23. Kapitel: Wahn und Illusion

35 4 20
                                    

Nein. Nein. Oh nein. Oh doch.
Der Schicksalsberg spie Feuer. Die rot glühende Lava fiel genauso leuchtend zu Boden. Doch plötzlich... schien es, als würde sie etwas in der Luft halten. Die einzelnen Brocken, Kleckse und was Lava sonst noch so bilden konnte, formierten sich.
Zu einem Kreis.
Das rot-orange Glühen verging. Wurde zu gold.
Nein. Nein. Oh nein. Oh doch.
Es war kein Kreis. Es war ein Ring. Nicht irgendeiner. Der Eine.
Saurons Auge zeichnete eine lodernde, schwach orange-gold leuchtende Spur in die Luft, als es sich auf das Abbild des Einen richtete.
Schatz. Schatz. Oh, mein Schatzzzzzzz...
Die Nazgûl kreischten, ihre finsteren Drachen schlugen mit den Flügeln und warfen mit einem ähnlich schrillem Gekreisch die Köpfe zurück, bleckten die scharfen Zähne. Die Welten erzitterten, die Mauern der Hohen Hallen Valinors, die Mauern Valmas bebten.
Meister. Meister. Oh, mein Meisssssssster...
Der Eine gierte nach seinem Herren. Er rief ihn. Lasst mich nicht. Nicht dieses Mal. Meister. Meister. Oh mein, Meisssssssster...
Aber das Schlimmste war, dass Sauron tatsächlich Antwort gab. Schatz. Schatz. Oh, mein Schatzzzzzzz. Komm zu mir. Komm.
Und der Eine bäumte sich auf, seine Dunkelheit verteilte sich wie Wellen, die Nazgûl kreischten, die Welten erbebten. Morgoth, gefangen auf ewig in der Leere, hob den Kopf. Ein geisterhaftes Lächeln verzerrte seine blassen Lippen. "Sauron. Mein Lehrling. Mein Schüler. Mein Krieger. Mein Stellverterter.", flüsterte er schwach. Sauron ließ die Bänder seiner Dunkelheit durch jede Dimension zucken, durch die erste. Die zweite. Die dritte. Die vierte. Die fünfte. Die sechste. Die siebte. Die achte. Doch er fand seinen Meister nicht. Er rief ihn. Doch er hörte ihn nicht. Aber sein Ring, der Eine, der zwanzigste Ring der Macht, hörte ihn. Haltet ein, Meister. Wenn der Tag kommt, da wir wieder eins sind, Meister, werden wir den Großmeister wiederfinden. Geduld, Meister. Sauron bebte vor Ungeduld, es dürstete ihn nach Macht, dem Einen Ring und Morgoth. Seinem Lehrer und Mentor. Wir werden ihn finden und zurückholen. Versprach der Eine Ring. Das werden wir, Meister. Sorgt Euch nicht. Denn ich bin der Zwanzigste und meine Macht ist nicht zu brechen. Sauron ließ sein rotes Auge über Gondor, Rohan, den Erebor und Mordor schweifen. Suchte den Einen. Fand ihn. Golden glitzernd an einer feinen Kette aus Silber. Schatz. Schnurrte er. Schatz. Oh, mein Schatzzzzzzzzzzz. Der Ring streckte die Tentakeln seiner Dunkelheit, verflocht sie mit Saurons Gedankenbändern. Meister. Erwiderte der Eine. Meister. Oh, mein Meissssssssster. Zu lange trennte die Zeit unsere Geister. Morgoth, gefangen auf ewig in der Leere, brach in irres Gelächter aus. "Ron!", stieß er hervor. "Oh, Ron! Das ist..." Er lachte und lachte. Bis Manwe zu ihm hinabstieg. "Schweige still, Melkor!", herrschte er ihn an. Morgoth kicherte. "Du weißt genau, welchen Namen Feanor mir gab.", schnurrte er, strich sich das strähnige Haar zurück und grinste. "Du wagst es nur nicht, ihn auszuspre-" Eine unsichtbare Mauer verwehrte ihm, fortzufahren. Manwe senkte mit einem kleinen Lächeln das Kinn. "Bezichtige mich niemals wieder etwas, das auf dich selbst zutrifft, Bruder.", sagte er sanft und ging. Morgoth fauchte, der Bann der Stille brach, sobald Manwe verschwunden war. Morgoth tobte. Aber er war in der Leere. Nichts konnte er tun. "Sauron!", schrie er. "Sauron, mein Lehrling, hörst du mich?!" Doch Sauron hörte ihn nicht. Saurons Auge ruhte auf dem Ring, der Ring konzentrierte seine Dunkelheit auf ihn. Meister. Schnurrte er träge. Oh, mein Meisssster. Was habe ich mich nach Euch verzehrt. Dreitausendfünfhundert Jahre lang. Bis Ihr mich endlich riefet. Sauron ließ die Bänder seiner Dunkelheit erneut alle acht Dimensionen absuchen, die er erreichen konnte. Es sind mehr als diese acht, mein Schatz. Viel mehr. Ich vermag nicht, sie alle zu sehen. Ich bin nun einmal ein Maiar, kein Valar. Der Eine brach in Gelächter aus. Dafür habt Ihr mich, Meister. Nach unserer Wiedervereinung wird meine Macht keine Grenzen mehr kennen. Anderen raubt die Zeit ihre Kraft. Mich hingegen macht sie stärker. Sauron stieß ein kurzes, raues Lachen aus. Das ist wahr, mein Schatz. Sagte er. Wenn der Tag kommt, da wir wieder vereint sind. Fuhr er fort. Der Eine ließ seine Dunkelheit wie eine stärkende Welle fließen. Der Tag wird kommen. Antwortete er. Seine Finsternis flutete die Luft, ließ sie schwer und feucht werden mit dem Nebel der Bösartigkeit. Denn ich bin der Eine. Sauron ließ zu, dass sich sein Auge zwischen den Spitzen Barad-dûrs herauslöste und sich in das Abbild des Einen einfügte, das immer noch über dem Schicksalsberge schwebte. Und ich bin der Dunkle König. Morgoth, gefangen auf ewig in der Leere, legte müde den Kopf in den Nacken. "Wenn du wüsstest... Oh, Ron.", murmelte er und schüttelte seufzend den Kopf, bevor er sich wieder zusammenkauerte und den Kopf zwischen den Knien vergrub. Die Nazgûl flogen über Mittelerde. Die schwarzen Schwingen ihrer dunklen Drachen verdeckten die Sonne, die Menschen rannten schreiend davon. Die Orks wetzten ihre Klingen und tränkten den Boden mit rotem Blut. Menschenblut. Schreie hallten durch Mittelerde. Es ging um Freiheit oder Sklaverei, Tod oder Leben.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt