8 - Wenn die Zeit stillsteht

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Kaum haben Mile und ich Instagram verlassen, folgt auch schon der Sprung in die nächste App. Eine gelbe Kachel mit einem weißen Geist wartet auf uns.

Snapchat.

Diese App ermöglicht es den Benutzern, Fotos und Videos zu versenden, die nach einer festgelegten Zeit wieder gelöscht werden. Mithilfe von Filtern, Linsen, Aufklebern und Zeichenwerkzeugen können die Fotos, auch Snaps genannt, personalisiert und bearbeitet werden.

Wie schon so viele Male zuvor lasse ich mich von der Dunkelheit treiben und warte darauf, bis sich der schwarze Schleier aufgelöst hat. Es dauert gar nicht lange, da kommt eine Art XXL-Spiegel zum Vorschein, in dem ich Mile und auch mich selbst wiedererkenne.

Wahrscheinlich soll das die Innenkamera sein, mit der ich Fotos und Videos aufnehmen kann.

Wie man auf meinem Instagram Profil gesehen hat, kenne ich mich damit ja bestens aus ...

Auch wenn es mich extrem reizt, Miles Gesicht mit einem hässlichen Filter zu verunstalten, muss ich meine Idee zunächst hintenanstellen, um meine Privatsphäre zu schützen. „Na, Eiskönigin? Hast du hier auch so heiße Fotos wie in deiner Galerie gespeichert?", fragt mich der Ober-Idiot mit einem stichelnden Unterton in der Stimme. Dass er währenddessen anzüglich mit den Augenbrauen wackelt, bringt das Blut in meinen Adern zum Pulsieren.

Wird er jemals damit aufhören, mich mit meinem NHL-Ordner aufzuziehen? Wahrscheinlich nicht.

„Tut mir leid, aber das wirst du wohl nie erfahren, Honiglocke."

Bevor Mile auf die dumme Idee kommen kann, sich meine gespeicherten Snaps anzuschauen, wische ich einmal zur Seite und befördere uns somit zu den verschiedenen Chats. Da mir auf Anhieb mehrere Namen von damaligen Datepartnern ins Auge springen und ich keine Lust auf blöde Kommentare oder Rechtfertigungen habe, klicke ich so schnell wie möglich auf das Standort-Symbol in der linken, unteren Ecke.

Das hat zur Folge, dass Mile und ich zu der sogenannten Snap Map weitergeleitet werden, die anzeigt, wo sich meine Kontakte derzeit befinden. Vorausgesetzt, sie haben ihren Standort aktiviert.

„Dann wollen wir doch mal schauen, wo sich meine beiden Verräter-Freunde Lucy und David gerade so herumtreiben ...", murmele ich leise.

Hoffentlich bereiten sie sich schon auf meinen Arschtritt in Schlittschuhen vor!

Es dauert ein paar Sekunden, bis die Map fertig geladen ist und mehrere Bitmoji-Avatare auftauchen. Da Lucy ihrem Bitmoji ein Schneemannkostüm angezogen hat - ja, sie liebt den Winter und Weihnachten - ist es ein Kinderspiel, sie auf der Map zu orten.

Und oh Wunder, ihr Avatar ist nicht allein!

Neben der Frau im Schneemannkostüm befindet sich ein Mann mit blonder Wuschelmähne und umgedrehter Basecap.

David ...

War ja klar.

Ich zoome etwas näher an ihren Aufenthaltsort heran und bekomme binnen eines einzigen Herzschlages angezeigt, dass die beiden in der Frozen Frenzy Factory herumlungern. Der besten Eisdiele auf der ganzen Welt. Zumindest, wenn man ein Spagettieis oder einen Erdbeermilchshake bestellt.

„Diese Verräter", grummele ich enttäuscht.

Erst blöde Ausreden erfinden, um mich mit Mile allein das Fotoalbum gestalten zu lassen, und sich dann ein Eis gönnen? Ich hoffe, ihr Eis schmilzt schneller, als sie es essen können!

„Ärgere dich nicht, Elsie", vertreibt Mile mit einem mitleidigen Lächeln meine Gedanken. „Die beiden wollen wahrscheinlich einfach mal ihre Zweisamkeit genießen."

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