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Eine ganze Woche sind wir jetzt schon hier in dem neuen Haus. Jeder Tag läuft für mich gleich ab. Aufwachen und an die Wand starren. Frühstück im Bett und an die Wand starren. Nachdenken und an die Wand starren. Abendessen im Zimmer und an die Wand starren. Mein starren wird lediglich von einem Arztbesuch vor zwei Tagen unterbrochen.

Der Arzt gab mir zu meinem Bedauern, aber ganz zu den Freuden meiner Eltern die Erlaubnis in ungefähr einer Woche, wenn ich den Rollstuhl los bin, in die neue Schule zu gehen. Und dann geht's weiter, von morgens bis abends starre ich an die Wand. Hänge meinen Gedanken nach und versuche doch an nichts zu denken aber trotzdem überwiegen die Gedanken, vor allem die negativen. Es ist schrecklich. Der einzige positive Gedanke der sich durch die schlechten hindurch kämpft ist der, das die Schule so gut wie um die Ecke ist und ich somit erstmal nicht täglich in ein Auto steigen muss.

Allerdings tut mir mein gesunder Fuß jetzt schon weh, wenn ich an den Weg zur Schule denke. Beim Weg ins neue Krankenhaus war ich zwar etwas weg getreten wegen der Beruhigungsmittel, aber den groben Weg habe ich mir schon Mal angeschaut. Unter normalen Umständen wäre der Weg ein Katzensprung, mit Krücken allerdings ist das ganze etwas erschwert.

Mein Blick wandert wieder zur Wand. Es ist schon etwas traurig, aber ich kann nichts dagegen machen, wenn ich meinen starren Blick von der Wand löse würde ich ertrinken. Ertrinken in meinem düsteren sein. Ich weiß nicht wie lange ich gerade schon an die Zimmer Wand starre, aber meine Mutter kommt wieder ins Zimmer und stellt mir das Abendessen auf die freie Betthälfte. Heute scheint es Apfel Pfannkuchen gegeben zu haben. Ich verspüre eigentlich keinen Hunger, zwinge mir trotzdem ein wenig von dem Essen rein, um den besorgten Blick meiner Mutter zu entgehen.

„Bist du schon fertig Hailey?", fragt sie, wobei man den besorgten Unterton deutlich heraus hören kann. Für einen kurzen Moment wende ich meinen Blick zu ihr rüber und nicke, um anschließend meinen Blick wieder nach vorne auf die Wand zu richten. So geht es die nächsten Tage weiter.

Ab heute habe ich offiziell die Erlaubnis des Arztes, den Rollstuhl zu verlassen und stattdessen mit meinen neuen Krücken durch die Gegend zu humpeln. Das führt dazu, dass ich die Erlaubnis von meinen Eltern bekomme, dass Obergeschoss zu betreten. Mein Vater hat mittlerweile schon auf seiner neuen Arbeit angefangen, weswegen ich mit meiner Mutter alleine zuhause bin. Mühsam schleppe ich mich die Holztreppe einbeinig nach oben.
Als ich vorhin kurz in der Küche war, sagte meine Mutter mir, dass mein Zimmer das sei, welches am Ende des Ganges liegt. Der Gang kommt mir endlos vor. Schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit stehe ich vor der verschlossenen Tür. Ich zögere. Es kostet mich eine riesige Überwindung diese Tür zu öffnen. Hinter dieser Tür erwarten mich Erinnerungen. Sowohl gute als auch schlechte. Allerdings habe ich das Gefühl, dass mittlerweile alles gute von dem schlechten überschattet wird.

Die Hand, die bereits auf der Türklinke liegt, zittert wie verrückt. Mein Herz rast in unnormaler Geschwindigkeit. Angstschweiß rinnt über meinen gesamten Körper und brennt in meinen Augen. Mit einem bangen Gefühl im Magen überwinde ich mich selbst und öffne die Tür. Sie schwingt auf, woraufhin man einen Blick auf ein relativ großes und schlicht eingerichtetes Zimmer werfen kann. Humpelnd stolpere ich in mein neues Zimmer hinein. Es scheint eines der einzigen Zimmer im Obergeschoss zu sein, welches einen direkten Ausblick auf den Wald hat.

Der Ausblick auf den Wald hat komischerweise eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich bin gefesselt von dem beruhigenden Anblick der sich mir durch das bodentiefe Fenster offenbart. An der rechten Wand steht ein Bett, welches von einer Bücherwand umgeben ist. Meine Mutter hat sich anscheinend dazu verpflichtet gefühlt das Bücherregal einzurichten. Das ist auch eigentlich sehr nett von ihr, aber in dem Umzugskarton mit den Büchern waren anscheinend auch meine Bilderrahmen mit drin, welche nun ebenfalls in dem Regal stehen. Warme tränen rinnen mir aus den Augen während sich mein Blick vom Fenster löst und stattdessen von den Erinnerungsreichen Bildern in Beschlag genommen wird. Auf den Bildern sind einige schöne Momente von Maxim und mir festgehalten worden. Unser erstes Mal auf dem Eis, da waren wir vier Jahre alt und hatten da schon viel Interesse am Tanzen und alles was damit zu tun hat. Oder unser erster Sieg bei einem bedeutenden Wettbewerb. Auf anderen Bildern sieht man Momentaufnahmen von Einzelnen unserer Choreografierten küren. So elegant werde ich wohl niemals wieder übers Eis gleiten, und vor allem nicht mit ihm.

Das Gefühl, welches sich in meinem Inneren ausbreitet, das Gefühl des Verlustes, aber auch das vermissen einer sehr geliebten Person, ist unerträglich. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben, aber es frisst mich innerlich auf. Ich zwinge mich meinen Blick abzuwenden und nehme stattdessen den Rest des Zimmers ins Visier.

Zu meiner linken befindet sich ebenfalls ein Fenster, zwar nicht so riesig wie das bodentiefe Fenster in der Mitte des Raumes, aber immerhin ein Fenster. Unter dem Fenster steht ein schlichter Schreibtisch. Neben dem Schreibtisch steht ein antik aussehender geräumiger Schrank der anscheinend bereits mit meinen Klamotten gefüllt wurde. Mein Verdacht fällt auf meine Mutter. In der Mitte des Zimmers wurde ein flauschiger Teppich drapiert, um denke ich mal das Zimmer etwas gemütlicher wirken zu lassen. Erst jetzt merke ich, dass ich immer noch wie angewurzelt im Türrahmen stehe. Unbemerkt hat sich nun auch durch die kleine Ablenkung mein wilder Herzschlag beruhigt. Ich stütze mich mit meinem Gewicht auf die Krücken und humple weiter ins Zimmer hinein.

Mein Weg führt mich sofort zu dem Bücherregal, wo ich ein Bild nach dem anderen mit der Bildseite nach unten liegend hinlege. So weit bin ich glaube ich nicht. Dafür sind die Wunden noch zu frisch und die Lücke des Verlustes in meinem Leben noch zu tief. Mein neuer Blickpunkt ist nicht mehr die Wand sondern der Beruhigende Wald, den ich nun durch das große Fenster beobachten kann.
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Nicht unbedingt kurz aber auch nicht lang:/
Wie fandet ihr's? Schreibt mir doch mal bitte eure Meinung...
Bis dann ich bemühe mich am nächsten Kapitel;)

Bis dann ich bemühe mich am nächsten Kapitel;)

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