22. Kapitel: Da waren's nur noch acht

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Natürlich war die Macht des Einen wieder zurückgekehrt. Natürlich. Amina hätte es wissen müssen. Der Ring verdunkelte ihre Gedanken, ihre Seele, er ließ seinen Wahnsinn in ihren Verstand fließen und zumeist konnte sie sich nicht dagegen wehren. Aber dennoch war da immer auch ein winziger Teil von ihr, der einigermaßen vernünftig blieb, denn immerhin war sie noch in der Lage, ihre Schritt weiterhin in Richtung Schicksalsberg zu lenken. Das war wenigstens eine Sache, die der Eine Ring nicht zerstören konnte. "Wir wissen, wie es ist.", schnurrte Sméagol neben ihr. "Wenn der Schatz wieder böse ist." Ohne stehenzubleiben blickte er zu ihr hoch. "Dann wird er schwer und garstig, nicht?" Amina neigte das Kinn und erwiderte seinen Blick. "Ja.", sagte sie. "Stimmt." Die blauen Augen blitzten auf, aber er schwieg und bog scharf nach links ab. "Kommt, Herrin. Hier lang.", verkündete er dann. Sie folgte ihm und streckte währenddessen ihre Gedanken nach Saurons aus, trieb die silbernen Funken ihrer telepathischen Macht durch die Finsternis, die der Eine um ihren Verstand gelegt hatte. Unangekündigt. Mitten in Saurons Gedanken. Fauchend schlug der dunkle Fürst mit seinen Gedankenbändern nach ihr, versuchte, die Bilder abzuhalten, die die junge Elbin nun sah:

Morgoth geht mit düsterer Miene in seinem Thronsaal auf und ab, wie seit einer Weile üblich, leicht hinkend durch das Schwert Fingolfins. In seiner eisernen Krone ruhen wie immer die drei Silmaril, die er den Elben vor tausenden von Jahren gestohlen hatte. Sauron tritt ein und verbeugt sich, heute in der Gestalt eines schwarzhaarigen Menschen. "Meister.", begrüßt er Morgoth. Der finstere Vala bleibt stehen und mustert seinen treusten Diener einen Moment lang schweigend. "Sauron.", sagt er dann endlich, geht zu seinem Thron, lässt sich nieder und bedeutet dem abtrünnigen Maia, zu ihm zu kommen. "Was gibt es? Hast du schlechte Nachrichten für mich?" Sauron schüttelt den Kopf. "Nein, Meister. Die Orks schaffen es vermutlich, die Elben zurückzudrängen.", Verachtung huscht über sein menschliches Gesicht. "Die Menschen sind davongelaufen." Morgoths nach wie vor düstere Miene erhellt sich minimal. "Gut.", stellt er fest und stützt das Kinn in eine Hand, den Ellenbogen auf die Armlehnen des Thrones. Unmerkliche Irritation flackert in Saurons Augen. "Meister?", er weicht einen Schritt zurück. "Ist etwas nicht zu Eurer Zufriedenheit?" Daraufhin sieht Morgoth in lange ohne ein Wort an. Doch schließlich verzieht er die Mundwinkel und erwidert: "Solange das Haus Fingolfins nicht ausgerottet und das Blut sämtlicher seiner Verwandten den Boden tränkt, werde ich nicht zufrieden sein." Ein Schatten fällt über Saurons Züge. Hass. "Das verstehe ich vollkommen, Meister. Soll ich den Truppen Verstärkung schicken, damit sie schneller vorankommen? Mehr töten?" Ein Grinsen spielt um Morgoths Lippen. "Ja, tu das. Schick so viele wir entbehren können. Ich will sehen, wie die Noldorelben brennen." Sauron verbeugt sich noch einmal und geht. Doch kaum, dass der Flügel der Tür hinter ihm zugefallen ist, kommt er wieder. Die Ruhe ist von seinem Gesicht verflogen. "Meister.", murmelt er und verbeugt sich wieder. Morgoth zieht die Augenbrauen in die Höhe. "Komm her.", befiehlt er Sauron und der stellt sich folgsam an die linke Seite des dunklen Valas. "Was ist los?", will der Dunkle König wissen. Sauron blinzelt, die Ränder seiner momentan menschlichen Gestalt flackern leicht. "Gerade, als ich aus Eurem Thronsaal lief, um unseren Generälen zu sagen, dass sie mehr Soldaten schicken sollen, kam ein Bote und überbrachte eine Nachricht." Angespannt beugt Morgoth sich vor. "Welche, Sauron?", zischt er. "Welche. Nachricht." Der finstere Maia verschränkt die Arme hinter dem Rücken und richtet den Blick zur Decke. "Die... Also... Ein Teil der Menschen ist zurückgekehrt. Nicht alle, aber... Genug, um unsere Stellung zu... gefährden." Morgoths dunkle Augen, die Iris ist fast nicht von der Pupille zu unterscheiden, verengen sich zu Schlitzen. "Worauf wartest du noch?", tobt er. "Geh und schick alle Soldaten, die wir haben! Wir müssen diese Schlacht gewinnen! Geh und wag es ja nicht, mich zu enttäuschen!" Sauron zuckt zusammen, solch harsche Worte ist er nicht von Morgoth gewohnt. Natürlich weiß er, dass der Dunkle König mit niemandem zimperlich umspringt, auch nicht mit seinen Verbündeten, aber dass er, Morgoth, ihn, Sauron, anschreit, ist dem Maia neu. Gekränkt beißt er sich auf die Lippen, senkt den Kopf und nickt. "Bin schon weg.", knirscht er. Morgoth funkelt ihn an. "Das hoffe ich für dich. Komm erst wieder, wenn all unsere Truppen entsendet sind." Auf diesen Befehl hin weiten sich Saurons, für den Moment blaue, Augen. Doch er stellt keine Fragen, um Morgoth nicht noch mehr zu reizen. "Natürlich, Meister.", sagt er nur, verbeugt sich ein weiteres Mal und eilt davon, um den Befehl seines Herren auszuführen.
Zwei Stunden später, nachdem sämtliche Truppen Angbands ausgerückt und unterwegs zur Schlacht im Westen sind, kehrt Sauron in den Thronsaal der dunklen, unterirdischen Festung zurück, um seinem Meister und Vorbild Bericht zu erstatten. Immer noch gekränkt davon, dass Morgoth ausgerechnet gegen ihn, seinen treusten Diener, die Stimme erhoben hat, verneigt er sich kurz, hält den Blick zu Boden gerichtet und sagt kurzangebunden: "Alle Truppen sind unterwegs. Eine Niederlage ist nun vollkommen unmöglich." "Sehr gut.", knurrt Morgoth und rückt seine eiserne Krone mit den glühenden Silmaril zurecht. Sie lastet schwer auf ihm, doch die drei Steine Feanors sind ihm zu teuer, um die Krone abzulegen. "Dann ist mein Dienst getan.", Sauron wirft fast trotzig das Kinn hoch. "Ich gehe." Dazu schweigt der Dunkle König und facht somit die Kränkung des abtrünnigen Maias nur noch weiter an. In trotziges Schweigen gehüllt geht Sauron zu der Flügeltür zurück. "Sauron?", erklingt da Morgoths Frage. Sauron bleibt stehen, wenn auch, ohne sich umzudrehen. "Ja?", gibt er frostig zurück. "Sieh deinen König an, Sauron.", verlangt Morgoth. Zähneknirschend wendet der Maia sich um und sieht den finsteren Vala an. "So?", will er wissen. Zur Antwort verdreht Morgoth die Augen. Er lehnt sich in seinem Thron zurück. "Komm mal her.", kommandiert er. Jetzt verdreht Sauron die Augen, wenn auch ganz heimlich. Missmutig tut er, wie ihm befohlen und bleibt neben Morgoths Thron stehen. "Hier bin ich.", murmelt er. Der Dunkle König bedenkt ihn mit einem undefinierbaren Blick. "Du bist mein Stellvertreter.", erwidert er schließlich. "Du wirst mein Reich führen, falls ich aus irgendwelchen Gründen dazu nicht mehr in der Lage sein sollte, Sauron. Dir traue ich das zu. Weil du ein Maia bist." Immer noch verstimmt spannt Sauron die Kiefermuskeln an. "Nur deswegen?", fragt er, auch wenn ihm klar ist, dass ihn dieses Verhalten gegenüber Morgoth umbringen kann. "Nein. Auch, weil du du bist, Ron.", antwortet Morgoth gelassen. Sauron blinzelt und sieht seinen Meister an. Der erwidert seinen Blick. "Diese Schlacht ist sehr wichtig für uns. Wenn wir sie gewinnen, sind wir unserem Ziel, ganz Mittelerde zu beherrschen, ein gutes Stück näher. Und von Mittelerde nach Valinor und damit Valmar ist es dann auch nicht mehr weit.", fährt der Dunkle König fort und lässt ein seltenes Lächeln aufblitzen. "Ich werde der König und du mein Stellvertreter sein. Darum mache dir keine Sorgen, Ron." Seine Stimme ist eine Nuance sanfter als sonst. "Jetzt geh und grolle mir nicht länger. Krieg verlangt harte Entscheidungen und ebenso harte Worte." Deutlich besänftigt senkt Sauron kurz zustimmend den Kopf und geht aus dem Thronsaal. Morgoths dunkler Blick ruht auf ihm, bis der abtrünnige Maia den Raum verlassen hat.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt