26. Kapitel: Mentale Schlacht

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Der ganze Tag war düster, Aminas Schritte waren zittrig. Schließlich schwand ihre Kraft und sie fiel fast auf die Knie, doch Legolas war schnell genug und fing sie ab. "Amina.", flüsterte er, Schreck schwang in seiner Stimme mit. "Komm her." Behutsam zog er sie hoch und presste sie an sich. "Der Ring...", flüsterte die junge Elbin. "Ich weiß nicht... was er tut... er...", mühsam rang sie nach Atem. "Ich glaube, er...", sie schloss die Augen. "Amina! Nein... Bleib bei mir.", sie spürte seine Finger an ihrer Wange, sein Atem auf ihrer Stirn. "Ich kann nicht.", mühsam blinzelte sie, öffnete die Augen einen Spalt um zwischen ihren Wimpern hindurchzuspähen. "Ich glaube... er will... Sauron will... ein Duell mit mir." "Schon wieder?", fragte der Elbenprinz. Amina lachte schwach. "Ja.", sie verzog das Gesicht und presste eine Hand auf den Ring. Er war inzwischen schwerer als ein Felsblock. "Er scheint ganz wild darauf zu sein... sich mit mir zu messen." Sie sammelte den Rest ihrer Kraft zusammen und öffnete die Augen wieder. "Vielleicht, weil... er es sich nicht erklären kann... dass ich meinen Verstand... wieder zusammensetzen konnte." "Das kann keiner, oder?", fragte er leise und zog sie näher zu sich. Wieder lachte die junge Elbin schwach. "Nein. Ich auch nicht. Aber... Wenn Sauron eine... mentale Schlacht mit mir will, dann... dann soll er sie haben." Schaudernd atmete sie ein und aus. Legolas' blaugraue Augen verdunkelten sich. "Das ist jetzt hoffentlich nicht dein Ernst, meleth nîn.", sagte er. Sie lächelte und ließ ihre Augen flackernd wieder zu fallen. "Oh, mach dir keine Sorgen.", wisperte sie. "Mein Geist ist stärker als mein Körper." In den folgenden Sekunden konnte sie fast schon spüren, wie er die Augenbrauen hochzog. "Ohne an dir zweifeln zu wollen, Amina: Bist du dir da auch sicher?" Amina seufzte. "Ja. Ich habe es bisher nicht gewagt, dass volle Potential meiner telepathischen Fähigkeiten auszuschöpfen, aber... damit wird nun Schluss sein.", sachte schüttelte sie den Kopf und holte keuchend Luft. "Der dunkle Fürst will eine mentale Schlacht mit mir? Bitte, kann er haben." Der Ring - besser gesagt seine Dunkelheit - tigerte vor Aminas silber-weißem Schutzschild auf und ab wie ein gefangenes Tier, die ersten Ausläufer von Saurons dunklen Gedankenbändern flatterten in ihre Gedanken. Ein letztes Mal, bevor sie all ihre Kraft auf ihre Telepathie konzentrierte, blinzelte Amina um Legolas anzusehen. "Vertrau mir.", hauchte sie. Der Widerstreit von Gefühlen sprach aus seinem Blick, aber schließlich nickte er. "Tue ich. Nur... Wenn es mir zu lange dauert dann... werde ich nachsehen, was los ist." Amina nickte, sie verstand. "Ist vielleicht besser so. Ich lasse dir einen Gang offen. Nur in mein Unterbewusstsein wirst du dich vorkämpfen müssen.", sie atmete tief ein. "Kleine Warnung zum Schluss: Dort ist es ziemlich düster und ziemlich kalt. Und ziemlich hoffnungslos." Der Prinz der Waldelben neigte den Kopf zu einer Seite. "Wird schon schiefgehen.", antwortete er. Sie grinste ein bisschen. "Klar." Dann schloss sie die Augen und ließ ihr bewusstes Bewusstsein los, um in den Tiefen ihrer selbst zu verschwinden. Denn nur dort fühlte sie sich sicher genug, um Sauron und seinem Ring die Stirn zu bieten. Die nasse, hoffnungslose Kälte strich über ihre Gedanken, erkannte sie aber als die 'Besitzerin' ihres Unterbewusstseins und ließ sie darum widerstandslos durch. Amina war schon ewig nicht mehr 'hier unten' gewesen. In dem tiefen Blau wirbelten Schlieren aus rot-braun, gelb, weiß und grün. Sil'an? Wirst du mir beistehen?, fragte sie. In dem Durcheinander aus Farben und wogenden Emotionen aller Sorten bildete sich ein leuchtender Punkt, der Strahlen aus weiß-bläulichem Licht verströmte. "Ja. Jederzeit, meine Wächterin." Dass ihr Stern in ihrem Unterbewusstsein eine wirkliche Stimme hatte, fand sie unglaublich. Und dann klang diese auch noch so jung! "Für einen Stern bin ich mit ungefähr 11 000 Jahren auch nicht alt.", erwiderte Sil'an. Achso. Er konnte jeden ihrer Gedanken hören. "Kann ich.", bestätigte der Stern des Nordens. Amina gab sich rasch einen Avatar, der ihrem wirklichen Aussehen bis aufs Haar glich. Dann nutzte sie einen weiteren Teil ihrere telepathischen Macht und formte aus ihrer Umgebung eine nächtliche Wiese mit wolkenlosem Himmel. Aber ohne Mond und andere Sterne. Der einzige war Sil'an, der ihre Gestalt nun in sein Licht hüllte. "Lange werden die beiden nicht auf sich warten lassen.", sinnierte Amina. Sil'an lachte. Es klang wie flüssiges Licht, das leise über Steine fließt. "Das ist wahr. Allzu lange werden wir nicht warten müssen." Nur Atemzüge, nachdem der Stern gesprochen hatte, fraß sich Dunkelheit von Osten her über den Nachthimmel, wurde zu Schlieren, in denen glatte Bänder zuckten. Dann flammte inmitten dieser Dunkelheit ein Auge auf. Lidlos, mit einer geschlitzten Pupille. "Ringträgerin." Es waren zwei Stimmen, vereint zu einer, die sprachen. Amina legte den Kopf schräg, Sil'ans weiß-bläuliches Licht fing sich in ihrer silbernen Sternensträhne. "Sauron. Und der Eine.", antwortete sie und verspürte zu ihrer eigenen Überraschung keine Angst. "Was ist euer Begehr, dass ihr es wagt, in mein Unterbewusstsein zu kommen?" Sauron/der Eine lachte. "Das, was wir immer wollen. Herrschen. Unterwerfen." "Nicht mich.", erwiderte Amina und ließ die Illusion zersplittern. Goldene Fetzen flogen umher und als Sauron/der Eine mit der neuen Mischung aus Gedankenbändern und Tentakeln nach ihnen schlug, glühten sie rot auf und Sauron/der Eine zuckte zurück. Die junge Elbin ließ ihren Avatar zerfließen, ihr Unterbewusstsein wurde wieder dunkelblau mit tausenden und aber tausenden von Farbwirbeln und ungezähmten Wellen von Emotionen, die als Pünktchen in allen möglichen Farben umherschwirrten. "Du hast hier keine Macht, Schatten aus Mordor. Nicht hier. Das hier ist mein Reich.", nun, da sie ihre Gestalt aufgelöst hatte, kam ihre Stimme von überall und nirgendwo zugleich. Gereizt schlug Sauron/der Eine mit den Gedankenbändern-Tentakeln um sich, fischte aber im Trüben. Sil'an lachte sein klares Sternen-Lachen. "Sauron, alter Freund.", schnurrte er. "Wie absolut reizend, dich wieder zu sehen." Sauron/der Eine ließ ein sehr tiefes, sehr bedrohliches Knurren hören. "Schweig." Der Stern, ein heller Fleck in dem Wirbel aus Farben, kicherte. "Du hast hier keine Macht." "Du wirst sie niemals haben.", flüsterzischte Amina und rief ihre silbernen Funken in ihr Unterbewusstsein. Wie eine riesige Welle erhoben die sich glitzernd und hell gegen den dunklen Hintergrund ihres Unterbewusstseins. Sauron/der Eine fauchte. "Du bist gestaltlos. Machtlos.", fuhr Amina fort. "Ich habe eine Gestalt!", fuhr Sauron/der Eine sie an. Amina lachte und zum ersten Mal seit Monaten war es wieder ein wahres Elben-Lachen. Glockenhell und klar. "Ja, die hast du, Lehrling Morgoths. Aber du kannst sie hier nicht annehmen." Wieder fauchte Sauron/der Eine. "Ich bin ein Maia, ein Halbgott! Und du nur eine Elbin!" "Nur?", spottete sie. "Nur, Maia, der du auf finsteren Pfaden wandelst? Ich bin eine Elbin, das ist wahr. Ein erstes Kind Ilúvatars, ein Kind des Lichts." Sauron/der Eine stieß ein verächtliches Schnauben aus. Dann begann seine Gestalt sich zu wandeln, ein Teil der dunklen Schlieren wurde zu jener großen Gestalt des dunklen Fürsten, ein anderer zu etwas kleinem, goldenem an seinem Finger. Doch noch bevor sich alle Schlieren einordnen und festigen konnten, lösten sie sich wieder aus ihrer festen Gestalt. Mit einem gereizten Zischen versuchte Sauron/der Eine es noch einmal. Wieder funktionierte es nicht und nachdem es auch ein drittes Mal nicht geklappt hatte, versuchte er es nicht noch einmal. Amüsiert sah Amina ihm zu, Sil'ans Licht kitztelte ein bisschen in ihrem Unterbewusstsein. "Was hast du denn, dunkler Fürst?", fragte sie spöttelnd. "Ich denke, du bist ein Maia, ein Halbgott und ich nur eine Elbin?" "Sei bloß still!", fauchte Sauron/der Eine und orange-rote Blitze zuckten durch die dunklen Schlieren. "Sonst zerbreche ich dich." Sil'an begann wieder zu lachen und wenn Amina das in ihrem Unterbewusstsein gekonnt hätte, so hätte sie gelächelt. Da dies aber nicht ging, sagte sie stattdessen erheitert: "Ach ja? So, wie der Eine mich zerbrochen hat und ich mich wieder zusammengesetzt habe?" Die einzige Antwort war ein weiteres Knurren. "Schon ein Rätsel, nicht wahr, dunkler Fürst?", fuhr die junge Elbin gut gelaunt fort und ließ einige goldene Splitter mit ihren silbernen Funken zu einer silber-goldenen Flüssigkeit verschmelzen, die nun in sanften Wellen, von ihrem Willen gezähmt, durch ihr Unterbewusstsein floss. Sauron/der Eine wand seine Gedankenbändern-Tentakeln in sichtlicher Abscheu. "In der Tat, ein Rätsel, Ringträgerin.", erwiderte er dann. Amina schnaubte. "Genug gespielt. Mir wird langweilig.", ließ sie Sauron wissen. Sil'an würde sich bereithalten müssen. Denn gleich würde es spannend werden. "Verstanden, meine Wächterin.", antwortete der Stern des Nordens. Amina konnte Saurons/der Eine Verwirrung regelrecht fühlen. Sie beachtete es jedoch nicht weiter, wand die silber-goldene Flüssigkeit in einer Spirale um sich selbst, die zum Ende hin spitz zulief. Dann ließ sie diesen schwerelosen Speer mit der Spitze voran zu Boden rasen. Spritzend traf er auf das tiefe Samtblau, das in tausende Splitter zerbrach, die kurz in der Schwebe verharrten, bevor sie sich wieder zusammensetzten. Dieses Mal jedoch in schwarz. Denn Amina wob eine Illusion. Was der Eine konnte, konnte sie auch. Nicht umsonst setzte sie die telepathischen Fähigkeiten der Elben zum Kämpfen ein. Ein Moment verging, in der Sauron/der Eine sichtlich irritiert mit seinen Gedankenbändern-Tentakeln die neue Umgebung abtastete. Jetzt war ein Flüstern zu hören: "Ron?" Sauron/der Eine fror mitten in der Bewegung ein. "Meister?", wisperte er. Die Schatten bewegten sich und ein Abbild Morgoths trat aus der Dunkelheit. "Ron.", sagte er noch einmal. Die dunklen Schlieren erzitterten. "Meister... Wie seid Ihr..." "Ich bin ein Vala, Ron. Ich vermag vieles.", Morgoths Abbildung strich sich die langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht, über das sich vier Narben zogen. "Ja. Ja, natürlich, Meister. Wie konnte ich... Verzeiht.", jetzt sprach Sauron/der Eine hastig. Amina triumphierte. Jetzt kam der grausame Part - zumindest für Sauron. Morgoths Abbild wurde blasser. "Ron..." "Meister? Meister, nicht... Geht nicht... Meister?!" Morgoths Abbild war nur noch ein Hauch in Aminas Unterbewusstsein. "Ron... Du-", seine Worte erstarben, es verblasste. Sauron/der Eine schrie auf. "NEIN! MEISTER! OH, MEIN MEISTER!" Amina ließ ihren Geist ein Lachen nachahmen. Die schwarzen Schlieren verwandelten sich in einen wahren Wirbelsturm von orange-roten Blitzen. "Du hast meinen Meister gestohlen!", kreischte Sauron/der Eine. Sil'an lachte wieder, Amina stimmte ein. "Er war nie hier.", sagte sie dann. "Es war nur eine Illusion." Ihr letztes Wort ließ sie in ihrem Unterbewusstsein nachhallen, mit einem endlosen Echo. Sauron/der Eine schrie wieder, ein grauenhafter Schrei, als habe ihm jemand ein Schwert zwischen die Rippen gerammt. "MEISTER!" Noch während er schrie, Schlieren aus rot-orange in dem Schwarz wirbelten, bereitete Amina sich auf ihr Meisterstück vor. Nämlich darauf, ihren Willen mit Saurons zu messen. Sie wusste, dass der Ring jedem gehorchte, der einen stärkeren Willen hatte, als sein Herr. Also gut. Es wurde Zeit, etwas auszuprobieren. Splitternd zerriss sie die Reste der Illusion, so dass die Finsternis von Sauron/der Eine nun in einer hellgrauen Leere schwebte. "Was wird das denn jetzt, Ringträgerin?", Saurons/der Eine Stimme war heiser vor Zorn. Amina gab sich wieder einen Avatar. Und lächelte. "Ein Test.", erwiderte sie wahrheitsgemäß. In der Dunkelheit bildete sich wieder das flammende Auge, es richtete die geschlitzte Pupille auf sie. "Ein Test? Für was, Ringträgerin?", knurrte Sauron/der Eine. Sie lächelte nur. "Ihr werdet sehen.", sagte sie schlicht und ließ ihre silbernen Funken kommen, Sil'an sandte seine weiß-bläulichen Strahlen hinab, verwob sie mit ihren silbernen Funken. Zu Aminas Erstaunen spaltete sich die Dunkelheit vor ihr, ein Teil blieb ein Wirbel aus Finsternis mit zuckenden Tentakeln - das war der Geist des Einen Ringes, der andere Teil war Saurons Auge, von Flammen umgeben - das war Saurons Geist. Doch die junge Elbin ließ das unkommentiert und konzentrierte sich stattdessen auf das, was sie vorhatte. Ihre silbernen, mit Sil'ans Licht verwebten, Funken wanden sich um sich selbst, wurden mehr, wurden spitzer. Amina rief alles, was sie an Willenskraft und telepathischer Macht zu bieten hatte. Die 'Luft', sofern in einem Unterbewusstsein von Luft die Rede sein kann, hinter ihr und um sie herum flirrte von silbernen Funken, glühte, strahlte Hitze ab. Der Geist des Einen, seine Dunkelheit, kräuselte die Tentakeln, als wäre das unheimlich. "Du bist stärker, als ich dachte, Ringträgerin.", sprach da Saurons Geist. Eigentlich hätte seine Stimme, so tief und allumfassend, ihren Geist erschüttern sollen wie ein Erdbeben. Doch nichts dergleichen geschah. "Du hast mich unterschätzt.", schnurrte Amina und machte einen Schritt zurück, in ihre silbernen Funken, Sil'an wob weitere seiner Lichtstrahlen hinein. Der dunkle Fürst schnaubte. "Ja. Zugegeben. Aber du mich auch." "Ich dich?", spottete Amina. "Warum?" "Ich bin ein Maia!", fauchte Sauron. "Und du nur eine Elbin!" Entnervt seufzte sie. "Das hatten wir schon einmal.", gab sie nur zurück und löste ihren Avatar wieder auf. Dann zog sie all ihre Funken, mit allem Licht, dass Sil'an, der Stern des Nordens, hineingewoben hatte, zu einem einzigen, winzigen Punkt zusammen. "Du hast recht, Sauron.", antwortete sie nun und ließ ihre Stimme hallen. "Du bist ein Maia, ich eine Elbin." Und mit diesen Worten ließ sie ihre silbernen Funken los, die blitzschnell spitz wurden wie ein Speer. Funken spritzend schlugen sie in den Geist des Einen Ringes ein. Der stieß einen gellenden Gedankenschrei aus, Saurons Auge fuhr herum. "Was tust du da?", zischte er. Sie gab keine Antwort, riss einen Teil ihres bewussten Bewusstseins und ihrer Wahrnehmung zu sich und vereinte es mit den Funken. Die Tentakeln der Dunkelheit des Einen zuckten wie in Krämpfen, sein Geist flackerte. Die silbernen Funken, verbunden durch dünne Strahlen von Sil'ans Licht, flirrten um ihn herum. Der Geist des Einen erzitterte. "Meister...", wisperte er. Saurons geschlitzte Pupille richtete sich auf ihn, weitete sich. "Mein Schatz?", es lag tatsächlich so etwas wie Besorgnis oder Angst in seiner telepathischen Stimme. "Ich glaube", der Geist des Einen schlug schwach mit einem Tentakel nach den silbernen Funken "die beiden sind... uns ebenbürtig." Jäh zog sich die dunkle Pupille zusammen. "Was?! Eine Elbin und ein Stern?!", kreischte Saurons Geist. Amina triumphierte. "Sieht ganz so aus, was?", spottete sie. Sauron ließ wieder ein sehr tiefes Knurren hören. "Was hast du getan, du dreckige Elbin?", sein Geist spie die Worte geradezu aus. "Nicht viel.", gab sie gelassen zurück. Die Hitze ihrer Funken wurde zu Flammen, die knisternd die Kälte von Sauron und dem Einen verbrannten. "Verschwindet. Alle beide. Aus meinem Kopf. Jetzt.", verlangte die junge Elbin. Sauron lachte höhnisch, doch der Eine hielt sich bedeckt, da er immer noch unter ihren silbernen Funken, ihrer telepathischen Macht und ihrer Willenskraft, litt, wie seine krampfenden Tentakeln bewiesen. "Sonst was, Elblein?", forderte der dunkle Fürst sie heraus. Aminas Antwort bestand daraus, dass sie die weißen Flammen höher wachsen ließ, bis ihre Hitze für Sauron und den Einen so unerträglich wurde, dass sie zurückwichen. Die silbernen Funken ließen immer noch nicht von dem Geist des Einen ab, umschwirrten ihn wie zornige Wespen. "Sonst", erwiderte Amina nun und ihre Gedankenstimme war dunkel und hatte ein Echo in den Tiefen ihrer selbst "bringe ich euch um." Jetzt lachte Sauron nicht, seine geschlitzte Pupille richtete sich auf den Einen. "Lass ihn gehen und wir gehen.", knirschte er, hörbar widerwillig. Die junge Elbin lachte, ließ das Lachen durch ihr Unterbewusstsein hallen, dann zog sie ihre silbernen Funken zurück, die daraufhin mit dem Feuer verschmolzen und dieses noch größer und noch heißer werden ließen. Zischend richtete Sauron sein Auge darauf. "Dafür wirst du büßen, Ringträgerin!", fauchte er. "Niemand besiegt den Einen und den Dunklen Fürst!" Damit riss er sich und den Einen aus Aminas Unterbewusstsein. Sie ließ die Flammen erlöschen und die Splitter wieder zu Dunkelheit werden, in der Sil'an der einzige Lichtpunkt war. "Das war gut.", sagte der Stern. "Aber auch gefährlich. Du wirst mit der Rache der beiden rechnen müssen." Amina ließ ihren Geist ein verächtliches Ausatmen nachahmen. "Ja. Tue ich. Sie werden mir aber nicht wehtun können." "Das hoffe ich, meine Wächterin.", lautete Sil'ans ernste Erwiderung. "Doch du weißt, dass ich jederzeit bereit bin, an deiner Seite zu sein." Wenn sie das in ihrem Unterbewusstsein gekonnt hätte, hätte sie nun gelächelt. "Ich weiß. Danke, mein Stern." Seine Strahlen strichen sanft durch die Finsternis. "Jederzeit." Mehr Worte mussten nicht gesagt werden und Amina zog sich wieder zurück an die Oberfläche. Zurück zur Realität. Die kalte Nässe glitt harmlos an ihren Gedanken ab, Dunkelheit wurde zu grau, dann zu weiß. Dann blinzelte die junge Elbin.
"Amina?", Legolas' Stimme war nur ein Flüstern, kaum hörbar. "Ja.", sie blinzelte noch einige Male und fokussierte den Blick ihrer grünen Augen auf ihn. Er atmete lange aus. "Großer Manwe, du bist es.", murmelte er dann und strich ihr eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich hatte Angst, dass..." Der Elbenprinz beendete seinen Satz nicht. Sie hob die Augenbrauen und löste sich ein bisschen von ihm (hatte er sie ernsthaft die ganze Zeit festgehalten?). "Der Eine mich wieder unterwirft? Mich noch einmal völlig zerbricht?", fragte sie. "Das war ein Risiko, ja. Aber... ich würde wagen zu behaupten, dass ich mich gut geschlagen habe.", sie lächelte. "Ich habe sie verjagt, alle beide. Sauron und den Einen." Die blaugrauen Augen weiteten sich. "Du hast... gewonnen?", flüsterte Legolas. Zustimmend nickte Amina. "Ja, das kann man so sagen, glaube ich. Dass ich die mentale Schlacht gewonnen habe." "Habe ich schon einmal gesagt, dass du unglaublich bist?", wollte er wissen. Darauf schenkte sie ihm ein halb freches, halb mitfühlendes Grinsen. "Ungefähr so... dreimal." "Nun, wenn das so ist", erwiderte der Prinz der Waldelben des Düsterwaldes "habe ich es jetzt zum vierten Mal festgestellt. Du bist wirklich unglaublich. Und", er grinste ebenfalls ein bisschen "eine absolut ungewöhnliche Elbin." Das entlockte ihr ein Lachen. Glockenhell und klar, ein wahres Elben-Lachen. "Ungewöhnlich zu sein ist meine Berufung.", erwiderte sie. "In jeglicher Hinsicht.", stellte er fest. "In jeglicher Hinsicht, Amina." Halb im Scherz die Augenbrauen hochziehend legte sie den Kopf schräg. "Wie habe ich das zu verstehen?", fragte sie, aber ohne die Schärfe, mit der diese Frage üblicherweise einhergeht. "Soll ich die Liste aufzählen?", entgegnete Legolas. Ihre rechte Augenbraue wanderte noch ein Stück höher. "Welche Liste?" "Die Liste, die ich in meinem Kopf führe.", erklärte der Prinz. "Darin steht alles, was dich ungewöhnlich macht. Und somit alles, weshalb ich dich liebe." Das fand sie irgendwie süß und sie spürte die vertraute Hitze in ihren Wangen. "Du hast darüber also eine Liste, soso.", kommentierte sie und stemmte einen Arm in die Seite. "Und was steht da so?" Er lächelte. "Dass du wunderschön bist und absolut willensstark. Dass du faszinierend bist und eine Aura der Entschlossenheit hast. Dass du mehr Klingen benutzt als alle anderen Elben, die ich kenne. Dass du kein Königreich hast. Dass du... mutig bist. Sehr, Amina." Blinzelnd musterte sie ihn. "Ich muss es sein.", sagte sie leise, nun vollkommen ernst. "Ich bin die Ringträgerin. Wenn ich nicht mutig bin... ist die Hoffnung verloren und das... kann ich Mittelerde nun wirklich nicht antun." Seine blaugrauen Augen glänzten. "Nicht du. Wir. Das können und werden wir Mittelerde nicht antun.", er seufzte, strich ihr über die Wange und lehnte seine Stirn gegen ihre. "Glaube mir, es wird alles gut werden. Wir werden den Einen in die Flammen werfen, Sauron zerstören und Mittelerde retten. Glaube mir nur das." Amina lächelte ein winziges bisschen, ein ernstes Lächeln. "Wenn nicht dir", hauchte sie "wem dann? Wenn ich nicht dir glaube, wem dann?" Es war eine rhetorische Frage und so bedurfte sie keiner Antwort. Aber Legolas gab ihr trotzdem eine, in dem er sie näher zu sich zog und anschließend küsste. Amina erwiderte den Kuss und schloss die Augen. Sie hatte gewonnen. Nur heute, nur diesen einen Kampf. Doch sie hatte gewonnen. Mehr zählte nicht.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt