„Ich habe dich. Es hat niemand gesehen."
„Gut," erwidert Lena, obwohl sie das Gefühl der Ohnmacht noch nicht ganz überwunden hat. Ihre Beine sind wie Gummi und unbrauchbar. Zum Glück benötigt Lena sie nicht, solange Kara sie festhält. Kara umklammert sie ganz fest mit ihren starken Armen, doch ist es Lena, die Stärke aufbringen muss. Das, was Kara offenbart hat, das Kara noch völlig unberührt ist – Lena findet keine Worte.
„Lena du bist blass. War das zu viel, was ich gesagt habe? Möchtest du dich setzen?" Karas blaue Augen sind groß und besorgt und Lena möchte nichts mehr, als sie zu beruhigen. „Nein, nein," versichert sie, „solange du mich festhältst, habe ich nichts zu befürchten. Aber weiter tanzen wäre jetzt zu viel für mich."
„Das ist okay. Und es ist in Ordnung, wenn ich dich überwältigt habe." Kara klingt beinahe entschuldigend, so wie ihr Lächeln.
„Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Niemals." Lena erwidert das Lächeln und schafft es sogar, Kara anzusehen. Eine Weile stehen sie einfach nur eng beieinander. Lena fühlt sich schwerelos und wartet darauf, dass ihr Körper ihr wieder gehorcht. Kara wartet mit ihr und ihre Augen wandern über Lena, nehmen jedes Detail in ihrem Gesicht auf. Lena schluckt und nimmt sich einen Moment. Noch nie hat sie jemand so angeschaut wie Kara - und noch nie hat Lena diese Seite von sich gezeigt. Das passiert, wenn sich der Vorhang öffnet, wenn die Mauern fallen, wenn man liebt. Lena senkt den Blick und spielt mit dem Kragen von Karas Smoking. Ihre Beine tragen sie im Moment nicht, weil Kara ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hat, aber ihre Hände werden wach, wollen berühren, wollen Kara an sich ziehen und den Kuss fortsetzen. Nur ungern gibt sie zu, wie sehr sie das, was Kara gesagt hat, bewegt. Es lässt Lena zittern – angenehm, aber sie bringt kein Wort heraus.
Kara sucht den Augenkontakt. „Wäre es dir lieber, ich hätte mehr Erfahrung?"
Lena beißt sich auf die Lippe. „Das ist schon eine große Sache, damit habe ich nicht gerechnet. Aber natürlich ist das okay Kara. Wie du schon gesagt hast, es ist überwältigend. Aber es ist ein schönes Gefühl. Es ist etwas Besonderes zu wissen, dass ich die Einzige bin... die Einzige sein werde. Ich möchte dir alles geben. Ich liebe dich.
Karas Augen leuchten. Sanft streicht sie Lena eine lose Strähne aus dem Gesicht und legt ihren Kopf an Lenas. „Du warst es immer. Du wirst es immer sein", gibt sie als Antwort zurück.
Lenas Herz wächst und wächst, als wolle es vor Glück zerspringen. Nur Küssen hilft gegen das Gefühl, es kaum aushalten zu können. Küssen hilft, sich von diesem zärtlichem, liebenden Gefühl nicht überwältigen zu lassen, ohne dabei in Ohnmacht zu fallen. Also tut Lena genau das. Ihr Mund küsst den leicht geöffneten von Kara. Und Lena verschmilzt mit Kara. Alles kribbelt und Lena spürt Kara und atmet sie ein. Das Küssen so sein kann, so alles konsumierend. So hat sie auch noch nie geküsst, will Lena sagen. Aber Karas Zunge dringt in ihren Mund ein und das ist alles, worauf sie sich in den nächsten Minuten konzentrieren kann.
Jemand räuspert sich neben ihnen und Kara lässt Lena vorsichtig los. Lena kann wieder alleine stehen, mit Karas Hand auf ihrem Rücken, um sie noch ein wenig zu stabilisieren.
„Tut mir leid, euch zwei Turteltauben zu unterbrechen, aber ich wollte mich verabschieden, ehe ich gehe," verkündet Jess.
Lena kämpft gegen die Hitze, die sie auf den Wangen spürt. Von Jess beim Küssen erwischt zu werden, schafft das. Kara scheint damit weniger Probleme zu haben. Sie grinst breit, fast stolz – und glücklich. Lena macht Kara glücklich.
Die Verabschiedung von Jess bekommt Lena nur halb mit. In Gedanken ist sie bei Kara, bei dem, was die Jüngere in ihr auslöst, bei dem, was sie noch gemeinsam erleben werden. Nur nicht wieder in Ohnmacht fallen. Die Gefühle durchströmen ihren Körper, am liebsten würde Lena vor Glück schreien, ganz laut. Aber das geht hier nicht, so lässt sie die Gefühle über sich fließen und ein wohliger Schauer strömt durch ihren Körper, der sie zittern lässt.
Der Abend neigt sich langsam dem Ende zu. Kara lässt Lena nie allein, immer liegt eine Hand auf ihrem Rücken oder an ihrem Arm. Auch wenn sie Lena nicht berührt, spürt sie den Kontakt, denn Kara steht ganz nah bei ihr. Lena will mit ihr allein sein, und nach ein paar Tanzpausen und kurzen Gesprächen ist es okay zu gehen.
Alles ist noch wie in Trance, als sie endlich in der Garderobe sind und gehen. Kara hilft ihr in den Mantel. „Danke, Darling," bedankt sich Lena und räuspert sich. Sie braucht ein, zwei Sekunden, dann stellt sie die Frage, die sie nicht aus dem Kopf bekommt. „Bleibst du heute Nacht bei mir?" Lenas Herz klopft wie verrückt, während sie in Karas Gesicht nach Anzeichen für eine Ablehnung sucht. Doch alles, was Lena sieht, ist die pinke Zunge, die sich hervor stielt und über die trockenen Lippen leckt – so verführerisch. Dann nickt Kara. „Ja," antwortet sie mit fester Stimme. Und es ist beschlossen.
Die Heimfahrt in Lenas Limousine ist still. Es ist leise, ganz anders als auf dem Ball, von dem sie gerade kommen. Es ist angenehm. Kara und Lena halten sich an den Händen, suchen Kontakt und küssen sich schüchtern, während die Lichter des Straßenverkehrs über ihre Gesichter tanzen.
„Schläfst du heute bei mir in meinem Zimmer?," fragt Lena. Eine weitere Frage, deren Antwort sie wissen muss. Sie hält es sonst nicht aus. Sie muss wissen, dass sie jetzt zusammengehören. Dass sie sich nicht nur versöhnt haben und sich nahegekommen sind. Sondern dass es so bleibt. Dass sie Frau und Frau füreinander sind, die sich lieben. „Wir müssen deshalb nicht..," ergänzt Lena schnell, weil sie das nicht gemeint hat. Obwohl sie natürlich daran gedacht hat. Natürlich denkt sie daran, Karan wird das Bett mit ihr teilen. Eigentlich kann sie an nichts anderes mehr denken. Aber sie müssen nicht sofort Sex haben. Nicht heute. Vielleicht ist es sogar besser. Alles ist noch so neu. Vielleicht sollte dieser schöne Abend nicht mit Sex ruiniert werden. Denn es wird kein Sex zwischen ihnen sein. Nicht so, wie Lena ihn kennt. Es wird-
„Lena? Lena. Hallo? Hörst du mir überhaupt zu, wenn ich dir eine Antwort gebe? Du scheinst schwer in Gedanken und meilenweit entfernt zu sein," sagt Kara und die kleine Falte auf ihrer Stirn erscheint, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn sie sich ernste Gedanken macht.
Das holt Lena tatsächlich zurück aus ihren eigenen Gedanken.
„Entschuldige, Darling. Das wollte ich nicht. Ich bin nur so aufgeregt. Ich möchte das hier richtig machen. Du bist für mich das Wichtigste auf der Welt. Ich möchte, dass es dir gut geht, dass es uns gut geht. Und ich möchte dir nahe sein. Immer. Aber wir müssen deshalb nichts überstürzen. Vielleicht denke ich im Augenblick zu viel. Du weißt doch, wie mein Gehirn arbeitet," gibt Lena zu und beißt sich verlegen auf die Lippe.
Kara strahlt nur und grinst. Sie küsst Lena auf die Lippen, zufrieden mit dem, was Lena gesagt hat. Ein belohnender Kuss also, Lena hat es nicht vermasselt.
„Natürlich schlafe ich bei dir im Zimmer. Und um uns Druck zu nehmen... Weißt du, auf was ich jetzt total Lust hätte?"
„Nein," erwidert Lena nach einem kurzen Augenblick des Grübelns.
„Eiscreme," jubelt Kara. „Wir könnten Eis im Bett naschen, bevor wir schlafen gehen. Darauf hätte ich jetzt total Lust," bringt sie freudig hervor.
Lena verzieht das Gesicht. „Aber Kara, ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. Man sollte so spät nicht mehr Essen, vor allem keinen Zucker und man sollte niemals im Bett Essen. Himmel. Die Zähne sind schon geputzt und weißt du überhaupt, was Zucker so spät nachts mit deinem Körper anstellt. Er-"
„Lena bitte. Nur dies eine Mal, vertrau mir. Es gibt nichts Besseres als spät abends Eis im Bett zu naschen," verspricht Kara.
Lena würden tausend Sachen einfallen, die sie lieber naschen würde. Im Bett. Mit Kara. Aber Kara sieht sie so liebevoll und so erwartungsvoll an. Einen solch anzüglichen Scherz kann Lena jetzt nicht machen.
„Oh Darling, ich habe leider keine Eiscreme im Haus," antwortet Lena stattdessen gespielt entschuldigend. Sie hat in letzter Zeit, die Süßigkeiten für Kara ein wenig zurückgeschraubt und keine mehr gekauft. Vitamine sind wichtig. Auch für Kara.
„Oh kein Problem. Ich hab welches in deiner Tiefkühltruhe versteckt."
„Du hast was?"
„Lena. Mir ist aufgefallen, dass du weniger Süßigkeiten im Haus hast. Dort wo meine Kekse waren, liegen nun getrocknete Früchte. Anstelle meines Schokopuddings hast du Himbeeren und Blaubeeren ins Fach gelegt. Mir ist das aufgefallen, dass du mich bekehren willst. Als Strafe gibt es heute Eiscreme und du wirst es lieben," entscheidet Kara.
Lena kann nicht glauben, dass Kara das aufgefallen ist und sie ausgetrickst hat. Verblüfft gibt sie sich geschlagen. Sie wurde mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Schachmatt.
„Du bist eine kleine Schlawinerin," neckt Lea liebevoll und küsst Kara auf die Nase.
„Schlawinerin? Ich glaube, ich habe dich niemals dieses Wort sagen hören," grinst Kara frech, eben eine Schlawinerin. Lena zuckt gleichgültig mit den Schultern, dann beugt sie sich vor und küsst Kara auf den Mund, damit jede weitere Diskussion um Eiscreme und Schlawinerinnen zu Ende ist.
Zu Hause angekommen grüßen sie zuerst Buddy und Minka. Lena kümmert sich um Buddy, lässt ihn nochmal kurz in den Garten und von dort hinaus auf die große Wiese gegenüber, wo er nochmal sein Geschäft verrichten kann, falls er muss. Später streichelt sie ihn hinter dem Ohr, weil er so brav war. Kara versorgt Minka und schenkt ihr auch noch ein paar Minuten Aufmerksamkeit. Als sie beide fertig sind, begegnen sie sich im Flur.
„Müde?," fragt Lena und nimmt Kara an der Hand, „Zeit fürs Bett?"
Kara drückt ihre Hand. „Geh du ruhig zuerst ins Bad, ich hole dabei die Eiscreme. Ich gehe dann nach dir ins Bad," verkündet Kara.
„Na gut," erwidert Lena und küsst Kara auf die Wange. Kara hat die Eiscreme also doch nicht vergessen. Hmm.
Nachdem Lena fertig ist mit abschminken, waschen und umziehen verschwindet sie ebenfalls in die Küche, um etwas zu erledigen.
Später, als jede von ihnen den Gang ins Bad gemacht hat und in Pyjama geschlüpft ist, treffen sie sich in Lenas Schlafzimmer. Kara hält tatsächlich eine Schüssel mit Eiscreme in der Hand, wie konnte Lena diese in der Truhe übersehen? Dafür hält Lena auch eine Schüssel in der Hand. Darin befinden sich frischgewaschene Himbeeren. Niemand kann ihr nachsagen, sie würde sich nicht gesund ernähren und frische Himbeeren schmecken sicher himmlisch zu Eiscreme.
Sie schauen sich an und lachen, als sie die Schüssel der anderen betrachten. Kara trägt ihren bequemen Baumwollpyjama, der mit kleinen Sternen und Planeten bedruckt ist. Lena hat sich für ihren roten Seidenpyjama entschieden, allerdings mit langen Ärmeln und Hosenbeinen. Dann schlüpfen sie unter die Decke. Lena rückt die Kissen so, dass sie sich bequem an die Wand lehnen können. Lena breitet ihre Arme aus und Kara schmiegt sich an sie. Sie ist warm und weich und Lena testet das Wasser und hält ihr einen kalten Fuß hin. Kara lacht nur und wärmt die Füße bereitwillig mit ihren eigenen.
Eine Weile liegen sie so nebeneinander. Die Schüsseln stehen vergessen am Nachtisch neben dem Bett. Lena wird sicher nicht die Erste sein, die danach greift. Dafür flüstert Lena Kara ins Ohr. „Hab ich dir schon gesagt, dass du heute mit Abstand die schönste Frau auf dem Ball warst?"
„Ein oder zwei Mal. Du bist sogar wegen mir in Ohnmacht gefallen," erwidert Kara kühn, doch über ihre Wangen legt sich rosa Farbe.
„Oh du Schlawinerin," erwidert Lena und kneift Kara in die Seite. Eine Weile ringen sie zärtlich miteinander, dann beruhigen sie sich wieder. Als Kara tief Luft holt, weiß Lena, dass sie gleich etwas Wichtige sagen wird.
„Hab ich dir jemals gesagt, dass du immer die schönste Frau bist, egal welchen Raum du betrittst? Dass mir der Atem stockt und ich kaum Luft bekomme? Als kleines Kind habe ich dich ein mal gesehen und dennoch dein Gesicht gemalt, gleich nachdem ich auf die Erde kam. Ein blaues und ein grünes Auge, meine ganze Zeichenmappe war voll mit Bildern von dir. Erst Jahre später, als ich dich im Praktikum wiedersah, wusste ich, dass du es warst, die ich immer vor mir gesehen hatte. Ich war so angetan von dir, damals schon," Kara schluckt und Lenas spürt dieselbe Trockenheit. So viel Liebe, so viel Schmerz. Vielleicht ist Eiscreme nun doch willkommen.
„Kara damals, wenn ich könnte--"
„Ich weiß Lena, ich weiß, warum ich damals als Kind nicht bei dir und Clark bleiben konnte. Ich verstehe es jetzt. Und ich versteh auch, dass ich noch zu jung war, als ich später das Praktikum angefangen habe. Ich verstehe nun deine Sichtweise und dass du mich immer beschützen wolltest. Und jetzt Lena, jetzt wird alles anders sein. Ich bin so glücklich. Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich. Ich bin angekommen. Bei dir."
Lena schwindelt erneut bei dem Gedanken. So unschuldig, so rein und so kostbar wie ein schlagendes Herz. „Ich werde dich zu meiner Frau machen," sagt Lena voller tiefer Liebe, während Karas Augen groß werden. „Ich meine nicht sofort, nicht sofort alles auf einmal. Wir lassen uns Zeit. Mit allem. Wir gehen unser Tempo."
„Ja," flüstert Kara und dann küssen sie sich leidenschaftlich. Kara küsst diesmal gewagter, stürmischer. Ihr Körper beugt sich über Lena und auf Grund der Tatsache, dass sie nebeneinander im Bett sind, berühren sich automatisch Körperteile, die besser keinen solchen Kontakt halten sollten, andernfalls kann Lena sich nicht zurückhalten.
Kara ist es, die am Ende die Bremse zieht. „Ähm. Eiscreme?"
Lena nickt und gemeinsam naschen sie Schokolade und Vanilleeiscreme mit den frischen Himbeeren dazu. Kara hat recht, das schmeckt verboten gut. Noch verbotener schmecken die Küsse, die sie sich zwischendurch geben. Als Lena in dieser Nacht im Bett stöhnt, ist es vor Genuss, weil das Eis so gut schmeckt.
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Die Sterne über uns
RomanceEs sind fünf Jahre vergangen, seit ihrem letzten Treffen. Kara ist jetzt erwachsen. Sie hat einen Job und sie ist seit kurzem Supergirl. Lena ist in der Stadt und macht Geschäfte. Die beiden Treffen sich wieder. Diesmal als Lena Luthor und Supergi...