Schwarze Krähe

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15.03.2024, 19:21 Uhr, Dallas, Texas

Chris steckte Alina einen Schlüssel zu, als sie auf das Motel am Stadtrand von Dallas zuliefen. „In Zimmer 230 seid ihr ungestört!" erklärte er dazu. Seine Worte hievten Alinas Nervosität auf eine ganz neue Stufe. Ihr wurde unweigerlich bewusst, dass es allmählich ernst wurde – und wie unvorbereitet und überfordert sie damit war. Sie rief sich seine Worte wieder in Erinnerung und atmete tief durch. ‚Ich glaube, Du bist bereit dazu!' Sie würde es schaffen. Und die letzte unsichtbare Barriere zwischen Chris und ihr sprengen! Stumm packte sie den Schlüssel in die kleine Umhängetasche, die Chris ihr mitgegeben hatte und in der sich neben ihrem Handy, Kosmetiktüchern und Kondomen auch eine kleine Ampulle befand – für sein Sperma.

Sie betraten die Lobby. Im Gegensatz zu den Ortschaften, in die sie Chris sonst führte war dieses Motel alles andere als gehoben oder edel – im Gegenteil. Die Menschen, die sich an der kleinen Bar, dem Billardtisch und den Spielautomaten tummelten wirkten ebenso bodenständig bis heruntergekommen wie die Einrichtung. Es war Chris, der mit seinem blauen, maßgeschneiderten Dreiteiler nicht in diese Umgebung passte.

Ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, ließ Chris sich in den ersten freien Sessel direkt neben dem Eingang fallen. Die niedrigen Loungemöbel wirkten beinahe abgeranzt. Der kleine runde Beistelltisch war mit klebrigen Flecken gezeichnet.

Kaum hatte er sich gesetzt kam sich Alina auf ihren Beinen schlagartig einsam und verlassen vor. Zögerlich ließ sie den Blick durch den Raum schweifen. Ihre Überforderung lähmte sie jetzt schon! Sollte sie einfach losgehen und sich einen aussuchen? Wen? Erwartete Chris, dass sie einen attraktiven Mann verführte? Oder spielte das keine Rolle?

„Siehst Du diesen jungen Mann dort an der Bar? Grauer Pulli, dunkle Jeans! Er wird es sein!" beschloss Chris. Sie war dankbar um seine Initiative. Bis sie ihn erkannte – Mirco!

Alina wurde schlagartig heiß – und im nächsten Moment kalt. Sie zitterte. Was hatte das zu bedeuten? Sie verstand nichts mehr. Erschrocken blickte sie zu Chris herab. Er saß seelenruhig in seinem Sessel und schlug die Beine übereinander. „Können wir nicht woanders nach einem Mann suchen?" platzte es in ihrer Angst aus ihr heraus. Chris hob sein Kinn und schaute zu ihr auf. Er schüttelte den Kopf. „Er wird es sein!" bekräftigte er. Und zog Alina näher zu sich heran.

Er steckte ihr unauffällig einen kleinen Umschlag zu. „Falls er schwer zu knacken ist, wird Dir das helfen! Du schaffst das!" hauchte er und schob sie sogleich mit einem kräftigen Stoß in Richtung Bar.

Nur mit schnellen Trippelschritten konnte Alina den Stoß abfangen und einen Sturz verhindern. Das Klackern ihrer hohen Absätze erregte in der gesamten Lobby große Aufmerksamkeit. Erst jetzt wurde Alina bewusst, dass sie in ihrem aufgetakelten Aufzug beinahe ebenso wenig in diese Umgebung passte wie Chris. Dutzende Augenpaare lasteten auf ihr. Alina senkte ihren Blick und lief weiter. Direkt auf Mirco zu, der sie von seinem Barhocker aus ungläubig anstarrte. Ihre Gedanken schwirrten noch unsortiert in ihrem Kopf – doch offensichtlich gab es kein Zurück mehr.

„Hallo Alina. Was machst Du denn hier?" bereits diese einfache Frage erwischte sie kalt. „Ich habe Dich nur gerade hier sitzen sehen und wollte Dich begrüßen!" wich sie aus und gab ihm ihre Hand. Ihre plötzliche Schlagfertigkeit überraschte sie selbst. Die fremden Blicke auf ihr wurden spürbar weniger, als sie sich zu Mirco an die Bar setzte.

Dieser musterte sie. „Hast Du ein Date?" fragte er verwundert. Sein Gesicht durchströmte eine leichte Röte. Es erinnerte Alina daran, wie er auf ihr Foto onaniert hatte. „Nein, nein!" entgegnete Alina knapp. Ihr fehlten die Worte. Hilfesuchend blickte sie in Richtung des Eingangs von wo aus Chris sie aufmerksam beobachtete. Er nickte ihr in gewohnter Seelenruhe Mut zu. „Ich habe nur beim Vorbeifahren Halt gemacht, um eine Toilette aufzusuchen!" gab sie vor. „Und Du bist zum Billard verabredet?" schob sie hinterher, bevor Mirco weitere Nachfragen stellen konnte. Sie kannte die Antwort bereits. Jenny hatte ein paar Mal beiläufig erwähnt, dass Mirco freitags nach Feierabend ab und zu mit ein paar Kollegen Billard spielte. „Genau!" nickte Mirco. Seine Stimme versagte beinahe und er wirkte plötzlich noch schüchterner als sonst.