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25.02.2024, 23:54 Uhr, Rockwall, Texas

Chris hielt Alina die Beifahrertür auf und ließ sie einsteigen. Klassisch glänzendes Wurzelholz traf im Innenraum des Mercedes auf moderne Hochglanzarmaturen und jede Menge neuester Technik. Es roch nach Leder und Desinfektionsmittel. Selbst der hinterste Winkel des Wagens schien penibel gesäubert zu sein. Kein Zweifel, an Geld mangelte es Chris nicht! Umso deplatzierter kam sich Alina auf dem Beifahrersitz vor.

Nachdem er sich gründlich die keineswegs verschmutzten Schuhsohlen ausgeklopft hatte, stieg Chris zu Alina in den Wagen. „Ich habe meine Schuhe gar nicht abgeklopft." entschuldigte sich Alina leise. Chris warf einen kurzen, prüfenden Blick auf die Fußmatte unter Alinas Schuhen. Ein Hauch von Strenge lag in seinen Augen, die jedoch nur kurz anhielt. „Kein Problem. Ich reinige den Wagen morgen." sagte Chris versöhnlich. Dennoch fühlte Alina sich schuldig.

Chris startete den Motor und fuhr los. Aus den Lautsprechern ertönte klassische Musik. Ungewöhnlich für einen Mann seines Alters. Alina konnte damit nichts anfangen. Sie hörte Pop und sanften Rock. Gelegentlich auch Hip Hop. „Das ist ein Stück aus Così fan tutte, meiner Lieblingsoper." erklärte Chris. „Worum geht es in der Oper?" fragte Alina. Auch wenn sie mit der Musik nach wie vor nicht warm wurde – sein ungewöhnlicher Musikgeschmack faszinierte sie.

„Um Liebe, Treue und Loyalität!" antwortete Chris. Sie schwiegen wieder. Alina spielte nervös an ihren Fingern. Die Stille war ihr unangenehm. Ganz im Gegensatz zu Chris, der umso genüsslicher seiner Musik zu lauschen schien.

Dennoch war Chris derjenige, der schließlich die Stille durchbrach. „Wenn Du Dir von mit einen dieser Werte wünschen könntest, welchen würdest Du wählen?" fragte Chris. „Nur einen?" hakte Alina nach. Chris nickte und Alina überlegte fieberhaft. Üblicherweise vermied sie es, über solch tiefgründige Fragen nachzudenken. Liebe? Sie spürte bereits die Röte in ihr Gesicht zurücksteigen. Nein, dafür war sie nicht bereit! Abgesehen davon wollte sie Chris auf keinen Fall in die unangenehme Situation befördern, ihr einen Korb zu verpassen. Treue? Nein, dazu müssten Chris und sie gar eine Beziehung eingehen. „Loyalität!" presste Alina hervor. Chris blickte zu ihr herüber und musterte sie – länger als er es zuvor getan hatte. „Das ist richtig!" bemerkte er anerkennend und richtete seinen Blick zurück auf die Straße.

Alina empfand einen Hauch von Stolz. Ihr innerliches Grinsen ließ ihr Unbehagen für einige Augenblicke verblassen. Es war eine gute Entscheidung, Chris zu vertrauen! Was wohl Jenny zu Chris sagen würde? Alina ertappte sich selbst dabei, wie ihr Blick auf Chris Hände fiel. Seine kräftigen Finger trugen keinen Ring.

Chris bog auf die Landstraße in Richtung Blossom. Ein paar Minuten später passierten sie das Ortsschild. „Du kannst mich an der Bushaltestelle rauslassen!" sagte Alina. Doch Chris schüttelte nur den Kopf. „Das kommt nicht in Frage. Wie lautet deine Adresse?" Alina zögerte kurz. Ihr mulmiges Gefühl war zurück. Chris blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihr herüber. Er war vertrauenswürdig! „Holly Street 5." Ohne Navigationsgerät fuhr Chris den Wagen zielsicher zu ihrer Adresse und parkte den Wagen direkt vor ihrer Wohnung.

Alina wollte gerade die Beifahrertüre öffnen um auszusteigen, als Chris ihre Hand von der Fahrerseite aus packte und zurückzog. „Das mache ich!" seine sanfte Stimme beruhigte sie schnell wieder, auch wenn der Adrenalinstoß in Alina noch nachwirkte. Ihr Herz raste schnell und kraftvoll in der Brust und beruhigte sich nur langsam. Chris stieg seelenruhig aus, lief um den Wagen herum und öffnete Alina die Beifahrertür. Er reichte ihr die Hand und half ihr heraus. „Danke!" stammelte Alina verlegen. Sie fühlte sich ihm weit unterlegen. Umso mehr faszinierte und irritierte sie sein respektvolles Verhalten. Chris drückte ihr zum Abschied links und rechts Küsschen auf die Wange. Alina sog seinen Duft tief ein, als Chris seinen Körper dabei an ihren drückte. Er schaute ihr noch einmal in die Augen. Seine tiefen Blicke ließen Alinas Knie noch weicher werden, als sie ohnehin längst waren.

„Morgen um 18:00 Uhr erwarte ich Dich genau hier – für ein Date!" Chris Stimme war fest und entschlossen. Alina hingegen konnte seinem Blick nicht länger standhalten. Sie senkte schüchtern ihren Kopf. Chris stieg in seinen Wagen und fuhr davon.

Schwarze KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt