|2| Zwischen Headset und Hollywood

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Zwei Wochen sind vergangen, seit ich meine Anmeldung für diese Gameshow abgeschickt habe. Zwei Wochen voller nervenaufreibender Warterei und Null Feedback. Nur die Eingangsbestätigung und die fühlt sich leider an wie eine Placebo-Beruhigungspille.

Im Callcenter, meinem persönlichen Höllenkreis, versuche ich mich mit einem Hühnchen-Sandwich und Kelly, meinem einzigen Lichtblick hier, etwas abzulenken.

"Und wie läuft das Studium so?", fragt die grauhaarige interessiert nach.

"Das Studium? Nun ja, es ist wie eine Achterbahnfahrt im Dunkeln. Man weiß nie, was als Nächstes kommt", antworte ich und versuche, meine wachsende Frustration zu verbergen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst.

Kelly nickt verständnisvoll und knabbert an ihrem Käsebrot. "Ich kann mir vorstellen, dass das ziemlich stressig ist. Aber vergiss nicht, auch mal eine Pause einzulegen."

Ich schnaube. Pause machen? Wann bitte schön soll ich das machen? Zwischen den Kundenbeschwerden und den endlosen Anrufen von Leuten, die glauben, sie könnten ihr kaputtes Handy per Telefonzauber reparieren lassen?

"Das Geld wächst nun mal nicht auf Bäumen, Kelly."

Sie seufzt und legt eine Hand auf meine Schulter. "Ich weiß, Sadie. Aber du musst auch auf dich aufpassen. Du bist keine Maschine. Deine Eltern hätten nicht gewollt, dass du dich derart auslaugst."

Die Erwähnung meiner Eltern lässt einen Stich in meinem Herzen zurück. Seit sie nicht mehr da sind, um mir beizustehen, ist meine Lieblingskollegin wie eine Ersatzmutter für mich geworden. Ich zwinge mich zu einem schwachen Lächeln. "Danke, Kelly. Ich werde versuchen, mir mehr Auszeiten zu gönnen."

Der Druck, Verträge und Handys zu verkaufen, belastet mich sehr. Jeden Tag habe ich unzufriedene Kundschaft am Telefon, die sich beschweren und mehr erwarten, als ich bieten kann. Die Erwartungen unserer Abteilungsleiter sind einfach zu groß. Sollen die sich doch mal hinsetzen und einer Oma einen Handyvertrag mit Allnet-Flat und 20GB Datenvolumen andrehen. Alleine mein Gewissen macht da nicht mit.

Allerdings ... Wenn ich meine Ziele nicht erreiche, gibt es keine Provision und der Job wird noch sinnloser als er ohnehin schon ist. Ein verzwickter Teufelskreis.

Kelly lächelt aufmunternd und streichelt freundschaftlich über meinen Rücken. "Pass auf dich auf, okay? Ich will nicht, dass du hier endest wie die anderen, die vor lauter Stress graue Haare kriegen."

Ein amüsanter Gedanke blitzt in meinem Kopf auf: Vielleicht sollte ich Kelly einen dieser Stressbälle kaufen, damit sie nicht noch mehr graue Haare bekommt.

Doch ich verspreche ihr, auf mich aufzupassen und stehe auf, da die Pause gleich endet. Tief in meinem Inneren frage ich mich allerdings, ob ich überhaupt weiß, wie das geht: auf mich aufpassen. In einer Welt voller Unsicherheit und einem Job, der meine Nerven strapaziert, bleibt mir nur die Hoffnung, dass sich irgendwo am Ende der Warteschleife ein Lichtblick befindet.

Wenig später sitze ich wieder an meinem kleinen Schreibtisch, umgeben von trostlosen Trennwänden, die den Raum in winzige Kabinen unterteilen. Mein Platz im Callcenter ist nichts Besonderes - nur ein winziger Bereich in einer endlosen Reihe von Schreibtischen, die alle gleich aussehen. Clean Desk nennt sich die neue Richtlinie der obersten Chefs.

Ein Arbeitsplatz, der frei von Unordnung, Papieren und anderen unnötigen Gegenständen ist. Sie sagen, ein sauberer Schreibtisch ermöglicht eine bessere Organisation, steigert die Produktivität und reduziert Stress, indem er eine klare und ordentliche Arbeitsumgebung schafft.

Seitdem befindet sich nur das Nötigste in unseren Schubladen, um effizient arbeiten zu können, ohne von Unordnung abgelenkt zu werden. Naja, zumindest haben wir jetzt weniger Platz, um unsere Frustrationen zu verstecken. Da haben die in der oberen Etage ja einen super Job gemacht.

Aber man gewöhnt sich an alles. So wie an den Stapel von Kundenakten, der sich auf meinem Schreibtisch türmt.

An manchen Tagen fällt es mir besonders schwer, mich zu konzentrieren. Die Lautstärke um mich herum erinnert an einen Affenkäfig, da wir uns alle gleichzeitig durch unsere endlosen Listen von Kundenanfragen arbeiten.

Es ist kein glamouröser Arbeitsplatz, das ist sicher. Aber es ist auch nichts, was ich ewig machen möchte - einfach ein Ort, an dem ich Tag für Tag meine Zeit verbringe, um meine Rechnungen zu bezahlen und meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Solange bis ich mit dem Studium fertig bin und einen vernünftigen Job in der Softwareentwicklung ergattert habe.

Als ich plötzlich eine Veränderung in der Atmosphäre um mich herum wahrnehme, bildet sich ein unerwartetes Prickeln auf meiner Haut, welches meine Aufmerksamkeit erregt und meine Sinne schärft.

Ich frage mich, was da draußen vor sich geht. Skeptisch nehme ich mein Headset ab und sehe mich um, um herauszufinden, was diesen ungewöhnlichen Moment der Aufruhr verursacht hat.

Und dann sehe ich ihn - Chad Diamond, der berühmte Moderator, den ich bisher nur aus dem Fernsehen kenne.

Sein leuchtend bunter Anzug ist unmöglich zu übersehen, genau wie sein übertriebenes Grinsen, das den Raum zu erhellen scheint.

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als er mit federnden Schritten auf mich zukommt. Sein Aussehen ist so übertrieben wie sein Ruf - hochgegelte Haare, ein Anzug in grellen Farben und eine dicke schwarze Hornbrille, die seine Nase ziert. Er sieht aus wie eine lebendige Karikatur und ich kann nicht anders, als meinen Kopf zu schütteln und leise zu lachen. Das darf doch wohl nicht wahr sein ...

Doch hinter ihm kommen weitere Personen - ein Kameramann mit einer schweren Ausrüstung auf der Schulter und eine elegante Frau mit einem Stapel von Unterlagen unter dem Arm - in meine Richtung. Plötzlich wird mir klar, dass diese unerwarteten Besucher nicht hier sind, um einfach nur Hallo zu sagen. Sie sind hier, weil ich mich zur Gameshow angemeldet habe.

Chad, in all seiner überdrehten Pracht, bleibt vor meinem Schreibtisch stehen und streckt mir freundlich die Hand entgegen. "Hallo Sadie, ich bin Chad Diamond und ich habe großartige Neuigkeiten für dich."

Ich starre ihn an, unfähig zu glauben, dass ich tatsächlich mit diesem schrillen Showmaster spreche. "Ähm, hallo Chad. Was führt Sie denn hierher?"

Sein Lächeln wird noch breiter, wenn das überhaupt möglich ist, und er deutet mit einer theatralischen Geste auf die Kamera hinter ihm. "Du bist ausgewählt worden, um an unserer neuen Gameshow, dem App-Duell, teilzunehmen!"

Ein Moment der Sprachlosigkeit überkommt mich, während ich versuche, das Gesagte zu verarbeiten. Ich soll es tatsächlich geschafft haben? Ich werde Teil einer Fernsehshow?

Es ist schwer zu glauben, dass das tatsächlich gerade passiert. Von einem winzigen Callcenter in die grelle Welt des Fernsehens - Die Ironie des Schicksals ist nicht zu übersehen ...

 Von einem winzigen Callcenter in die grelle Welt des Fernsehens - Die Ironie des Schicksals ist nicht zu übersehen

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