~ Schrecken in der Dunkelheit ~

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Es war ungewohnt für Scarlett einen freien Vormittag zu haben. Eigentlich wollte sie nach dem gemeinsamen Frühstück mit Mylady Carfax und Lord Soledou, noch mit dem Lord an ihrem Magischen Potenzial arbeiten.
Aber es war anders gekommen.
Ganz anders.

Mitten beim Frühstück, waren die Türen in Eile aufgestoßen worden. Ein kleiner Junge war flink in den Raum gehuscht. Er trug die Kleidung eines Dienstboten. Kurz streiften seine dunklen Augen Scarletts Antlitz. Unverhohlene Neugierde blitze in diesen. Mit einer tiefen Verbeugung blieb er vor Majesty Carfax Stuhl stehen. Seine Brust hob und senkte sich heftig. So, als wäre der Junge gerannt.
Mit einer leichten Handbewegung gab Mylady Carfax zu verstehen, dass er sprechen konnte. Das Kind beugte sich vor und flüsterte der Lady etwas ins Ohr. Danach huschte es wieder aus dem Saal.

Cassandra Carfax Gesicht, hatte sich verfinstert. Das Kind hatte beunruhigende Nachricht überbracht. Kurz presste sie die Lippen fest aufeinander. Dann erhob sie sich vom Tisch, „Francis, wenn du mich bitte begleiten würdest."
Ohne Scarlett auch nur eine Erklärung zu liefern, rauschte sie davon. Francis warf Scarlett im Gehen einen entschuldigenden Blick zu.
Das Mädchen dachte allerdings gar nicht daran, ganz alleine an dem Tisch sitzen zu bleiben.
Flink huschte es den beiden nach.

Im gepflasterten Innenhof des Palastest holte Scarlett sie schließlich wieder ein. Mit einigem Abstand blieb das Mädchen im Schatten der Palastmauern stehen. In aller Eile war der Stallmeister und ein Knecht damit beschäftigt, die Pferde vor eine Kutsche zu spannen.
Was war nur geschehen?

Mit leicht gerunzelter Stirn verfolgte die Rothaarige das hektische Geschehen. Als die Kutsche, nur kurz darauf abfahrbereit im Hof stand, reichte Francis der Majesty seine Hand und half ihr ins Innere. Dann wendete er sich Scarlett zu.
Die Rothaarige wirkte ein bisschen verloren in dem großen Innenhof. Mit schnellen Schritten ging er zu dem Mädchen. „Bitte entschuldigt. Aber es besteht kein Grund sich zu Sorgen, Majesty. Wir sind bald wieder zurück."
Er sah ihr fest in die blauen Augen, „Es ist alles in Ordnung."
Scarlett Moreno sah der Kutsche nach die in flottem Trab aus dem Tor fuhr. Warum nur wurde sie, das Gefühl nicht los, dass es nicht stimmte, was Lord Soledou zu ihr gesagt hatte.
Das etwas ganz und gar nicht in Ordnung war!
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Die Szenerie, welche sich vor Lord Soledou ausbreitete war falsch. Unnatürlich. So gehörte der leblose Körper des Mannes nicht zur Schau gestellt.

Die Kutsche war durch Rubias Straßen gerollt, am Marktplatz waren Mylady Carfax und Lord Soledou dem Gefährt entstiegen. Voller Unbehagen war der Blick des Lords am Brunnen in der Mitte des weitläufigen Platzes hängen geblieben. Eine Gänsehaut des Grauens war über seinen Körper gekrochen. Francis schüttelte leicht den Kopf, dann schritt er langsam auf den Toten zu.
Wer tat nur solch etwas grausames?

Der Lord hatte mit den Jahren gelernt, sein Mitgefühl für die Menschen um sich herum auf ein Minimum zu begrenzen. Es lebte sich so leichter in den Mauern des Rubinpalastes.
Meistens verbarg er es gut unter einer perfekten Maske aus Charme und Höflichkeit. Noch wusste er auch nicht, dass er im Laufe dieses Tages mit dem genau gleichen Gefühl im Thronsaal stehen würde.
Um nochmals etwas als völlig Falsch zu Empfinden.

Der tote Mann, bei dem es zweifelsfrei um einen Hohen Lord handelte, war mit weit ausgebreiteten Armen an zwei Holzbalken festgebunden. Sodass er genau mittig über dem reichlich verzierten Brunnen hing. Seine leblosen Augen schienen Francis dafür zu verurteilen, dass niemand ihn gerettet hatte. Die Hose des Mannes war mit getrocknetem Blut getränkt. Scheinbar seinem eigenen.
Auch auf seinem entblößten Oberkörper war Blut. Lord Soledou ging noch zwei Schritte näher. Sein Kiffer war zu einer harten Linie angespannt. Auf der Brust des einstigen Hohen Lords hatte jemand etwas geschrieben. Ob mit roter Farbe oder Blut war nicht zu unterscheiden.
Wir sehen Euch. Wir hören Euch. Wir werden nicht länger schweigen. Die Morgenröte erhebt sich!"

