28. Kapitel: Flammen und Funken

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"Gut", Gimli saß auf dem Thron Gondors als wäre er ein komfortables Sofa "was machen wir nun?" Gandalf, der seit Minuten regungslos nach Osten starrte, wandte endlich den Kopf. "Wir überlegen uns etwas.", sagte er nur. Boromir seufzte tief und bekam von seinem Bruder einen mitfühlenden Blick. Obwohl Faramir eigentlich kein Mitglied der Gemeinschaft des Ringes war, war er es irgendwie doch. Vielleicht weil er Boromirs Bruder war. "Unsere Ringträgerin ist in Mordor!", fuhr der Erstgeborene Sohn des verschwundenen Truchsess von Gondor nun fort, wieder einmal schien sein hitziges Temperament durch. "Und wir haben gerade eine Schlacht gewonnen! Wir können uns doch jetzt nicht auf unserem Sieg ausruhen!" Daraufhin nickten sowohl Gimli als auch Aragorn zustimmend, genauso Faramir. Dann blickten alle, einschließlich Boromir, zu Gandalf. Der Zauberer schwieg einen Moment lang, den Blick wieder nach Osten gerichtet. "Das ist richtig.", sagte er dann. "Aber wartet noch einen Moment." Just, als er zuende gesprochen hatte, öffnete sich das Tor zur Thronhalle von Minas Tirith und zwei Soldaten traten ein. "Wir haben unseren Truchsess gefunden.", berichtete einer, an Boromir gewandt. "Er ist tot.", ergänzte der andere. "Offenbar wurde er von Orks niedergestochen." Der erste Sohn Denethors hob die Augenbrauen. Er konnte nicht sagen, dass ihn diese Nachricht sonderlich traurig stimmte, und das, obwohl er im Vergleich zu seinem Bruder noch ein gutes Verhältnis zu Denethor gehabt hatte. "Sorgt euch nicht. Momentan sind wir sowieso in einer Ausnahmesituation. Alles wird sich klären.", antwortete er. Den beiden Soldaten genügte das offenbar vorerst, denn sie nickten und gingen. "Tja.", brummte Gimli, sobald sie verschwunden waren. "Ich kann jetzt nicht sagen, dass es mir um ihn leid tut." "Das kann keiner!", erwiderte Faramir sofort. "Um noch einmal zu Amina zurückzukehren: Was tun wir nun? Ich nehme an, dass sie und Legolas dem Schicksalsberg inzwischen sehr nah sind. Das heißt, dass Sauron sie hervorragend sehen kann, denn immerhin steht Barad-dûr, der dunkle Turm, in direkter Nähe des Schicksalsberges.", warf Aragorn ein und brach auf diese Art und Weise sein Schweigen. 'Das heißt, dass Sauron sie hervorragend sehen kann'. Dieser Satzteil war es, der Boromir erschaudern ließ. Zwei Elben allein in der endlosen Finsternis... Amina in der endlosen Finsternis... "Wenn Legolas nicht gut auf sie aufpasst, bring ich ihn um!", flüsterte er, allerdings so leise, dass niemand ihn hörte. Außer Faramir. Der lehnte sich nun an Boromirs Ohr und murmelte: "Grundgütiger, die Ringträgerin hat's dir aber echt angetan, was?" Verdattert blinzelte Boromir. "Was? Nein.", erwiderte er, ebenso leise. Sein kleiner Bruder grinste nur. "Was wir tun müssten", knurrte Gimli nachdenklich "wäre, Fackelaugen-Sauron von ihr und unserem Lieblingselbenprinzen abzulenken. Seine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, statt auf zwei einzelne Elben, die gerade in der Nähe vom Schicksalsberg herum fallen." Trotz der angespannten Situation und trotz seiner noch angespannteren Nerven entlockte Gimlis Formulierung Boromir ein kurzes Grinsen. "Klingt gefährlich.", kommentierte Faramir. "Aber machbar.", gab Aragorn zurück, seine Augen wurden schmal. "Wir nehmen alle Männer, die wir haben uns ziehen zum Schwarzen Tor. Dort fordern wir Sauron heraus, bis sein Auge sich auf uns richtet und er die Heerscharen seiner Orks auf uns hetzt. Das wird vermutlich tödlich für uns enden. Aber... Amina und Legolas hätten Zeit, ungesehen zum Schicksalsberg zu kommen. Weil Sauron sich nämlich auf uns konzentrieren muss." Das Risiko war hoch, das war Boromir klar. Aber dennoch fühlte er sich bereit, es zu riskieren. Auch Faramir sah entschlossen drein. Nach kurzer Stille erhob Gandalf die Stimme: "Vermutlich werden wir es nicht einmal ansatzweise mit der Größe von Saurons Heer aufnehmen können. Dennoch bin ich dabei." "Also, fassen wir zusammen: Den Tod als Gewissheit? Geringe Aussicht auf Erfolg?", Gimli stand auf und stieß seine Axt neben sich auf den Boden. "Mal ganz ehrlich: Auf was warten wir noch?"
Drei Stunden später, dank Gandalfs Magie waren sie sehr rasch zum Schwarzen Tor gekommen, standen alle, die bereit gewesen waren, mitzukommen, um ein Ablenkungsmanöver für die Ringträgerin zu spielen und dabei höchstwahrscheinlich zu sterben, vor dem Schwarzen Tor. Boromir, der mit bereits gezogenem Schwert zwischen seinem Bruder und Gimli stand, musterte das riesige Bollwerk vor ihnen. "Da mussten die zwei drüber.", stellte er mit gesenkter Stimme fest.
"Ich möcht schon gern wissen, wie bei Mahal sie da rüber gekommen sind.", brummte der Zwerg zustimmend. Dann setzte er hinzu: "Hätt nie gedacht, dass ich mir mal Sorgen um zwei Elben mache." "Wie wäre es", schlug Faramir von Boromirs anderer Seite vor "wenn du dir Sorgen um zwei Freunde machst? Ich meine, ich kann das zwar nicht beurteilen, aber... Ihr habt doch bestimmt viel zusammen durchgemacht." Brummend bewegte Gimli den Kopf auf und ab - es war ein Nicken. "Ja, ich glaub, das kann ich machen.", murmelte er und nahm seine Axt auf. "He, Aragorn! Was machst du denn so lange?", rief er. Aragorn, der noch mit Gandalf die Köpfe zusammengesteckt hatte, sah zu ihnen herüber. "Alles fertig.", erwiderte er und zog Anduril aus seiner Schwertscheide. Der rechtmäßige Thronfolger von Gondor warf sich die braunen Haare aus dem Gesicht. "Heute", fuhr er mit erhobener Stimme fort "kämpfen wir für unsere Ringträgerin! Ich sehe eure Furcht und glaubt mir, auch ich fürchte die schiere Übermacht des Heeres von Sauron! Doch glaubt mir auch dies: In dieser Schlacht heute, werde ich genauso kämpfen, wie ich es immer getan habe und ihr alle auch! Der Tag mag kommen, an dem der Mut der Menschen verblasst, doch dieser Tag ist noch fern! Darum werden wir heute kämpfen, besser als je zuvor, um unsere Ringträgerin, unsere Hoffnungsträgerin, zu retten!" Die Stimmung im Heer, die angespannt bis ängstlich gewesen war, schwenkte um. Mit Gebrüll wurden Schwerter in die Luft gerammt. Faramir warf Boromir einen beeindruckten Blick zu und nickte zu Aragorn. Boromir lächelte. Keine Frage, sein kleiner Bruder war beeindruckt. Aragorn stieg wieder auf sein Pferd, die anderen Mitglieder der Gemeinschaft des Ringes taten es ihm nach. Zu viert ritten sie zum Schwarzen Tor. "Sauron!", rief Aragorn, sobald sie zu viert auf ihren Pferden davorstanden. "Sauron, du Dunkler Fürst, du Diener Morgoths! Komm aus deiner Festung heraus oder traust du dich das nicht? Bist du zu ängstlich um dich uns zu stellen? Das ist wirklich armselig, der du dich dunkler Fürst nennst!", der Erbe Isildurs atmete tief durch. "Komm und kämpfe, zeig uns doch, wie mächtig du bist! Oder bist du das etwa gar nicht? Bist du in Wahrheit genauso ängstlich wie dein Meister es war?" Der letzte Satz war gewagt, wurde Boromir klar und er sog scharf den Atem ein. Kurz geschah nichts. Dann öffnete sich das Schwarze Tor. Heraus ritt eine Gestalt, die weder richtig als Mensch, noch als etwas anderes identifizierbar war. "Du.", fauchte die Gestalt und zügelte im Halbkreis der restlichen vier Gefährten ihr schwer gepanzertes Pferd. "Du. Sohn Arathorns, Erbe Isildurs, Erbe Númenórs. Du. Ihr alle. Ihr hängt sehr an eurer Ringträgerin, nicht wahr?" Boromir spürte, wie seine Muskeln sich anspannten. Was sollte das denn jetzt bedeuten? "Was soll das heißen?", zischte er. Die Gestalt stieß ein gehässiges Lachen aus. "Wir hätten nicht gedacht, dass sie so schreien kann. Ganz Barad-dûr hat unter ihren Schreien gezittert. Und dann war es auch noch ihr eigener Dolch, der sie so gequält hat." Wieder ein gehässiges Lachen, dann zückte das Wesen einen Dolch. Die schlanke, leicht geschwungene Klinge zeigte, was es war. Ein Elbendolch. Und er war fast bis zum Griff mit Blut verkrustet. Rotem Blut. Heißes Grauen wallte in Boromir auf, er schluckte. Die anderen Gefährten starrten sprachlos auf den Dolch hinab. Aragorns Miene war finster, Gimli funkelte den Dolch an, als verfluche er dessen bloße Existenz und in Gandalfs Augen schimmerten tatsächlich Tränen. "Ist sie tot?", flüsterte Boromir. Erneut lachte das Wesen. "Geschrien hat sie, bevor wir sie umgebracht haben. Und ihr Freund durfte zusehen, während die Wargs ihn zerrissen haben. Beide tot." Die Gestalt brach in irres Kichern aus. Lautlos rang Boromir nach Atem, es kam ihm vor, als würde er fallen. Amina und Legolas... Tot? Unwillkürlich dachte er an sie.
Amina, lachend.
Amina, zitternd und erschöpft nach einem weiteren Kampf mit dem Ring.
Amina, mit aufgerissenen Augen, verängstigt.
Amina, mit vor Hass verdunkelten Augen angesichts der Orks.
Amina, während sie lief, so elegant, so wunderschön.
"Nein.", sagte da Aragorn und riss Boromir aus seinen Gedanken. Mit verschleiertem Blick sah der erstgeborene Sohn Denethors zu wie Aragorn Anduril hob, sein Pferd einen Schritt nach vorne machen ließ und dem Boten Saurons den Kopf von den Schultern schlug. "Lüge.", fuhr er fort. "Sie ist nicht tot." "Woher willst du das wissen?", fragte Boromir leise. Aragorn ließ seinen Blick am Schwarzen Tor hinaufwandern. "Das hätten wir gespürt." Als er zum Heer aus Minas Tirith zurückritt, folgten die anderem seinem Beispiel, stiegen ab. Doch Boromir zweifelte immer noch. Was, wenn sie tot ist? Wenn sie WIRKLICH tot ist? Dann ist das hier... Ein letztes Aufbäumen vor dem Untergang., er atmete aus. Aber selbst wenn! Dann ist es das! Aufgeben kam nicht in Frage. Überhaupt nicht. Nur wenige Minuten, nachdem sich die vier verbleibenden Gefährten der Gemeinschaft des Ringes wieder in die Reihen der Soldaten eingegliedert hatten, öffnete sich das Schwarze Tor noch mehr und Orks strömten heraus. Nun sah Boromir es. Das Auge. Ein rotes Glühen am Horizont. Hass stieg in ihm auf. Der Ring hatte ihn verführt. Aber das hieß nicht, dass er böse war. Nein. In drohenden Reihen umkreiste das riesige Orkheer die Soldaten aus Minas Tirith. Erst jetzt wurde Boromir klar, dass sie wirklich ein Nichts waren, im Vergleich zu der unglaublichen Masse des finsteren Heeres von Sauron. Aragorn, der an der Spitze stand, hob Anduril und die Klinge des legendären Schwertes funkelte. Dann wandte der rechtmäßige Thronfolger von Gondor den Kopf. "Für Amina.", sagte er leise, stieß einen Kriegsschrei aus und warf sich in die Masse der Orks. Im absolut gleichen Moment folgte ihm der Rest der Gemeinschaft des Ringes, inklusive Faramir. "Nochmal lass ich dich nicht allein!", stieß Faramir hervor, während er neben Boromir vorstürmte. Das entlockte Boromir ein winziges Lächeln. In dem Moment, in dem das unglaublich große Heer von Orks mit dem vergleichsweise sehr, sehr kleinen aus Minas Tirith zusammenkrachte, hallte Kreischen durch die Luft. Die Nazgûl. Die Flügelschläge der schwarzen Drachen ließen die Luft erbeben, aber Boromir hatte keine Zeit, festzustellen, wie viele es waren. Das wird ein harter Kampf werden!, dachte er nur.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt