~ Eine Lektion in Magie ~

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Es war dunkel um sie herum.
Tiefste Nacht hatte hier unten ein Zuhause gefunden. Dunkelheit und Stille waren in den Verließen von Rubia schon seit Jahrhunderten zugeben. Tief unter dem Rubinpalast hatte man das Mädchen eingesperrt.
Wie lange sie schon hier an der kalten Steinwand der Zelle hing, die kurzen Arme hoch über dem Kopf gefesselt, konnte sie gar nicht genau sagen.

"Fünfhundert!" Ihre Stimme war kaum mehr als ein leises Krächzen. Sie schwieg zwei Herzschläge lang. Lauschte auf das beständige Tropfen von Wasser. Dann begann sie erneut zu zählen, "Eins.., Zwei.., Drei..,"
Es war ihr einziger Anhaltspunkt, dass überhaupt Zeit verging. Der höllische Schmerz hinter ihren leeren Augen war zu einem dumpfen Pochen abgeklungen. Gerne hätte Mara sich das inzwischen getrocknete Blut aus dem Gesicht gewischt, aber mit gefesselten Händen war ihr dies unmöglich.

Seitdem der Lord sie das letzte Mal besucht hatte, waren bestimmt schon Tage vergangen. Vielleicht hatte man das kleine Mädchen einfach vergessen.
Mara hoffte es.
Wollte nicht, dass der Lord mit den grausamen Händen zu ihr zurückkam. Wollte nicht, dass seine Raubkatze um sie herumschlich und ihr an den nackten Füßen leckte.
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„Das war es schon. Ich bin für heute hier fertig, Majesty."
Erleichtert atmete Scarlett aus und entspannte ihre Schultern. Sie schenkte dem Maler ein bezauberndes Lächeln. Obwohl sie es gar nicht mehr abwarten konnte, erhob sich die junge Frau angemessen von ihrem Stuhl. Es lag ihr nicht stundenlang still da zu sitzen. Aber, sie wusste das Lady Lorious jeder ihrer Bewegungen genau beobachtete. Die strenge Dame hatte sich nun auch von ihrem Platz erhoben und betrachtete mit leicht zusammen gekniffenen Augen das halb fertige Gemälde.
Scarlett ging um die Staffelei herum und warf ebenfalls einen neugierigen Blick auf ihr Bild.

Von der Leinwand blickte ihr ein paar stechend blaue Augen entgegen. Ihr Haar viel in lockigen Wellen über ihre Schultern. Sie hatte es am Morgen geschafft Grace davon zu überzeugen, es nicht kunstvoll in die Höhe zu türmen. Lediglich ein einziger prachtvoll geflochtener Zopf kam auf den roten Locken zum Liegen. Sie trug ein hellgraues Kleid mit durchsichtiger Spitze an den Armen. Auf dem tief ausgeschnittenen Oberteil waren silberfarbene Rosen aufgenäht. Der Rock viel weit um ihre Beine und raschelte beim Laufen. Scarlett mochte das Kleid und hoffte es zu einem anderen Anlass erneut tragen zu können.

Das Mädchen warf einen Blick aus einem der Fenster. Nicht mehr lange und die, sich so mühsam hinter den Wolken hervor gekämpfte Sonne würde untergehen. Es wurde Zeit, der Lord erwartete sie bestimmt schon.
„Wenn es gestattet ist, würde ich mich für heute verabschieden. Lord Soledou wartet schon auf mich."
Mit einem perfekten Knicks verabschiedete sie sich von Lady Lorious. ~~~~~~~~

Scarlett ging ohne Eile den langen Flur entlang. Den weiten Rock des Kleides hob sie dabei mit beiden Händen leicht an. Sie wollte vermeiden über den Saum zu stolpern. Inzwischen fand sie sich immer besser in den Mauern des Palastest zurecht. Etliche Wochen waren vergangen, seitdem die Rothaarige zum ersten Mal durch diese Gänge gewandert war. In der Bibliothek hatte sie außerdem in einem unbeobachteten Moment eine Karte, auf der die Wichtigsten Räume und Gebäude eingezeichnet waren, eingesteckt.

Leise klopfte die Rothaarige an die Türe. Nachdem von der anderen Seite ein, "Herein!" zu vernehmen war, trat sie ein.
Der Raum, in dem sich die Frau nun befand, diente Francis Soledou als Arbeitszimmer. Der Lord klappte das Buch, in welchem er bis eben gelesen hatte zu und erhob sich von seinem Schreibtisch.
„Schön, das Ihr noch gekommen seid, Majesty Scarlett."
Francis machte eine höfliche Verbeugung. Dann beutete er mit einer Hand auf zwei weinrote Sessel, „Bitte nehmt Platz."

Als die Rothaarige sich gesetzt hatte, stellte Lord Soledou einen Teller mit kleinen Zitronentörtchen vor ihr ab. Erst jetzt wurde Scarlett bewusst, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, "Danke, dass ist sehr freundlich von Euch, Lord Soledou."
Sie nahm eines der sehr verlockenden Törtchen in die Hand.

Chroniken von Lymera Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt