25. Kapitel: Aufgeben?

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Die erdrückende Schwere der Macht des Einen lastete auf Aminas Willenskraft und Vernunft schwerer als eine Festung aus Granit. Jeder Tag brachte einen weiteren Riss mit sich, aber Amina biss nur die Zähne zusammen. Jeden Tag versuchte er von neuem, sie zu unterwerfen. Doch sie wehrte sich. Kämpfte. Jeder Atemzug in Freiheit war ein Triumph und ein Kampf zugleich. Aufgeben kam jedoch nicht einmal ansatzweise in Frage. Die Sonne ging gerade auf, jedenfalls soweit in Mordor von so etwas wie Sonnenauf- oder -untergängen die Rede sein konnte. Amina spürte das Zittern jedes einzelnen Muskels in ihrem Körper, so sehr forderte der Ring sie heraus. Nein. Ich werde. Nicht. Aufgeben., dachte sie erbittert und spannte die Kiefermuskeln so fest an, dass es schmerzte. Dunkle Tentakeln schlugen nach leuchtendem Silber, das sich erbittert zur Wehr setzte. Mit einem leisen Keuchen senkte die junge Elbin das Kinn und lehnte sich gegen die schwarzen Felsen. Wortlos trat Legolas hinter sie, zog sie an sich und hielt sie fest. In stummer Dankbarkeit schmiegte Amina ihre Wange an seine. Die Finsternis des Einen bäumte sich fauchend auf, knurrend, wurde zu einer Flut aus dunklem Nebel. Aber der schützende Wall aus silber-weiß hielt. Dieses Mal erschienen keine leuchtend blauen Risse. Ein leises Lächeln verzog Aminas Mundwinkel und sie schleuderte dem Ring und Sauron ein telepathisches Ich bin noch da! entgegen. Saurons Auge richtete sich auf sie, die rot-orange Spur zog sich dabei durch die Luft, der Ring zog seine Dunkelheit zusammen, offenbar bereit, sie vorzuschnellen zu lassen. Ja, bist du., schnurrte Sauron. Nur... wie lange noch? Die junge Elbin hob die Augenbrauen millimeterweise. Lange genug., antwortete sie sanft. Lange genug, um dich zu zerstören. Sauron lachte, orangene Blitze zuckten durch die finsteren Wellen des Ringes - er war zornig. Amina rührte das nicht im Geringsten. Sie seufzte, machte sich sanft von Legolas los und sagte: "Gib mir zwei Minuten." Erst, nachdem er genickt hatte und aus ihrem Blickfeld verschwunden war, erhob sie die Stimme wieder. Leise singend.

"Gripping with my cold hands
The shapes I used to take
Hollow like a straw man
But it's easier to push away

'Cause it could all end here
With a strange daylight caught in our eyes
And my shadow stretching out
Through all the things I left behind

It's in my blood and it's in my veins
It's in my blood and it's in my veins

Got my heel crushing the snake
There is nothing you can take
In my blood, it's in my veins
I'm still here

Maybe it's a far stretch
That I won't come undone
But I would brave the cold edge
To finish up what I've begun

'Cause it could all end here
With a strange daylight caught in our eyes
And my shadow stretching out
Is it all enough this time?
I'm still here

All my reasons cut like knives
Keep replaying in my mind
All the times I've had to fight
I'm still here

It's in my blood and it's in my veins

I'm still here
Got my heel crushing the snake
There is nothing you can take
In my blood, it's in my veins
I'm still here
And I'm still here
I'm still..."

Sie endete, lächelte und ließ Sauron und seinen Ring telepathisch wissen: Ihr werdet es nie verstehen, nicht wahr? Die Macht dessen, was sich 'guter Wille' und 'Aufopferungsbereitschaft' nennt. Wieder lachte Sauron. Das Wort 'Macht' verstehe ich sehr wohl, Ringträgerin., erwiderte er. Ja, das ist mir vollkommen klar., gab die junge Elbin gelassen zurück. Wegen Morgoth. Sauron schwieg einen Moment lang, sie sah die Schatten der Bilder, an die sein Geist dachte.
Morgoth auf seinem Thron.
Morgoth mit gezogenem Schwert.
Morgoth in seiner ganzen Schrecklichkeit als dunkler König.
Morgoth lächelnd, mit blitzenden, dunklen Augen.
Morgoth schreiend, als ihn Manwe in die Leere stieß, aus der es kein Entkommen gab.
Morgoth in blutbespritzter Rüstung nach einer Schlacht.
Morgoth der lachend den Kopf zurückwarf. "Oh, Ron... Das ist...!"
Du hast es begriffen, Ringträgerin., knurrte der dunkle Fürst nun. Für Morgoth. Er hätte der dunkle König sein sollen und er wird es werden. An dem Tag, an dem der Eine und ich wieder vereint werden. Ein spöttisches Lächeln zuckte um Aminas Lippen. Das wird nie passieren. Denn... Ich bin noch da. Sauron schnaubte. Wir werden sehen, Ringträgerin, Tochter der Eminel und des Lamilas. Zur Antwort verdrehte sie die Augen. Nazgûl hinter mir herjagen, den Einen auf mich hetzen, Drohungen aussprechen, herkommen und von Sil'ans Licht verjagt werden, das kannst du gut. Sonst noch etwas? Orangene Blitze zuckten durch die flammende Iris. Der dunkle Fürst kochte vor Wut. Aber seine einzige Reaktion war, dass er seine Gedankenbänder zurückriss. Amina machte sich im Geiste eine Notiz des Triumphes. Viel mehr, Ringträgerin., fauchte da Sauron und ließ ein weiteres, dunkles Lachen durch ihre Gedanken hallen. Das wirst du sehen, falls du eines Tages nach Minas Tirith kommen solltest. Deine Freunde hatten tapfer gekämpft... Blankes Entsetzen schnürte Amina die Kehle zu und sie erwiderte nichts. Der Sieg löste sich in Luft auf. Die anderen... Aragorn, Gimli, Boromir... tot? Nein. "Nein.", zischte sie, riss sich regelrecht die Kette samt Ring herunter und funkelte den Einen hasserfüllt an. Alles in ihr schrie danach, ihn gegen die Felsen zu schmettern, bis er in tausende Stücke zersprungen war. Nur würde er das nicht. Also ließ sie es sein, legte sich die Kette wieder um und biss die Zähne so fest aufeinander, dass sich der Schmerz bis zu ihren Wangenknochen hinauf zog. "Was ist?", fragte Legolas hinter ihr. Sie schluckte und hob das Kinn. "Sauron hat gesagt, die anderen sind tot.", sie atmete lange aus. "Ich weiß, dass er lügen kann. Vielleicht, wahrscheinlich, tut er es sogar. Aber schon allein die Vorstellung, dass die anderen tot sind... meinetwegen...", sie schüttelte den Kopf und schluckte noch einmal. "Ich habe schon Gandalf umgebracht, in dem ich entschied, durch die Minen von Moria zu gehen. Wenn es jetzt auch noch die anderen wären...", bebend atmete sie ein, ein leises Schluchzen machte jeden ihrer Atemzüge zittrig. "Das könnte ich nicht ertragen." "Aber Amina! Du hast doch Gandalf nicht umgebracht!", widersprach der Elbenprinz, hörbar erschrocken. Ein sachtes, bitteres Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. "Ach nein?", hakte sie nach und drehte ihm den Kopf zu. "Er sagte, dass nun die Ringträgerin entscheiden sollte. Nun, und ich habe entschieden, durch die Minen von Moria zu gehen. Hätte ich anders entschieden... dann wäre Gandalf noch da." "Dir sollte aber klar sein", Legolas kam zu ihr und schlang die Arme von hinten um ihre Schultern "wenn wir auf dem Pass geblieben wären, so wären wir inzwischen vermutlich alle tot. Der Balrog war etwas, dass Gandalf bekämpfen konnte, auch wenn sie sich schlussendlich ebenbürtig waren. Doch Saruman, der aus dem Schutz der sicheren Entfernung Isengarts Zauber spricht... Wie hätten wir ihn außer Gefecht setzen sollen?" Amina seufzte. "Gar nicht. Aber... ich habe ihn umgebracht, Legolas! Umgebracht! Wenn ich es doch wenigstens versucht hätte - meine Elbenmagie einzusetzen, dann...", sie beendete den Satz nicht. "Hör auf.", flüsterte er und strich ihr über die Wange. "Es wird nichts ändern, wenn du dich selbst dafür hasst wie andere Sauron." Da musste Amina ihm widerstrebend recht geben. "Ich werde es versuchen.", sagte sie darum. "Nur... Versprich mir eines." Fragend neigte er sich über ihre Schulter und blickte sie von der Seite mit seinen blaugrauen Augen an. "Alles.", murmelte er, sein Atem strich über ihre Wangen. Die junge Elbin biss sich auf die Lippen und schluckte. "Dass du mich trotzdem liebst. Egal, was der Ring tut." Fast hätte sie gesagt 'Egal, was ich tue', aber das wäre dann doch zu dramatisch gewesen und so schluckte sie diesen Satz mitsamt ihrer Tränen hinunter. "Natürlich. Das weißt du doch.", versicherte Legolas ihr nun. "Was der Ring tut... ist der Ring. Was du tust, bist du. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge." Das stimmte. "Ja. Du hast recht.", erwiderte sie leise. "Die anderen sind nicht tot. Glaube mir, dass sind sie nicht.", fuhr der Prinz der Waldelben fort. Amina verzog die Lippen. "Und woher", hakte sie nach "willst du das wissen?" Er lächelte und gab ihr die gleiche Antwort, wie sie es getan hatte, als sie die Nazgûl benutzt hatte, um das Schwarze Tor zu überwinden: "Vertrau mir." Zweifellos, das tat Amina. Die junge Elbin war zu dem Schluss gekommen, dass sie auf gewisse Weise jedem ihrer Gefährten vertraute. Aber wenn sie jemandem vor allen anderen vertraute, dann Legolas. Also nickte sie und spürte, wie ihre Entschlossenheit zurückkam. "Das tue ich.", versicherte sie ihm und hob das Kinn. "Gehen wir weiter. Mittelerde braucht uns."

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt