Epilog

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Valinor war strahlender, als Amina zu träumen gewagt hatte. Viel strahlender. Die Sonne war die gleiche wie in Mittelerde, die Sterne waren die gleichen. Und doch schienen sie heller zu strahlen als je zuvor. "Angekommen, an deinem Ziel, meine Wächterin?", fragte Sil'an, seine Stimme war wie reines Licht. "Ja.", bestätigte sie und schob sich die Haarspange mit seinem Sternensplitter tiefer in ihre silberne Strähne. Nie würde sie vergessen, dass ihr Stern ein Teil seiner selbst geopfert hatte, um dafür zu sorgen, dass sie den Kampf mit Sauron gewinnen und die Trennung von dem Ring überleben konnte. "Hör auf. Das war selbstverständlich.", wehrte sich ihr Stern. "Nein, war es nicht. Es steht nirgends in den Büchern, dass ein Stern so etwas jemals getan hätte." Sil'an lächelte, es war ein Aufblitzen von weiß-blauem Licht, mitten am Tag. "Ich bin nicht wie die anderen Sterne. Hätte deine Mutter mir damals erlaubt, ihr zu helfen... Dann", der Lichtstrahl, den er seit ihrer Ankunft in Valinor beständig auf sie herabsandte, zitterte "wäre sie und vielleicht auch dein Vater noch am Leben." Sachte schüttelte Amina den Kopf. "Sie wird ihre Gründe gehabt haben, warum sie es nicht tat, Sil'an. Es ist nicht deine Schuld." Das Licht des Sterns des Nordens wurde wieder beständiger. "Danke.", sagte er leise. Die Elbin lächelte. "Immer wieder gern." Sie hob den Kopf, als Legolas zu ihr kam. "Amina.", sagte er kurz. Fragend legte sie den Kopf schräg. "Was ist? Du siehst aus, als wäre Sauron zurück." Der Elb blinzelte. "Nicht Sauron.", gab er zurück. "Aber... Thranduil will dich sprechen." Abrupt sprang Amina auf. "Großer Manwe. Vermutlich will er mich jetzt aus Valinor verbannen?!", spottete sie. "Das kann er nicht. Wer nach Valinor kommt und hier bleibt, das haben allein die Valars zu entscheiden.", erwiderte Legolas. "Ich weiß. Wahrscheinlicher", sie strich sich die schwarzen Haare über die Schultern "ist eher, dass er mir jetzt noch einmal an den Kopf hauen will, welch schändliche Verräter meine Eltern waren." "Waren sie nicht. Das wissen wir beide. Wie Thranduil auf diese Sichtweise kommt, ist mir ein Rätsel.", der Elb schüttelte den Kopf. Amina neigte den Kopf zur linken Seite und verengte die Augen. "Du musst es nicht wegen mir tun.", meinte sie. "Nur weil ich ihn hasse, heißt das nicht, dass du ihn jetzt auch nur noch mit Namen ansprechen musst." "Das weiß ich. Aber ich tue es trotzdem. Was er - Thranduil, mein Vater - in Minas Tirith zu dir gesagt hat war... schlichtweg unverzeihlich und vollkommen unter der Würde der Elben. Insbesondere der eines Elbenkönigs.", er seufzte, dann musterte er sie und setzte hinzu: "Du warst schon immer wunderschön, meleth nîn. Doch seit wir in Valinor sind, leuchtest du regelrecht." Amina lächelte wieder. "Das kann ich nur zurückgeben." Sie machte einen Schritt auf ihn zu und sie küssten sich und Amina dankte sämtlichen Valar dafür, dass es weder Sauron noch seinem Ring, noch allen beiden gelungen war, sie und Legolas zu spalten. Es war ein langer Kuss, sie hatten viel zu lange darauf verzichtet. Zu groß das Risiko des Einen, zu schwer Saurons Wahn, zu finster die Dunkelheit, zu kalt der Hass. Schließlich lösten sie sich voneinander, verschränkten in stummem Einverständnis ihre Finger und dann gingen sie, um Thranduil zu treffen, der einst der König der Waldelben des Düsterwaldes gewesen war. Sil'an folgte Amina mit seinem Licht, jederzeit bereit, ihr beizustehen.
