt es auch schon zum Kuss.

Wir treten beide einen Schritt zur Seite, sodass das Pult nicht mehr zwischen uns steht. Denkar zieht mir zärtlich den Schleier aus dem Gesicht und küsst mich.

Er tut es mit soviel gespielter Leidenschaft, dass niemand in diesen Raum jemals den Zweifel an dieser Beziehung haben könnte.

Natürlich mache ich mit und küsse ihn zurück.

Danach sehen wir uns an und ich kann mir kaum das Lachen verkneifen. Wie wenig kann man bitte bei einem Kuss empfinden?

Einen kurzen Moment herrscht die Stille. Doch dann bricht großes Jubel und Beifall aus.

Das Hochzeitsfest ist sehr amüsant. Es wird viel gelacht und viel getanzt.

Ich trinke nicht gerne Alkohol, also habe ich sogar zu meiner Hochzeitsnacht lediglich ein paar Gläser Wein getrunken.

Am frühen Morgen erst gehe ich zu Bett.

Denkar schläft, wie es sich gehört, in seinem eigenen Gemach.

Es wird ein seltsames Gefühl sein ihn nun jeden Tag zu jeder Mahlzeit und beinahe zu jeder Zeit zu sehen.

Am nächsten Morgen werde ich auch von diesem mit einer melodischen Stimme geweckt.

„Guten Morgen, meine Gemahlin! Habt Ihr gut geschlafen?"

Ich recke mich und blinzle in das Sonnenlicht, das durch mein Fester eindringt.

„Ich habe euch Frühstück für an euer Bett mitgebracht",sagt er dann und stellt mir ein Silbertablett hin.

„Oh Denkar! Ihr seit der beste Ehemann, den man sich wünschen kann!", spiele ich sein kleines Spiel mit.

„Dann lasse ich euch mal wieder allein. Ich muss schließlich mein neues Zuhause erkunden"

Denkar gibt mir einen Kuss auf die Stirn und verlässt mein Gemach wieder.

Er hat mir allerlei Brötchen und Obst mitgebracht.

Ich nehme mir ein Apfelstück.

Abda kommt aus ihrer Kammer.

„Guten Morgen! Verzeiht vielmals, dass ich euch nicht geweckt habe. Ihr habt so fest geschlafen"

„Kein Problem, Abda. Sehen Sie, Denkar hat mir Frühstück mitgebracht"

Ich deute auf den Apfel in meiner Hand.

„Ist er nicht ein Traummann!", schwärmt sie dann und sieht beneidet auf mein Tablett.

„Wollen Sie ein Brötchen?", frage ich Abda dann und halte ihr bietend ein Marmeladenbrötchen hin.

„Ihr könnt doch nicht..."

„Und ob, jetzt nehmen Sie schon"

Abda lächelt und nimmt schließlich dankend das Brot an.

Ich bin immer nett zu meiner Zofe gewesen. Für mich ist sie mehr als nur eine Angestellte. Sie ist jemand, der immer da ist. Mit dem ich reden kann. Das ist schön.

Während Abda auf ihrem Happen Brot herumkaut, gehe ich zu meiner großen Balkontür und öffne diese weit.

Die frische, angenehme Morgenluft strömt in mein Gesicht, umfasst jede Faser.

Ich mache Barfuß einen Schritt nach draußen.

Ich vermisse es das Boot wegfahren zu sehen. Ich vermisse ihre Worte, die voller Bedeutung sind.

Ich vermisse sie. Eine Welle von Wehmut überrollt mich, als ich in den Garten hinabsehe. Auf eine weiße Bank.

In einem anderen Leben, in einer anderen Welt würde ich jetzt mit ihr dort sitzen. Ihre Hand halten. Ihr ganz nah sein. Ihren Atem an meiner Wange spüren.

Bei der Vorstellung schlägt mein Herz schneller.

Wieso kann es nicht einfach ganz einfach sein?


Am anderen Ufer des SeesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt