Der Tag meiner Entlassung ist gekommen. Meine Krankenhaus Akte wurde schon ans neue Krankenhaus geschickt.
Ich habe Angst.
Angst vor dem Unbekannten.
Früher war ich mir meiner nächsten Schritte immer bewusst, es war wie auf dem Eis, jeder meiner Schritte waren geplant und wurden ausgeführt. Aber jetzt konnte ich nicht planen. Ich werde quasi ins kalte Wasser geschmissen und weiß nicht wie ich damit umgehen soll.Dazu muss ich sagen, dass mein Psychologe es nicht geschafft hat mir meine Angst vor dem Auto fahren zu nehmen. Was das ganze noch etwas schwieriger gestaltet. Die vorübergehende Lösung meines jetzigen Arztes war, mich unter Tabletten zu setzen, welche mich beruhigen sollen. Eine andere Möglichkeit ist ihnen dann nicht mehr eingefallen. Dementsprechend ist das der Plan. Ich habe ein Rezept für eine starke Beruhigungspille verschrieben bekommen, welche mich komplett weghauen soll. Naja wir werden es sehen.
Es ist gerade viertel vor Eins, um drei Uhr werden meine Eltern kommen um mich abzuholen. Die Sachen aus unserem alten Zuhause sind schon fertig gepackt und teilweise schon auf dem Weg ins neue Haus. Es ist geplant, dass wir morgen Nachmittag schon losfahren. Vor einer Woche kam mir die Zeit noch sehr lang vor, doch jetzt zerrinnen die Minuten innerhalb weniger Sekunden. Um zwei Uhr wollte mein Arzt noch ein letztes Mal nach mir sehen und mir noch ein paar Sachen erklären. Ob er das nicht lieber in Anwesenheit meiner Eltern tun sollte? Ich glaube nämlich, dass diese Aufnahmefähiger sind als ich es bin. Die Zeiger der Uhr, die auf der gegenüberliegenden Wand Seite platziert ist, rasen in Rekordszeit voran. Meine Hände sind mittlerweile schon ganz schwitzig vor Nervosität. Und mein Bein schmerzt bei jeder kleinsten Bewegung, die mein Körper macht. Und sei es auch nur ein etwas zu tiefes einatmen. Das deutet darauf hin, dass so langsam die Schmerzmittel nach lassen.
Meine wenigen Sachen, die ich hier im Krankenhaus habe sind ebenfalls schon gepackt. Dafür musste ich zwar eine der Krankenschwestern fragen, aber alleine hätte ich das nicht hinbekommen. Schwester Mary, die mir auch die letzten Tage schon sehr viel geholfen hat, hat sich dann bereit erklärt in einer ihrer Pausen meine Sachen in die kleine Reisetasche zu verstauen. Sie hat sich außerdem auch schon von mir verabschiedet, weil sie mich heute Nachmittag nicht mehr sehen wird. Sie hat nämlich noch ein Elterngespräch an der Schule ihrer kleinen Tochter. Das weiß ich daher, dass Mary mir immer zur Ablenkung sehr viel aus ihrem Leben erzählt hat. Denn wie oft gesagt wird, ist bei Panik die Ablenkung am Wirksamsten.
Ich hoffe, dass ich in meiner neuen Umgebung genug Ablenkung bekomme, sonst werde ich wohl doch noch an meiner Panik zu Grunde gehen.Die Zeit schreitet schon wieder viel zu schnell voran, sodass ehe ich mich versah auch schon zwei Uhr ist. Um Punkt zwei Uhr tritt mein Arzt durch die Zimmertür. Nachdem er sich am Eingang die Hände desinfiziert hat, tritt er an mein Bett und begrüßt mich wie immer sehr freundlich. Er wirft noch einen schnellen Blick in die Kopie der Akte an meinem Fußende. Dann fängt er mit seiner typischen Befragung an; „Hast du irgendwo schmerzen?", „Hast du fragen?"...
Ich beantworte alle seine Fragen zum größten Teil ehrlich, wenn auch Recht träge, aber ehrlich. Er wiederum erklärt mir alles, was ich seiner Meinung nach wissen müsste.Er erzählt mir, dass er einen meiner zukünftigen Ärzte persönlich kennt und ihm bereits meine Akte zu geschickt hat. Außerdem klärt er mich darüber auf, dass ich erstmal bis auf weiteres in einem Rollstuhl sitzen werde. Und was ihm persönlich sehr am Herzen liegt ist die Adresse eines Psychologen in meinem neuen Ort. Er hat sich wohl in seiner Freizeit und mit Absprache meiner Eltern über einen guten Psychologen dort vor Ort informiert. Alles in allem war er, so wie auch der Rest des Kollegiums sehr nett zu mir. Was mich jedoch trotzdem nicht glücklich stimmen kann. Nach ein paar weiteren Informationen, die er mir versuchte zu erklären, verabschiedete auch er sich von mir und wünscht mir alles gute für die Zukunft. Bis meine Eltern kommen dauert es noch ein wenig, weswegen ich mich wieder eher unfreiwillig in meine Gedanken zurück ziehe. Mir fällt ein, dass ich wohl bald wieder zur Schule gehen muss. Das wird wohl noch eine sehr große Herausforderung, also im negativen Sinne. Denn seit der ersten Klasse war ich in der selben Klasse wie er, wie bitte soll ich also auf einmal ganz alleine klar kommen.
In dieser Hinsicht ist der Umzug wohl doch ganz gut. Ich weiß nämlich nicht ob ich die Mitleidigen Blicke meiner ehemaligen Mitschüler ertragen würde. Eher nicht.
Während ich weiterhin in meinen Gedanken vertieft bin, merke ich gar nicht, wie sich die Tür öffnet und meine Eltern ins Zimmer treten. Ich bemerke ihre Anwesenheit erst, als mein Vater in mein Blickfeld tritt, der sich unbewusst wieder auf die gegenüberliegende wand geheftet hat. „Bist du soweit?", fragt meine Mutter vorsichtig, woraufhin ich nur mit einem wagen Nicken antworte. Meine Mutter dreht sich daraufhin um und geht nach einer Krankenschwester suchen, die mir in den Rollstuhl helfen kann. Mein Vater schnappt sich währenddessen meine Tasche und verschwindet ebenfalls vor die Tür, um wahrscheinlich meine Sachen ins Auto zu bringen.
Kurze Zeit später kommen sowohl mein Vater, als auch meine Mutter mit einem Krankenpfleger im Schlepptau wieder ins Zimmer. Der Krankenpfleger, ich meine mich wage zu erinnern, dass er Louis heißt, schiebt mein zukünftiges Fortbewegungsmittel vor sich her. Den Rest nehme ich nur so nebenbei wahr. Louis hilft mir mich auf dem Bett aufzurichten, woraufhin ein starker stechender Schmerz durch mein Bein schießt, der mein Knie penetrant zum Pochen bringt. Das bringt auch mein schmerzhaft verzogenes Gesicht zum Ausdruck. Mit zusammen gebissenen zähnen versuche ich mit Louis Hilfe vom Bett aufzustehen, es ist zwar nicht das erste Mal aber bei den letzten Malen wurde mir mit zwei Personen geholfen und ich stand zusätzlich komplett unter Schmerzmittel. Nach einer kurzen Pause, in der ich versuchte den Schmerz weg zu atmen, führen wir den Versuch fort.
Als ich dann eher schlecht als recht auf meinem gesunden Bein stehe, eilt mein Vater an meine andere Seite und stützt mich, sodass ich mich eine kurze Zeit später langsam auf den Rollstuhl niederlassen kann. Louis fixiert mein Bein auf einer solcher Rollstuhl Leisten, also ich meine diese Dinger, die immer an manchen von denen dran sind und das Bein stützen.
Ein letztes Mal lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Der Raum, der in den letzten Wochen mein emotionales Gefängnis war, in dem ich den Anfang der schlimmsten Zeit meines Lebens durch gemacht habe und diese Zeit ist noch nicht vorbei. Ich wende mein Blick ab. Louis schiebt mich in Richtung des Fahrstuhl's. Auf dem Weg dorthin begegnen uns noch ein paar der Pfleger, die mir alle freundlich alles gute wünschen. Meine Eltern sind schon vorhin losgegangen, um mir die Tabletten zu besorgen. Wir sind jetzt am Fahrstuhl angekommen und Louis drückt den entsprechenden Knopf.
Kurze Zeit später sind wir auch schon unten und stehen unweit von dem Auto meiner Eltern entfernt. Sobald ich das Auto von Nahem erblicke, steigt eine unbeschreibliche Angst in mir hoch. Sie ist nicht mehr zu stoppen und breitet sich in Sekundenschnelle in meinem Körper aus. Mein Atem geht schneller. Ich bekomme keine Luft. Vor meinem inneren Auge ziehen Erinnerungen vorbei, die ich die letzten Tage erfolgreich verdrängt habe. Ich muss meine Augen gar nicht schließen, da ich auch so rein gar nichts sehe. Meine Hände fangen an zu zittern. Louis erfasst die Lage und bringt mich sofort wieder ins Gebäude. Dort kriege ich lediglich mit, wie mir ,wer hätte das gedacht, mein Beruhigungsmittel gespritzt wird. Es ist nicht so stark, dass ich komplett weg bin, aber genug sodass die Panikattacke schnell abklingt und ich mich soweit es geht entspanne.
Einige Minuten später starten wir einen weiteren Versuch, diesmal sind wir vorbereitet und ich nehme schon bevor ich an die frische Luft geschoben werde, eine der starken Beruhigungspillen. So ging es dann auch einigermaßen, obwohl ich das wohl in diesem Zustand nicht mehr so Recht beurteilen kann. Ich kriege nur noch mit, wie ich schließlich quer mit dem Rücken an die Autotür gelehnt im Auto sitze und allmählich einschlafe.
Nun ist wohl meine Zeit hier abgelaufen.
Eine sehr schöne Zeit mit einem tragischen Ende.
Ich werde die schöne Zeit vermissen, auch wenn ich schon längst weiß, dass sie aufgrund deiner Abwesenheit nicht mehr wieder kommen kann, mein Freund.
Niemals wieder.
Nie mehr...~~~
Das nächste Kapitel ist da!
Meinungen dazu?
Ich bin mit dem Kapitel nicht so ganz zufrieden aber egal;)
Bis dann:)
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The Dance on Ice⛸️
WilkołakiGanz zu Anfang erstmal eine kleine Triggerwarnung. In meinem Buch werden einige Themen erwähnt und durchlebt, die manche nicht verkraften können. Von daher also die bitte; wenn ihr Themen wie zum Beispiel Tod, Depression, Blut und eventuell auch Erw...