12.03.2024, 17:05 Uhr, Dallas, Texas
Der Schotterparkplatz vor der Garage war leer. Alina schritt auf das kleine Haus ihrer besten Freundin zu und drückte die Klingel. Im selben Moment vibrierte es in Alinas Tasche. Jenny! War ja klar! Sie nahm den Anruf entgegen.
„Hey Line, sorry es wird etwas später. Ich bin gerade erst aus dem Meeting gekommen!" Alina verdrehte die Augen, doch blieb freundlich. „Kein Problem, ich habe es mir schon gedacht. Dein Auto steht nicht vor der Garage!" Jenny lachte am anderen Ende der Leitung. „Ihnen kann man nichts vormachen, Detective Lotz!" witzelte sie. „Du kannst aber gerne schon ins Haus gehen, Mirco müsste da sein." Alina betätigte erneut die Klingel. „Nein, hier tut sich nichts!" entgegnete sie. Ein kurzes Schweigen lag in der Leitung. „Mhh, merkwürdig..." rätselte Jenny. „Dann nimm eben den Notfallschlüssel!" schlug sie vor. „Mache ich!" die beiden Freundinnen verabschiedeten sich.
Alinas Blase drückte. Wie oft hatte sie versucht Jenny auszureden, einen Ersatzschlüssel an der außenliegenden Fensterbank zu platzieren? Das Bürofenster war zwar von der Straße aus nicht einsehbar, aber dennoch hielt Alina das für riskant. Nun hielt sie es zum ersten Mal für eine gute Entscheidung.
Sie kletterte über das bauchhohe Gartentor und schlich an der Fassade entlang um das Haus. Wenn sie jetzt jemand beobachtete wäre das Geheimnis des Ersatzschlüssels endgültig gelüftet. Alina musste wieder an Jennys Schilderungen denken. Sie hatte sich in letzter Zeit in ihrer Wohnung seltsam beobachtet gefühlt. Alina blickte sich sorgfältig prüfend um, bevor sie auf das Bürofenster zuschritt.
Ein Schimmern schien ihr aus dem ansonsten dunklen Büro entgegen. Alina starrte wie ein geblendetes Reh in das Fenster. Der Bildschirm auf dem Schreibtisch war hell erleuchtet. Darauf flimmerte das Selfie von Jenny und ihr aus dem Bistro. Alina gefror das Blut in den Adern. Mirco saß direkt davor. Er rubbelte wild in seinem Schoß!
Mirco! Alina war entsetzt. Das passte überhaupt nicht zu den Eindrücken, die sie bislang von ihm gewonnen hatte. Und erst recht nicht auf die Schilderungen von Jenny. Ein Mann, der es sich heimlich auf ein Bild seiner Frau machte – das war fast schon wieder süß. Gerade als Alina diesen Gedanken zu Ende geführt hatte, zoomte er das Bild in Großaufnahme näher heran. Alina erstarrte. Er vergrößerte nicht etwa Jennys, sondern ihr Gesicht!
Alina schreckte zurück und presste sich hastig atmend an die Fassade neben dem Fenster. Ihre weit aufgerissenen Augen waren kaum zu bändigen. Passierte das wirklich? Sie konnte nicht fassen, was sie beobachtet hatte. Was hatte das zu bedeuten? Er war Jennys Ehemann! Der Ekel überwog in Alina. Sie fühlte sich eher missbraucht als geschmeichelt.
Sie schlich an der Fassade entlang zurück zur Haustür. Der Gedanke daran, wie er mit seinem steifen Glied in der Hand an seinem Schreibtisch saß und sie gierig anstarrte, schüttelte sie. Sie musste eingreifen! Fest entschlossen drückte Sie die Klingel. Dieses Mal ließ sie ihren Daumen auf dem Knopf. Durch die geschlossene Tür hörte sie es innen penetrant schrillen.
Kurze Zeit später sah sie den Schatten hinter den Glaselementen der Eingangstür durch den Flur haschen. Die Tür öffnete sich. Mirco stand vor ihr. Sein Kopf knallrot – sicher eher vor Anstrengung denn vor Scham. „Alina!" begrüßte er sie perplex und streckte ihr seine auffallend warme Hand entgegen. „Tut mir leid, ich war gerade noch in einem Online-Meeting, das ich unmöglich unterbrechen konnte!" rechtfertigte er sich ohne eine Mine zu verziehen. Diese Abgebrühtheit hätte sie ihm niemals zugetraut.
„Ich bin mit Jenny verabredet. Sie sagte mir, Du würdest mir öffnen!" erklärte Alina und drängte sich an ihm vorbei ins Haus. Sie konnte seine warme feuchte Hand nicht länger an ihrer ertragen. „Komm gerne herein!" warf ihr Mirco freundlich hinterher. Oder war das ironisch? Sie musterte ihn skeptisch und schenkte ihm ein gespieltes Lächeln. „Ich muss ganz dringend wohin!" erklärte Alina knapp und verschwand im Bad. Sie verschloss die Tür und stützte sich flach atmend daran ab. Mirco nach ihrer Beobachtung gegenüber zu treten war unfassbar unangenehm. Die Abgeschiedenheit im Bad schenkte ihr ein wenig Erholung davon. Ein paar tiefe Atemzüge – dann hatte sie genug Fassung zurückerlangt um sich auf die Toilette zu setzen. Endlich konnte sie ihre drückende Blase entleeren.
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Schwarze Krähe
Mystery / ThrillerAuf dem Heimweg von ihrer besten Freundin trifft die schüchterne Alina Lotz im Zug auf Chris Glock. Der eigenartig anmutende Ermittler einer Mordkommission arrangiert kurzerhand ein erstes Date mit Alina und zieht diese daraufhin von Date zu Date st...