Es war ein schöner erster Frühlingstag in Lymera. Leise und fröhlich sangen all die Vögelchen ihre Lieder. Selbst der Schnee der vergangenen Tage war verschwunden. Die Sonnenstrahlen fielen zart auf das Gesicht der jungen Frau, welche mit geschlossenen Augen auf der Wiese lag. Ihr zierlicher Körper war in ein pompöses schulterfreies nachtblaues Kleid gehüllt. Freiwillig hätte die junge Frau niemals solch ein Kleid für sich gewählt. Stowe hatte immer eher schlichte Kleider bevorzugt. Ohne zu viel Schnickschnack. Praktische Kleider in hellen fröhlichen Farben.
Eben nicht dieses! Aber Stowe hatte niemand nach ihrer Meinung gefragt. Wie so oft.
Zu oft.Als die endlose lange Schlange, sich langsam wieder in Bewegung setzt, wurde der Mann aus seinen Gedanken gerissen. Er war fast an der Reihe. Mit einer Hand überprüfte dieser erneut, ob sein langer dunkelblauer Mantel nicht verrutscht war. Ob die große Kapuze sein Gesicht noch gut genug vor den vielen Augen der anwesenden Lords und Ladys verbarg. Denn sollte ihn einer der anderen Lords erkennen, war all das umsonst gewesen. Auch sein, Wunsch sich von Majesty Stowe zu verabschieden. Ihr Lebewohl zu sagen. Als Beschützer. Als einzig wahrer Freund. In dieser großen Maskerade.
Alle waren sie gekommen. Aus jedem der Hohen Häuser war jemand hier, um der jungen Majesty die letzte Ehre zu erweisen. Dabei war Stowe die Meinung oder gar das Ansehen dieser Menschen und ihrer Familien niemals wichtig gewesen. Sie hätte wahrscheinlich herzlich gelacht, wenn sie diese jetzt sehen könnte. Jeder hier hatte sich für diesen Tag besonders zurecht gemacht, die Ladys trugen ihr Haar zu aufwendigen frisierten Kunstwerken.
Jeder wollte gesehen werden. Den in Lymera war es eine besondere Wertschätzung heute eingeladen zu sein. Schließlich löste sich die Schlange vor dem Mann auf und er hatte freie Sicht auf die Majesty. Stowe, so hatte er sie immer lieber genannt. Sie hatte diese Welt verlassen, bevor ihre Zeit gekommen war.
Ganz dicht trat der Mann an ihren Körper heran. Auf seinem Gesicht tanzten eine Vielzahl an Emotionen. Schließlich blieb Mittleid übrig. Sein Blick glitt einmal über ihren Körper, der inzwischen schon von einer zarten Schicht aus blauen Frostrosen Blättern bedeckt war. Die langen weißen Handschuhe, die man dem Mädchen übergestreift hatte, wurden fast vollständig von den Blütenblättern verborgen.
Um das Grauen nicht sichtbar zu machen. Die feinen schwarzen Linien auf ihrer Haut vor den Augen der Anwesenden zu verbergen. Den Grund ihres Todes zu verbergen. Stowe's eigene Magie hatte dies getan. Hatte das Mädchen getötet. Wie schon all die anderen Lords und Ladys vor ihm, öffnete der Mann seine rechte Hand und ließ ebenfalls ein paar blaue Blütenblätter auf den Körper der jungen Frau fallen. Dann beugte er sich zu ihrem Gesicht herab und küsste ihre Stirn. Flüsterte ein, "Ich hatte soviel Hoffnung in Euch gesetzt. Alles vergebens. Findet Freiheit, fliegt davon Stowe."
Als der Mann sich wieder aufrichtete, streiften seine Augen den Thron aus schwarzem Stein, der in einiger Entfernung unter mächtigen Roteichen stand. Bedauerlicherweise musste er feststellen, das Mylady Carfax nicht erschienen war. Einzig ein paar Roteichenblätter hatten sich auf diesem niedergelassen. Noch nicht einmal zur Beerdigung der Majesty, hatte Mylady Carfax ihren Rubinpalast verlassen. Genau den Ort, zu welchem sich der Mann im Dunkelblauen Mantel jetzt zurück schleichen würde. Hoffend, das sein Verschwinden noch nicht bemerkt worden war. ~~~~~~~~ Fortsetzung folgt...
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Chroniken von Lymera
FantasyAusschnitt: "Ich möchte nach Hause gehen." Ihre Stimme klang hoffnungslos. Völlig unbemerkt war der Lord dicht hinter die Rothaarige getreten. Francis widerstand dem Drang ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Nacken zu streichen. Stattdessen beugt...