Die Beiden überlegen sich alles ganz genau. Welcher ist der sicherste Weg nach draußen? Was sollen wir mitnehmen? Wohin wollen wir gehen.
Eine Stunde dauert die grobe Planung.
Sie werden in den tiefen Wald flüchten, sich dort einen Unterschlupf bauen und von den naturgegebenen Materialien leben.
„Bereit"
Martha nickt.
„Wir schaffen das"
Helja nimmt ihre Hand.
Als sie gerade durch die Tür zu den Fluren, einen Schritt näher zur Freiheit wagen wollen, öffnet sich diese.
„Da sind sie! Packt sie euch!"
Ohne, dass sie die beiden jungen Frauen versehen können, werden sie grob an den Handgelenken gepackt. Beide versuchen sich mit aller Kraft loszureißen. Mit tränennassen Gesichtern werfen sie sich verzweifelte Blicke zu, schreien der jeweils anderen Name.
Nichts davon wird etwas bringen. Es ist bereits zu spät.
Sie werden ruppig in den dunklen Lagerraum einer Kutsche geworfen. Jeder in eine eigene.
Schreiend und weinend ersehnen sie sich nach der Anderen. Nach Freiheit. Befreiung.
So kann es doch nicht enden, oder?
Die Zellen, in die sie schmerzhaft geworfen werden sind viel zu kalt, viel zu eng.
„Helja!!", hört man Martha verzweifelt durch den Kerker kreischen.
„Helja", nun leiser.
Marthas Kräfte sind verschwunden.
Sie kauert nur noch erschöpft auf dem kalten, feuchten und dreckigen Boden und weint.
Helja haben sie in einen anderen Teil des Kerkes gebracht.
Diese liegt ebenfalls dort im Dreck zwischen Ratten und Schimmel.
Sie kann nichts fühlen, nicht einmal den Schmerz.
Vor Monaten hätte sie sich das alles nie im Leben auch nur denken können.
Hier im Elend zu liegen, weil sie eine Bauernstochter liebt.
Sie hat nichts von der langen Fahrt in die Hauptstadt mitbekommen. Sie war bewusstlos. Man hat sie in Lumpen gekleidet und ihr das Haar abrasiert.
Sie setzt sich schließlich auf, lehnt sich gegen die rostigen Gitterstäbe und wartet nur darauf, dass es nun enden würden, denn es gibt keinen Ausweg.
Während Helja ihr Schicksal bereits schmerzvoll hingenommen hat, kann Martha die Hoffnung immer noch nicht aufgeben.
Sie kann nicht.
Deshalb steht sie nun auch an den Gitterstäben und zerrt mit aller Wucht daran.
Natürlich ist es zwecklos und natürlich weiß sie das auch, aber sie will es nicht einsehen.
Es kann nicht so enden.
Einen Monat verbringen sie einsam im Dreck. Dann ist der Tag gekommen. Der Tag ihrer Hinrichtung.
Alles sind gekommen von weit her. Selbst Marthas Familie ist gekommen. Sie haben eine weite und schwere Reise auf sich genommen. Und nun ist es soweit.
Martha und Helja liegen unter der Guillotine. Die Exorzisten stehen neben ihnen und warten auf ihr Kommando es nun für immer zu beenden.
Martha schaut sich in der Menge um.
Dort erblickt sie schließlich ihre Familie.
Svea, Annabeth, Gustav und Nils. Alle sind gekommen, um sie ein letztes Mal zu sehen.
Svea weint und möchte zu Martha auf die Tribüne stürmen, doch Annabeth hält sie davon ab.
Ihr, sonst so strenger Blick, ist an diesem Tag weich. In ihren Augen stehen Tränen. Nils weint ebenfalls und hat die Augen zugekniffen.
„Helja, die vormals Baroness von Frähna war, und ihre Zofe wurden der Unzucht miteinander und des Mordes an Heljas Ehemann, überführt. Zur Strafe und zur Abschreckung werden sie mit dem Tode bestraft", verliest einer der Exorzisten.
Dann nickt er seinem Kollegen zu.
Heljas Lippen formen den geräuschlosen Satz; Ich liebe dich.
„Ich dich auch", haucht Martha dann. Sie tauschen ein letztes trauriges Lächeln aus, bevor das Fallbeil fällt und die Köpfe rollen.
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Am anderen Ufer des Sees
RomanceAls die heranwachsende Frau Martha verheiratet werden soll, wird ihr alles zu viel. In Tränen getränkt, läuft sie einfach los. Irgendwo hin, hauptsache fort. Sie gelangt an einen See, an dessen anderer Seite eine geheimnis...