Der frühere Elbenkönig wartete bereits und seine blauen Augen verengten sich, als er Amina, die ja immerhin die Tochter der beiden Verräter seines Reiches war und Legolas, der immer noch sein Sohn war, Hand in Hand sah. Denn obwohl Legolas sie in Minas Tirith vor den Augen von Thranduil geküsst hatte, schien der doch seine Zweifel gehabt zu haben, die nun offenbar beseitigt worden waren. Aber der Elbin war das schnuppe. Sie hat zu viel Lebenszeit mit Verstecken und Verbergen verbracht und damit war jetzt endgültig Schluss. Das Kinn selbstbewusst erhoben blieb sie stehen und taxierte Thranduil mit kühlen Augen. "Du wolltest mich sprechen.", sagte sie kalt. Thranduil blinzelte einige Male, ganz so, als wäre er trotz allem überrascht, dass sie ihn nicht mit 'Ihr' ansprach. Doch dann antwortete er: "Das wollte ich." Lange atmete Amina ein, der Sternensplitter von Sil'an funkelte an der blauen Haarspange. "Gut. Dann bitte. Doch nur für den Fall, dass du gekommen bist, um mir die Taten meiner Eltern vorzuhalten, so lass mich dir eines im Voraus sagen: Ich hätte, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, genauso gehandelt und nicht ein bisschen anders." Der frühere König des Düsterwaldes verdrehte die Augen. "Was ist das für eine Welt, Ringträgerin?", erwiderte er. "In der Untertanen willig ihre Könige verraten?" Sie schenkte ihm ein eisiges Lächeln, Legolas drückte beruhigend ihre Finger. "Was ist das für eine Welt, einstiger König der Waldelben? In der Verbündete im Stich gelassen werden, obwohl sie um Hilfe flehen?" Bevor er antwortete, biss Thranduil die Zähne zusammen. "Das Bündnis zwischen den Kindern Durins und meinem Volk war schon lange zerbrochen." Amina schüttelte den Kopf. "Das ist kein Grund. Egal, ob zerbrochen oder nicht. Jeder, der auf der gleichen Seite steht wie ich, wird meine Hilfe bekommen, sofern er sie erbittet. Des Weiteren", sie senkte leicht das Kinn, ihre silberne Sternensträhne fiel ihr gegen die Wange "ziemt sich der Titel 'Ringträgerin' nicht mehr. Denn... diese bin ich nicht länger. Genauso wenig, wie du noch ein König bist." "Oder ich ein Prinz.", ergänzte Legolas. Sichtlich empört fuhr Thranduils Blick zwischen Amina und Legolas hin und her. "Sage, was du willst. Deine Eltern sind und bleiben Verräter.", stieß er schließlich hervor. Die Elbin lächelte wieder. Mit eisiger Ruhe. "Ich glaube kaum, dass dieser Umstand in den Hallen von Valinor von großem Interesse ist.", bemerkte sie gelassen. "Es ist mir vollkommen egal, was du von mir hältst und denkst. Weil du mir egal bist. Du bist hier nichts besonderes mehr, die einzig wahren Herrscher hier sind die Valar, allen voran Manwe. Tue oder lasse was du willst, Thranduil. Aber ich warne dich", sie verengte die Augen "solltest du versuchen, mich von Legolas fernzuhalten, so werde ich gewillt sein, den Zorn der Valar auf mich zu ziehen, um mich mit dir zu duellieren. Mein Schwert, Cala der Fluch der Orks, lässt sich auch gegen andere Elben einsetzen." Sowohl Thranduil als auch Legolas sahen sie an. Während der einstige Elbenkönig sie mit einer Mischung aus Hass, Bitterkeit und Verstehen anfunkelte, lag in Legolas' blaugrauen Augen vornehmlich Sorge mit Bewunderung. Dann senkte Thranduil den Kopf zu einem kurzen Nicken. "Geht und tut, was ihr nicht lassen könnt. Ich werde euch an nichts hindern.", bekannte er dann, sichtlich widerstrebend. Zufrieden nickte Amina und sah zu, wie der frühere Waldelbenkönig des Düsterwaldes sich abwandte und ging. "Das war notwendig.", stellte sie dann fest. "Ich musste ihm das sagen." "So hat es sich auch angehört.", antwortete Legolas und musterte sie von der Seite. "Du bist... anders." "Anders?", wiederholte Amina und wandte ihm den Kopf zu. "Inwiefern? Im Vergleich zu wann?" "Im Vergleich zu vorher. Du bist... selbstbewusster." Sie hob eine Augenbraue. "Ist das etwas Schlechtes?" Der Elb schüttelte den Kopf. "Nein, keineswegs. Es macht dich noch schöner." "Aha.", machte Amina und funkelte ihn neckend an. "Du stehst also auf selbstbewusste Elben?" Er grinste. "Ich stehe vor allem auf eine gewisse Elbin mit schwarzen Haaren und grasgrünen Augen, die meerblau gesprenkelt sind." "Ach.", die Elbin zog das Wort genüsslich in die Länge. "Kenne ich sie?" Legolas tat, als müsste er nachdenken. "Ja, kann sein. Du kennst sie sogar gut. Wie dich selbst." Amina grinste auch. "Tatsächlich? Wie interessant. Gibst du mir einen Hinweis?" Jetzt lächelte er, neigte sich zu ihr, bis seine Lippen beinahe ihre berührten und flüsterte: "Ich weiß nicht. Vielleicht wäre es dann zu... offensichtlich." Selbst jetzt spürte sie die vertraute Hitze in ihren Wangen, wie immer, wenn er ihr nahe kam. "Offensichtlich?", flüsterte sie zurück und fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. "Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wovon du sprichst." "Hast du nicht?", hakte er leise nach und ließ seine Fingerspitzen an ihrer Wange ruhen. "Dann muss ich dir den Hinweis wohl doch geben." "Davon wäre ich hell auf begeistert.", verriet sie ihm, als wäre es ein großes Geheimnis. Im Anschluss küsste sie ihn und genoss es, dass der Ring nirgendwo mehr war. Nicht in ihrem Kopf, in ihrem Verstand, in ihren Gedanken... nirgends. Er war fort, genau wie Sauron. Alles war gut.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt