5 - Benjamin Blümchen

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Sobald Mile und ich das Spiel Subway Surfers verlassen haben, verebbt Gott sei Dank auch der Schmerz in meinem Körper. Noch ein weiterer Zusammenstoß mit einem Hindernis oder Zugwagon und ich hätte mir eine Krankenhaus-App runterladen müssen.

Zum Glück ist es aber nicht so weit gekommen.

„Wow! Das war megakrass!", schwärmt Mile neben mir. Das Honigkuchenpferd-Strahlen weicht ihm für keine einzige Sekunde von den Lippen und auch das faszinierte Funkeln lodert durchgängig in seinen blauen Augen. „Hast du noch so ein cooles Spiel auf deinem Handy, Eiskönigin?"

Ich zögere. Tatsächlich gibt es noch das ein oder andere Spiel, das Mile gefallen könnte, aber dafür fehlen mir gerade die Nerven. Noch einen Adrenalinkick kann ich nicht gebrauchen. Zumindest nicht jetzt.

„Lass dich überraschen", murmele ich also möglichst geheimnisvoll. „Zuerst darf ich mir noch eine App aussuchen."

„Was?! Warum?", hakt Mile sofort entrüstet nach.

„Weil du schon zwei Apps ausgewählt hast und ich erst eine", erkläre ich ihm.

Ich kann Mile ansehen, dass er gerne protestieren würde, aber im allerletzten Moment entscheidet er sich dagegen. Ist auch besser so, denn das wäre eine Diskussion geworden, die er haushoch verloren hätte!

Bevor Mile zu ungeduldig wird und auf die Idee kommt, sich vorzudrängeln, laufe ich langsam über den unscharfen Untergrund mit den vielen, bunten Kacheln. Nach dem ganzen Trubel mit den Zugwagons brauche ich jetzt etwas Ruhiges.

Dementsprechend entscheide ich mich für die lilafarbene Kachel, in der eine Uhr abgebildet ist.

„Ernsthaft?", höre ich Miles unzufriedene Stimme hinter mir. „Das ist ja voll langweilig!"

Ein Grund mehr, um die Kachel zu berühren. Natürlich mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen.

Wie immer werde ich von der Dunkelheit empfangen und schwebe für einige Sekunden durch die schwarze Farbe. Sobald sich der Schleier aufgelöst hat, stehe ich vor einer Art Leinwand und starre geradewegs auf die Worte Alarm in 15 Stunden, 18 Minuten. Darunter ist in geschwungenen Buchstaben vermerkt Di., 13. Feb., 07:33.

Leider ist Mile auch dieses Mal nicht in der Finsternis verloren gegangen, sondern befindet sich unmittelbar neben mir. Er ist wie ein lästiges Kaugummi, das ich einfach nicht loswerde.

Echt ätzend!

„So spät stehst du erst auf, Eiskönigin? Obwohl die Vorlesungen um 8:15 AM beginnen?", erkundigt er sich überrascht bei mir.

„Jap", bestätige ich.

„Brauchen Frauen denn nicht immer mindestens eine Stunde im Bad?"

Bei seiner dämlichen Frage verdrehe ich meine Augen. „Stell dir vor, Mile, es gibt auch Frauen, die lieber länger schlafen, statt sich morgens zu schminken oder eine Modenshow zu veranstalten", erkläre ich ihm mit verstellter Sing-Sang-Stimme.

Auch wenn ich keine makellose Haut habe und mit Make-up die ein oder andere Unreinheit verdecken könnte, ist mir mein Schlaf wichtiger. Außerdem gehe ich eh nicht mit der Intention zur Uni, um irgendwelche Typen aufzureißen. Die meisten sind sowieso viel zu schlau für mich.

„Wann stehst du denn auf?", möchte ich nach einer kurzen Pause des Schweigens von Mile wissen.

„Meistens so um sieben Uhr", antwortet er mir, „aber ich habe vorher schon fünf andere Wecker, um richtig wach zu werden."

Wie unnötig. Eine kalte Dusche tuts auch!

Für ein paar Minuten versinken wir in der Stille, die uns umgibt. Mile ist der Erste, der sie wieder durchbricht, indem er mich gelangweilt fragt: „Sind wir dann endlich fertig mit dieser App?"

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