Kapitel 3 - Mit Zunge?

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„Was willst du?", fragte Louis, nachdem Harry ihm die Tür öffnete. Louis wollte wirklich nicht hier sein, aber ehe er sich versah, haben ihn seine Beine zum Zimmer 257 geführt. „Komm rein", sagte Harry, der überraschend leicht bekleidet war. Louis trat ein, blieb jedoch an der Tür stehen. Auf keinen Fall wollte er weiter in das Zimmer eintreten. „Setz dich", sagte Harry und zeigte auf das in der Mitte des Raumes befindliche Bett. Louis setzte sich aufs Bett, war dabei aber äußerst unzufrieden.

„Du verhältst dich lächerlich. Die Sache mit uns ist beinahe unser halbes Leben her", sagte Harry und ließ Louis so wütend vom Bett aufspringen. Er war böse auf Harry, so verdammt böse. „Setz dich wieder hin", sagte Harry, als Louis nichts sagte. Er wollte etwas sagen, er wollte sogar sehr viel sagen, aber er konnte es nicht. Er war eingeschüchtert in Harry's Gegenwart. „Lou?", fragte Harry, als Louis, ganz in seinen Gedanken gefangen, noch immer mit wütender Miene vor dem Bett stand. „Nenn mich nicht so", fuhr er Harry an und setzte sich wieder aufs Bett. „Ich finde es wirklich schön, dich zu sehen. Irgendwie hatte ich bei der letzten Preisverleihung das Gefühl, du würdest mir aus dem Weg gehen", sagte Harry. Natürlich ist Louis Harry aus dem Weg gegangen. Diesen Erfolg wollte er ihm allerdings nicht gönnen. Stattdessen zuckte er mit den Schultern.

Für einen Moment dachte Louis darüber nach, wie gern er Harry küssen würde. Harry's Zunge an seiner, damals mochte er das Gefühl sehr. Ob er es immer noch mochte? Vermutlich würde Louis es niemals erfahren, denn er hasste Harry für all das, was er ihm angetan hat. „Du wolltest reden. Also rede", forderte Louis Harry auf und brachte den Lockenkopf damit sichtlich aus dem Konzept. „Ich möchte keine schlechte Stimmung zwischen uns am Set haben. Meinst du, wir schaffen das?", schaffte er dann doch zu fragen. „Klar, wir tun einfach so, als wäre niemals etwas passiert", sagte Louis und verdrehte seine Augen. „Bist du wirklich immer noch böse auf mich?", fragte Harry mit einem derart unschuldigen Blick, dass Louis kurz darüber nachdachte, in Harry's Gesicht zu spucken. Er entschied sich dagegen.

„Ja, ich bin immer noch böse auf dich. Daran wird sich niemals etwas enden", antwortete er stattdessen. „Lou, ich war ein Kind. Ein dummes Kind", sagte Harry schon beinahe in sich gekehrt, da die Situation scheinbar auch in ihm ein gewisses Unbehagen auslöste. Doch Louis wollte sich keine Gedanken darüber machen, was Harry empfand. „Du sollst mich nicht so nennen, Haz", sagte er und ohrfeigte sich gedanklich selbst für die Verwendung seines Spitznamens. „Ich muss gehen, wir sehen uns morgen", verabschiedete sich Louis schnell, bevor er sich noch unwohler hätte fühlen können.

Er lief schnell in sein Zimmer zurück und rief seinen Freund an, erzählte ihm von seinem ersten Tag. Er erwähnte Harry nicht, denn Harry war es nicht wert, erwähnt zu werden. Stattdessen erzählte er von Emily. Er entschuldigte sich auch erneut für den ausgefallenen Urlaub, doch Michael schien überhaupt nicht mehr böse zu sein. Louis war zufrieden, er hatte sich einen tollen Freund ausgewählt. Michael war liebevoll, sympathisch und witzig. Nur war er leider keineswegs aufregend. Nicht so wie Harry. Verdammt, Louis wollte nicht an Harry denken. „Lou? Hörst du mir zu?", fragte Michael und riss Louis aus seinen Gedanken, die sich vielleicht oder vielleicht auch nicht um Harry drehten. „Ja, entschuldige. Der Tag war anstrengend und morgen ist nicht nur ein langer Drehtag, sondern auch diverse Pressekonferenzen. Ich sollte schlafen gehen", verabschiedete sich Louis von seinem Freund.

Der folgende Drehtag gefiel Louis, denn er verbrachte ihn ausschließlich mit Emily. Er hatte sie sogar bereits zum ersten Mal vor der Kamera geküsst und es fühlte sich überraschend angenehm an. Was sich jedoch nicht angenehm anfühlte, war der restliche Tag. Die Pressekonferenzen. Harry strahlte, den ganzen verdammten Tag. Louis war genervt von seiner Existenz und seinen Grübchen, die er jedem Pressevertreter zur Schau stellte. Er ertappte sich nicht nur einmal dabei, wie er ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. Verdammte Grübchen.

„Können wir?", fragte Harry, als die Pressekonferenzen beendet waren und die drei Schauspieler noch einen Moment an Ort und Stelle verweilten. „Was können wir?", fragte Louis. „Zum Nachtdreh?", fragte er weiter. Er hatte sich den Plan angeschaut und der erste Nachtdreh, das Kennenlernen mit Harry, war erst für in drei Tagen angesetzt. Drei Tage, die Louis dringend für die mentale Vorbereitung benötigte, denn er hätte Harry küssen müssen. „Der ist erst in drei Tagen", erwiderte Louis, doch Harry schüttelte den Kopf. „Wurde vorverlegt", merkte er an. Louis war erst seit zwei Tagen in London, doch er hasste schon jetzt alles daran.

Louis war professionell. Der Dreh mit Harry lief gut. Sobald die Kamera an war, konnte Louis seine Gefühle für Harry, die definitiv nicht mehr da waren, beiseite legen und einfach spielen. Sie lernten sich in einer Bar kennen und unterhielten sich angeregt. Sie flirteten miteinander. Sobald die Kamera aus war, redeten sie nicht miteinander und Louis verzog sich an die letzte Ecke des Set's, um ja nicht in seiner Nähe sein zu müssen. Dem Regisseur missfiel dies deutlich, doch Louis konnte nicht aus seiner Haut. „Hey", sagte Harry, der Louis bis in die letzte Ecke gefolgt war. „Hey", erwiderte dieser nahezu emotionslos. „Wollen wir uns wieder vertragen?", fragte Harry sichtlich unsicher.

Louis, der von seinem viel zu großen Barhocker, bei dem seine Füße den Boden nicht erreichten, aufsprang, baute sich vor Harry auf. „Ich denk drüber nach", sagte er, auch wenn seine Entscheidung schon lange feststand. Er würde sich mit Harry ganz sicher nicht vertragen wollen, aber dieser Film würde Louis noch mehr Bekanntheit verschaffen. Sie gingen zurück zum Aufnahmebereich und drehten weiter. Alles, woran Louis jedoch denken konnte, war die Kussszene, die ihm unmittelbar bevorstand.

Harry und Louis erhoben sich von den Barhockern und liefen in Richtung der Toiletten, blieben auf dem Gang davor stehen. „Bereit?", fragte Louis, woraufhin Harry nickte. „Action", rief der Regisseur und Louis ging einen Schritt auf Harry zu und legte seine Lippen auf die seines Ex - Freundes. „Cut". Louis löste sich, sah fragend zum Regisseur. „Der Kuss soll eure sexuelle Spannung repräsentieren. Ich will die Leidenschaft spüren. Nochmal", sagte dieser. Louis schloss seine Augen, atmete mehrfach tief durch, bis er dem Regisseur zunickte und sich bereit für einen zweiten Versuch machte. „Action". Louis stürmte auf Harry zu, verband ihre Lippen erneut miteinander. „Cut".

„Sorry", entschuldigte sich Louis, denn er wusste selbst, dass dieser Kuss alles andere als sexuelle Spannung rüberbrachte. „Was hältst du davon, wenn wir uns richtig küssen?", fragte Harry, als auch der dritte, vierte und fünfte Versuch schiefging. „Mit Zunge?", fragte Louis irritiert, woraufhin Harry etwas zögerlich nickte. Auch Louis nickte nun ebenso zögerlich. „Na los", sagte Harry abschließend. „Action".

Louis stürmte erneut auf Harry zu, nahm sein Gesicht in seine Hände und küsste ihn. Harry's Hände wanderten an Louis Taille. Ihre Zungen trafen aufeinander und Louis war sich nicht sicher, ob er jemals einen erotischeren Kuss bekommen hatte. Er drückte sich mit seinem gesamten Körper gegen Harry, gab sich dem Moment vollkommen hin. Sie blendeten die Kameras aus, küssten sich immer weiter. Harry fuhr mit seinen Händen unter Louis' Shirt, was eine heftige Gänsehaut auf dessen gesamten Körper entstehen ließ. Louis wurde hart, zog seinen Körper etwas zurück, um seine Erektion zu verbergen, doch Harry zog ihn nur noch fester an sich. Louis merkte, dass auch Harry hart war.

Der Kuss dauerte eine halbe Ewigkeit. Die „Cut" - Rufe ignorierten sie völlig, küssten sich immer weiter. Louis wollte mit Harry schlafen. Jetzt sofort. Und er war sich sicher, dass auch Harry mit Louis schlafen wollte. Sie lösten sich nur ungern voneinander, als der Regisseur zum wiederholten Male „Cut" rief. Louis sah zum ersten Mal seit 14 Jahren zu Harry hoch und erkannte erst jetzt wieder all den Schmerz, den er seinetwegen damals gefühlt hatte. Ja, er hatte einen kurzen Rückfall, aber er würde Harry nie wieder an sich ranlassen. Weder emotional, noch körperlich. Dummer perfekter Kuss, der besser als jeder Kuss war, den Louis jemals hatte.

Der Drehtag war beendet und Louis lief zurück in sein Hotelzimmer. In seinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Er wusste nicht, was er von Harry halten sollte. Er hasste ihn, wieso dachte er ununterbrochen an den Kuss. Seine Gedanken wurden durch das Klopfen an der Tür unterbrochen. Es war Harry. Natürlich war es Harry. Immer drehte sich alles um Harry.

„Hey Lou. Darf ich reinkommen?"

Love On Screen | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt