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Der Unterricht zieht sich wie Kaugummi in die Länge. Noch immer, eineinhalb Stunden später, spüre ich den Blick des Fremden auf mir.

Es klingelt. Das signalisiert anscheinend das Ende des Unterrichts, beziehungsweise den Anfang der Pause. Einige stehen auf und verlassen den Raum. Mit einem Blick auf meinen Ausgedruckten Stundenplan, Stelle ich fest, dass ich die nächsten Stunden ebenfalls in diesem Raum Unterricht habe und daher einfach sitzen bleiben kann.

Mein Gedankengang wird von dem Geräusch eines zurückziehenden Stuhles gestört. Kurz darauf lässt sich eine Person auf dem Platz neben mir nieder. Da ich den brennenden Blick in meinen Rücken nicht mehr spüre würde ich auf den Fremden tippen, irritiert und misstrauisch drehe ich mich langsam zu der Person neben mir herum.

Es ist leider nicht der Fremde aus dem Wald, wie ich leider feststellen musste, denn diese Alternative wäre mir ehrlicher Weise in diesem Moment deutlich lieber gewesen. Neben mir auf dem Stuhl sitzt niemand geringeres als Mister „Ich kann nicht flirten" von heute morgen und starrt mich schon wieder mit seinem versuchten Flirtblick an, als würde ich auf sowas reinfallen.

Maxim war von sowas immer total angetan, das ist wahrscheinlich auch der Grund für die ganzen gescheiterten Beziehungen bevor er zum Glück Chris kennenlernte. Eine Erinnerung an ihre erste Begegnung flattert gepaart mit einem beklemmendem Gefühl durch meine Gedanken.

Das war an meinem letzten Geburtstag. Wir waren zu zweit etwas essen in unserem Lieblings Café. Chris hat dort als Kellner gearbeitet, war zu der Zeit aber erst ganz neu. Und dann passierte die Misere. Irgendeine Frau stellte Chris unbeabsichtigt ein Bein, weswegen er geradewegs auf Maxim fiel, der gerade auf dem Weg war zu bezahlen. Ich weiß noch, wie ich amüsiert beobachtet habe, wie beide, also sowohl Chris als auch Maxim, Tomaten rot im Gesicht wurden. Chris hat sich gefühlte Tausend Mal entschuldigt. Aber irgendwie haben die beiden nicht so zueinander gefunden. Die nächsten Wochen waren wir öfters da, weil Maxim sich einfach nicht getraut hat ihn anzusprechen. Deshalb habe ich, nachdem ich die verliebten Blicke zwischen den beiden ein paar Tage toleriert habe, die Initiative ergriffen und mich mit einem Zettel auf den Weg zu Chris gemacht. Seinen erschrockenen Blick werde ich wohl niemals vergessen können. Ich habe ihm den Zettel mit den Worten „Mein Bester Freund da vorne am Tisch traut sich nicht dich auf ein Date einzuladen, deswegen gebe ich dir jetzt einfach seine Nummer" in die Hand gedrückt und bin einfach wieder zu unserem Tisch zurück gegangen. Noch am selben Abend fingen die beiden an miteinander zu Texten und kurze Zeit später hatten sie auch ihr erstes Date. Die beiden waren wie füreinander bestimmt, aber das Schicksal hatte andere Pläne.

Meine Gedanken, die gerade wieder dabei waren dorthin abzurutschen, wo sie eigentlich nicht sein sollten, aber in letzter Zeit so oft waren, wurden zum Glück unterbrochen. Wenn man da überhaupt von Glück sprechen kann, den den affigen Typen vor mir würde ich nicht als solches bezeichnen. „Hast du ein Problem damit wenn ich mich zu dir setze, meine Hübsche?", fragt er während er versucht charmant zu klingen. Und ich muss sagen, ich habe damit ein sehr großes Problem, denn diesen Abklatsch eines Machos möchte ich eigentlich nicht neben mir sitzen lassen. Ich entscheide mich dazu einfach gar nicht erst zu antworten, dann geht er vielleicht von selber. Das scheint wohl aber der falsche Weg gewesen zu sein, da ihn das anscheinend noch mehr anstachelt. Seine Fragen werden immer aufdringlicher und irgendwie überfordert mich das gerade. Unter anderen Umständen hätte ich ihm wahrscheinlich meine Meinung gegeigt, aber nun bin ich alleine. Kein Maxim. Ein kaputtes Bein. Und eine zerschundene Seele. Keine guten Voraussetzungen einen Streit anzufangen.

Er wird so langsam echt zu aufdringlich. Jetzt gerade, in diesem Moment versucht er mir seine Hand auf den Oberschenkel zu legen. Ich fühle mich in die Ecke gedrängt und hilflos.
In meinem alten Zuhause ist so etwas nie passiert. Jeder hatte Respekt mir und Maxim gegenüber und wenn uns doch jemand blöd kam, dann waren wir immerhin zu zweit. Doch jetzt bin ich alleine. Ich stoße seine Hand von meinem Körper weg.

„Nana, nicht so schüchtern", versucht dieses Arschloch mich zurecht zu weisen und packt seine Hand dieses Mal etwas höher. Die anfängliche Hilflosigkeit verwandelt sich schnell in Wut. Ich bin gerade dabei mich innerlich auf meinen Wutausbruch vorzubereiten, da erregt ein leichtes aber deutlich wütendes knurren meine Aufmerksamkeit. Das knurren kommt von der Tür.

Auch der Typ neben mir scheint das knurren bemerkt zu haben. Er wendet sich den Geräuschen zu, nimmt aber leider dabei seine Hand noch nicht von meinem Knie.

„Wenn du deine Hand nicht sofort von ihr nimmst, dann ist sie ab Jeremie.", kommt es knurrend von der Tür. Ruckartig zieht der Typ neben mir seine Hand zurück und sieht mich mit einem panischen Blick an. „E- es tut mir L-leid", stottert er mir entgegen.
Mein Blick wandert wieder zur Tür, durch die mittlerweile der unbekannte Fremde getreten ist, zu dem scheinbar auch die knurrige Stimme gehört. Er tritt ein paar Schritte näher.
„Und jetzt geh!", widmet er sein Wort wieder an diesen Jeremie.
Unterwürfig senkt dieser seinen Kopf und steht in dieser Haltung von dem Stuhl auf. „Entschuldigen sie bitte mein Verhalten, Beta. Es wird nicht wieder vorkommen!", spricht er in Richtung des Unbekannten.
Ich bin mir zwar sicher, dass die Lehrerin seinen Namen heute morgen verwendet hat, aber wissen tue ich ihn auch nicht mehr. Aber Beta hieß er auf jeden Fall nicht. Wieso wurde er dann so genannt und warum lässt dieser andere Typ so mit sich reden?

Ich weiß es nicht, aber ich bin trotzdem erleichtert, dass diese Worte den schmierigen Typen von dem Platz neben mir und generell aus dem Raum vertrieben haben. Sobald der andere Typ verschwunden ist, wendet sich der Fremde mir zu.

„Hey, du bist scheinbar die neue"
Ich denke ich bin ihm für den gefallen eben etwas schuldig. Deswegen antworte ich ihm, wenn auch widerwillig mit einem stumpfen „ja" und wende daraufhin meinen Blick wieder aus dem Fenster. Ich weiß, dass so etwas sehr unhöflich rüber kommt, aber für weitere Konversationen bin ich jetzt gerade einfach nicht in der Lage.

Er scheint es wohl zu verstehen oder wohl eher zu respektieren, dass ich mich gerade nicht mit ihm unterhalten möchte und setzt sich mit einem vernünftigen Abstand auf den nun wieder freien Platz neben mir.
Stillschweigend verbringen wir die Pause im Klassenraum, bis die nächste Stunde beginnt.
Mathe.
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Was haltet ihr von unserem Unbekannten? Stellt Mal Vermutungen auf in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen werden 😏
Mal schauen ob ihr es im nächsten Kapitel erfahrt...
Bis dann<3

Bis dann<3

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