Der Lord bemerkte, wie Majesty Carfax dicht wo neben ihn getreten war. Auch sie schien nicht erfreut über das Bild welches sich hier bot.
„Die Morgenröte...", mumelte sie.
Dann sah sie sich nach den Soldaten der Stadtwache um. Immer mehr von ihnen kamen auf dem Platz zusammen. Sie winkte energisch einen von ihnen zu sich, „Hängt schleunigst den Toten ab, bevor noch mehr meiner Untertanen dies sieht." Sie blickte den Soldaten mit strengem Blick an, „Schließt außerdem den Schwarzmarkt und das große Tor zum Äußeren Ring. Solange wir nicht wissen wer das getan hat, kommt keiner von dort mehr in meine Stadt."
Mit einer Verbeugung entfernte sich der Mann, um ihre Anweisungen weiter zu geben.

Cassandra wendete sich nun ihrem Begleiter zu, „Ich dachte wir hätten diese verdorbene Pack, was sich Morgenröte nennt ausgelöscht?"
„Ich werde mich um dieses Problem kümmern, Majesty."
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Bei ihrer ziellosen Wanderung durch den Palast, war die Rothaarige inzwischen irgendwo im nördlichen Teil angelangt. Hier war sie noch niemals zuvor gewesen. Mit einer Hand ergriff sie einer der brennenden Fackeln an der Steinwand. Dann stieg Scarlett vorsichtig die schmale Wendeltreppe hinab in die Tiefe.
Die Luft welche ihr entgegen kam, wurde mit jeder Stufe kälter. Ließ sie in dem Kleid aus rosa Seide frösteln.
Was sie wohl dort unten finden würde?

Am Ende der Treppe holte sie kurz tief Luft. Scarlett war sehr froh, die Fackel mitgenommen zu haben. Ansonsten würde sie in finsterster Nacht stehen. Vor ihr öffnete sich ein halbrunder Raum. Die Wände waren aus grobem Stein. Entlang dieser, waren Zellen aus dem Stein gehauen. Mit schweren Eisengittern war jede einzelne verschlossen.
Dem Mädchen war unbehaglich zumute.
Fast wollte es schon wieder nach oben steigen. Da vernahm sie aus einer der Zellen, ein leises wimmern.

Mit heftig pochendem Herzen näherte sich die Rothaarige dem Geräusch. Fast glaubte sie die Stimme zu kennen.
An der hinteren Wand der Zelle hing gefesselt ein kleines Mädchen. Scarlett stockte vor Überraschung der Atem. Ihre Augen weiteten sich. Sie hatte immer gedacht ihre kleine Schwester wäre in Sicherheit.
Dem war bei weitem nicht so!

Eine ihrer Hände legte sich auf ihr rasendes Herz.
„Mara." Ihre Schwester hob langsam den wuscheligen Lockenkopf. Ihre leeren Augen starrten auf die Stelle, wo Scarlett stand. „Mara, ich bin es Scarlett."
Mit fruchtbar kratzender Stimme, antwortet Mara ihr, „Scarlett, ich bin so froh das du mich endlich gefunden hast! Ich wusste du würdest kommen. Wusste es immer, auch wenn der Lord etwas anderes gesagt hatte."
Die Rothaarige trat ganz nah an die Gitterstäbe. Schob ihren freien Arm hindurch und versuchte mit gespreizten Fingern irgendwie Mara zu berühren. Vergebens.
Das Kind blieb außer Reichweite.

Scarletts Stimme zitterte vor Wut, „Wer hat dir, dein Augenlicht genommen?"
Das kleine Mädchen musste schwer schlucken, „Ich weiß seinen Namen nicht! Aber er hat eine vergiftete Stimme, grausame Hände und eine Raubkatze begleitet ihn."
Der Arm der Rothaarigen wurde brutal auf ihrem Rücken verdreht. Sie keuchte auf vor Schmerz. Die Fackel entglitt ihrer Hand. Dunkel grollte eine Männliche Stimme an ihr Ohr, „Ihr habt hier unten nichts zu suchen! Aber ich will so freundlich sein und die verirrte Majesty wieder nach oben bringen."
Nach diesem Satz wurde Scarlett von Lyan davon gezerrt.
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Fortsetzung folgt...

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