Kapitel 6 - Keine Anzeichen

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Louis sprang erschrocken auf. „Fuck. Sorry", rief er und lief zurück in Richtung des Hauses, doch Harry hielt ihn am Arm fest und zog ihn zurück. „Harry. Nein. Ich wollte das überhaupt nicht. Es war der Moment. Und du. Bitte entschuldige", stammelte Louis. „Bitte, entschuldige dich nicht", sagte Harry mit besorgten Augen. „Doch. Das ist falsch. Das ist so verdammt falsch", sagte Louis und löste Harry's Arm von seinem, lief nur noch schneller zurück und verzog sich unvermittelt in seinem Schlafzimmer, verschloss die Tür von innen und ließ sich erneut frustriert auf das Bett fallen.

„Lou, bitte. Mach die Tür auf", rief Harry zum wiederholten Male von der anderen Seite der Tür, doch Louis drückte das Kissen nur noch fester auf seinen Kopf. Er wollte seine Stimme nicht hören. Er wollte sein Gesicht nicht sehen, seinen Körper nicht spüren und ganz sicher wollte er Harry nicht küssen. Was hatte er sich dabei gedacht. Das Kissen erfüllte keineswegs den gewünschten Zweck. Er hörte Harry immer noch. Diese engelsgleiche Stimme. Louis hasste sich für jeden einzelnen Gedanken, den er sich in diesem Moment machte. Genervt riss er die Tür auf. „Nein, Harry. Nein. Einfach nein", sagte er. „Louis bitte, es ist okay", versuchte Harry, Louis zu beschwichtigen. „Nein. Es ist nicht okay. Ich habe einen Freund. Hör auf, solche Dinge zu sagen, die du gesagt hast. Du kannst das nicht machen", sagte Louis mit zittriger Stimme.

Harry stand etwas verunsichert vor Louis, wusste offensichtlich mit der Situation nicht umzugehen. Auch Louis war sichtlich überfordert. „Ich wollte dich nicht küssen", sagte Louis. „Bist du dir da sicher? Es wirkte nämlich auf mich irgendwie so, als würdest du mich küssen wollen", sagte Harry schmunzelnd. „Das kannst du nicht wissen, es gab keine Anzeichen", rechtfertigte Louis sich. Zumindest versuchte er es. „Du meinst, abgesehen von dem Fakt, dass du mich geküsst hast? Stimmt. Keine Anzeichen", bohrte Harry weiter in die offene Wunde.

Louis verschränkte die Arme vor seinem Körper. „Das war ein Versehen. Ein Ausrutscher. Kommt nicht wieder vor", sagte er vermeintlich selbstsicher. Er war alles andere als selbstsicher, dachte an nichts anderes, als an Harry's weiche Lippen. Sie waren noch nicht einmal 24 Stunden in dieser Hütte und schon jetzt hatte Louis sich nicht mehr unter Kontrolle.

„Wäre es dir lieber, wenn wir so tun würden, als wäre das nicht passiert?", fragte Harry. Louis nickte. „Gut, dann warten wir einfach, bis es das nächste Mal zum ersten Mal passiert", sagte Harry mit einem Zwinkern. „Gute Nacht, Harry", sagte Louis mit rollenden Augen und schloss die Tür vor seiner Nase. „Gute Nacht, Lou", erwiderte er durch die bereits geschlossene Tür. Louis zog sich seine Kleidung bis auf die Boxershorts aus und legte sich zurück ins Bett.

Louis träumte in dieser Nacht von Harry. Er wälzte sich im Bett umher, begann zudem stark zu schwitzen. Es war ein erotischer Traum und Louis hoffte, dass er niemals enden würde. Doch das tat er. Louis wachte entgegen seines Wunsches auf, vollkommen hart. Er dachte an Harry, als er begann, sich selbst zu massieren. Sein Griff wurde fester, seine Bewegungen schneller. Er schloss die Augen und sah Harry. Das stechende Grün seiner Augen, diese wunderschönen Grübchen. Der Gedanke an ihn ließ Louis nach nur wenigen Minuten kommen.

Als er am nächsten Morgen die Augen wieder öffnete und sich nach einem kurzen Aufenthalt im Badezimmer in die Küche begab, war Harry bereits mit den Frühstücksvorbereitungen beschäftigt. „Guten Morgen, Frühstück ist gleich fertig", sagte er. Louis mied seinen Blick. „Ich habe keinen Hunger", erwiderte er. Seine Aussage wurde durch das laute Knurren seines Magens untermalt. „Keinen Hunger also", sagte er und verteilte das Essen auf zwei Tellern, stellte einen davon vor Louis ab und setzte sich gegenüber von ihm.

Louis aß wortlos sein Frühstück, sah währenddessen nicht einmal zu Harry. Er konnte sich in dieser Situation nicht vertrauen. „Verhältst du dich wegen gestern so komisch?", fragte Harry leise. Louis reagierte nicht. Er wollte einfach nur aufessen und den restlichen Tag in seinem Zimmer verbringen, vielleicht währenddessen ein bisschen in Selbstmitleid baden. Als der Teller von Louis endlich leer war, stand er auf. „Danke", sagte er, würdigte Harry noch immer keines Blickes und lief zurück nach oben.

„Darf ich kurz reinkommen?", fragte Harry, der im Türrahmen stand und Louis' heutige Pläne durchkreuzte. Louis drehte sich in schildkrötenartiger Geschwindigkeit in Harry's Richtung und wurde sofort rot, als ihre Blicke sich trafen. „Was ist los, Lou?", fragte er. „Ich hab etwas Dummes getan", sagte er. „Mich zu küssen?", fragte er. „Noch viel dümmer", sagte Louis. „Los, erzähl", sagte Harry, doch der Wuschelkopf drehte sein Gesicht zurück in das Kissen. „Erzähl schon", sagte Harry noch einmal. Er setzte sich auf das Bett, fuhr mit seiner Hand währenddessen sanft über Louis' Rücken, der sofort zu Grinsen begann. Er mochte die Berührungen, gab zufriedene Geräusche von sich. „Gefällt dir das?", flüsterte Harry, der den Druck auf Louis' Körper erhöhte, aber noch immer sanft blieb.

Louis drückte sich gegen die Berührung, fühlte es sich doch so vertraut an. „Willst du dich zu mir legen?", fragte Louis. Harry zögerte nicht, legte sich zu Louis ins Bett und streichelte ihn währenddessen weiter. „Ich hab mir heute Nacht einen runtergeholt", sagte Louis, ohne dass er es sagen wollte, erschrak augenblicklich und rückte etwas von Harry weg. „Was ist los? Hast du dir mich dabei vorgestellt?", fragte Harry leise lachend. Sein Lachen brach ab, als Louis nicht reagierte. „Ernsthaft?", fragte er. „Lass mich in Ruhe", sagte Louis nur wenig erwachsen. „Komm her", sagte Harry und zog ihn wieder an sich, umschloss ihn mit seinen Armen und gab ihm einen Kuss auf den Hinterkopf.

Sie bleiben den Vormittag kuschelnd im Bett liegen. Louis war verwirrt. Wie konnte sich etwas so falsch, aber doch so richtig anfühlen. Er gab sich Harry vollkommen hin, genoss jede Berührung und versank in seinen Gedanken. Der blumige Geruch in seiner Nase ließ ihn zufrieden vor sich hin lächeln. „Was hältst du davon, wenn wir nach unten gehen?", flüsterte Harry. Louis hasste diese Idee. Er wollte nirgends anders sein, als hier in diesem Bett. Mit Harry an seiner Seite. Da er es ihm schlecht hätte sagen können, nickte Louis. Sie gingen ins Wohnzimmer und Louis ließ sich auf die Couch fallen. „Wein?", fragte Harry. „Es ist 13 Uhr, wir haben noch nicht einmal Mittag gegessen", gab Louis zu bedenken. „Also ja?", fragte Harry nach. „Natürlich", antwortete Louis lächelnd.

Harry füllte zwei Gläser mit Wein und kam ebenso zur Couch, reichte Louis eines der Gläser. Es blieb nicht bei den beiden Gläsern. Zwar aßen die beiden zwischenzeitlich die restlichen Spaghetti vom Vortag, doch es hätte niemals als Grundlage ausreichend sein können. Nach dem vierten Glas rutschte Harry etwas näher an Louis ran. „Mein Platz ist irgendwie unbequem, darf ich mich vielleicht hier hin setzen?", fragte Harry und zeigte auf Louis' Schoß. Louis, der schon ziemlich angetrunken zu sein schien, nickte. Harry stand auf, ließ sich auf Louis' Schoß nieder und sie begann erneut, miteinander zu kuscheln.

„Louis?", fragte er. Louis nickte. „Wenn ich dich jetzt küssen würde, würdest du es wieder bereuen?", fragte er. Louis würde es diesmal nicht bereuen, das wusste er. Dennoch hatte er Angst vor dem, was folgen würde. Er hatte Angst davor, dass es nicht nur bei diesem Kuss bleiben würde. Vor allem aber hatte er Angst davor, erneut verletzt zu werden. „Ich habe Angst", gab Louis zu. „Wovor hast du Angst?", fragte Harry. „Dass es ein Fehler sein könnte. Dass ich mich in etwas verliere, was mich perspektivisch unglücklich macht. Ich habe Angst davor, erneut verletzt zu werden", sagte Louis und teilte Harry all seine Gedanken mit. „Ich werde dich nie wieder verletzen. Das verspreche ich dir", sagte Harry und verband Louis' und seine Lippen miteinander.

Das Kribbeln in Louis' Buch war in diesem Moment stärker denn je. Als seine Zunge auf die von Harry traf, stöhnte er leise in den Kuss, was Harry zufrieden grinsen ließ. Er hatte Harry vermisst. Er hatte ihn so unglaublich vermisst. Es war, als hätte Louis seit vierzehn Jahren auf diesen Moment gewartet.

Love On Screen | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt