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06.03.2024, 12:18 Uhr, Blossom, Texas

Alina saß alleine im Bistro. Sie war in ihrer Pause mit Jenny verabredet, die wieder einmal auf sich warten ließ. Viel Zeit blieb Alina nicht. Mittags schloss die Praxis nur für eine Stunde. Also bestellte sie sich schon einmal ihr Essen - ein Sandwich mit Avocadocreme, Tomaten und Käse.

Jenny hetzte hinein und hielt Ausschau nach Alina. Sie erkannte ihre beste Freundin erst beim zweiten Hinsehen.
"Oh mein Gott, Line!!!" sie kam am den kleinen Tisch und drückte sie. "Was hast Du mit deinen Haaren angestellt?" sie starrte Alina mit großen Augen an und fuhr ihr durch die Spitzen. "Gefällt es Dir?" fragte Alina ausweichend.

"Mega!" antwortete Jenny und zwängte sich zu ihr auf den Stuhl. Sie zückte ihr Handy aus der Tasche, um ein Selfie mit ihr zu machen. Alina hasste das. "Sorry Süße, da musst Du jetzt durch!" sagte sie, zog ein Duckface und drückte ein paar Mal den Auslöser.

Nachdem Jenny ein paar Filter über das beste Foto gelegt und dieses hochgeladen hatte, setzte sie sich gegenüber von ihrer besten Freundin an den Tisch. "So, und jetzt raus mit der Sprache: Wer ist der Typ, den Du damit beeindrucken möchtest?" grinste sie.

Alina schluckte. War das wirklich so offensichtlich? Sie musste sich zusammenreißen. "Es gibt keinen Typen!" entgegnete sie knapp. "Ach, komm!" Jennys Grinsen wich einem flehenden Ausdruck. Sie griff nach Alinas Hand. "Erst die Nägel, jetzt die Haare! Fehlt nur noch der Minirock!" Alina schwieg. Sie fühlte sich ertappt. Jenny wähnte sich von der Stille bestätigt. "Ist es ein Patient? Oder etwa der Herr Doctor höchstpersönlich?" Nun grinste sie wieder. Alina nutzte ihre Chance. "Dr. Plath ist 62!" entgegnete sie angewidert und schüttelte den Kopf. "Es gibt niemanden!" wiederholte sie etwas schroff und starrte auf ihr Sandwich. Alina konnte ihrer besten Freundin nicht in die Augen sehen. Bisher war sie immer ehrlich zu ihr gewesen - abgesehen von der ein oder anderen Notlüge, um sich vor Shoppingtouren zu drücken. Warum nur brachte Chris sie in diese unangenehme Situation?

"Na gut..." lenkte Jenny ein. Alina wagte es nun, zögerlich wieder von ihrem Sandwich aufzublicken. "...aber ich behalte Dich im Blick!" fügte Jenny lächelnd hinzu und deutete auf sie. Alina fluchte innerlich. Verdammt! Sie konnte ihrer besten Freundin nichts vormachen. Umso schlechter fühlte sie sich mit ihrer Lüge.

Auch Jenny bestellte sich nun ein Sandwich und einen Kaffee. Bald schon würde sie auf vieles verzichten müssen. "Gibt es Neuigkeiten von der Klinik?" fragte Alina. Ein Strahlen legte sich auf Jennys Gesicht. "Übernächste Woche haben wir den Termin. Dann wird es ernst!" Alina freute sich für ihre beste Freundin. "Was genau passiert dann?" fragte sie nach. Jenny grinste und steckte den Kopf in ihre Richtung. "Sie schwängern mich... Aber ganz ohne Spaß und Orgasmus!" gab sie sich spielerisch enttäuscht. Alina musste nun ebenfalls grinsen. "Aprospros - wie läuft es mit Mirco?" Jennys Gesichtszüge wurden ernster. "Ich sagte wenn ich schwanger bin höre ich damit auf!" antwortete sie kleinlaut. "...das bin ich noch nicht!" Alina verdrehte die Augen. Jennys wilde Phase war also noch immer nicht vorbei! "Versprich mir, dass Du das jetzt endlich sein lässt!" bat sie. Jenny schaute ihr in die Augen. "Gut. Wenn Du mir sagst, wer der Typ ist!"

Verflucht! Dieser Punkt ging eindeutig an Jenny. Wieder konnte Alina den Blick ihrer besten Freundin nicht halten. "Er heißt Chris..." stammelte Alina leise. Kaum hatten die Worte ihre Lippen verlassen, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie verstieß gegen seine Regel! Es fühlte sich kaum besser an als die Lüge gegenüber Jenny. Alina begann zu schwitzen. Eine innere Unruhe packte sie. "Soso, ein Chris also." grinste Jenny. "Und weiter? Wer ist er? Woher kennst Du ihn?" sie rückte näher. "Wie sieht er aus?" Alina spürte ihr Erröten. Warum passierte ihr das so leicht? Sie winkte ab. "Er ist einfach Chris, das muss reichen!"

Jenny zog ihre Augenbrauen verwundert hoch, genau wie kurz darauf ihre Stimme "Okay..." Alina konnte ihre Irritation nachvollziehen. Sie wähnte sich in Erklärungsnot. "Es, es ist noch zu früh..." druckste sie herum. Jenny legte wieder eine Hand auf ihre und blickte Alina an. "Schon in Ordnung, Line! Aber Du weißt, dass Du mir alles sagen kannst, oder?" Alina nickte. "Danke!" hauchte sie schuldbewusst. Jenny hatte die ganze Wahrheit verdient. Doch sie war jetzt schon weiter gegangen, als Chris es ihr erlaubt hatte. Bestimmt gab es einen triftigen Grund für seine Forderung. Das musste also fürs erste genügen.

"Fühlst Du Dich immer noch beobachtet?" fragte Alina. Jenny hielt kurz inne. "Line, ich sags Dir, langsam werde ich paranoid. Die letzten Tage hatte ich das Gefühl zwar nicht mehr so stark, aber..." sie bückte sich und zog eine Zeitung aus ihrer Tasche, die sie vor Alina auf den Tisch klatschte.

" sie bückte sich und zog eine Zeitung aus ihrer Tasche, die sie vor Alina auf den Tisch klatschte

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"Irgendwo treibt hier vermutlich ein Mörder sein Unwesen!" ergänzte Jenny.
"Gruselig!" pflichtete Alina ihrer besten Freundin bei. Jenny nickte. "Vor allem, dass die Leiche am Lewisville Lake gefunden wurde. Mirco und ich waren da früher immer nacktbaden." Alina schaute auf. "Was, Mirco?" fragte sie. Die Ausführungen passten nicht zu dem prüden Bild, das sie von Jennys Ehemann hatte. Jenny schien ihre Skepsis zu verstehen. "Das war ganz am Anfang!" relativierte sie und seufzte.

"Stell Dir das mal vor, ein Mörder hat die Leiche irgendwo dort abgelegt. Ein paar Jahre früher - und wir wären ihm womöglich in die Quere gekommen!" Jenny streckte ihren Arm über den Tisch in Alinas Richtung. Ihr Unterarm war überzogen mit einer sichtbaren Gänsehaut. Nun war Alina es, die ihre Hand auf Jennys legte. "Mach Dir nicht so viele Gedanken, Jenny!" wirkte sie beruhigend auf sie ein.

Dabei kreiste ihr eigenes Gedankenkarussell längst im Eiltempo. Chris jagte diesen Mörder! Ihr Chris! Der Zeitungsartikel hatte ihr die Ernsthaftigkeit seines Berufs erst vor Augen geführt. Er selhst hatte ihr während ihrer Dates nie davon berichtet. Dabei bot sich seine Tätigkeit nahezu an, um Frauen zu beeindrucken. Oh Chris! Er war einfach anders! Womöglich war er dem Killer genau jetzt auf der Fährte. War er in Gefahr? Wann würde er sich wieder bei ihr melden? Alina ertrug es nicht mehr. "Ich muss los!" sagte sie und sprang auf. Sie umarmte ihre Freundin, legte einen Geldschein auf dem Tisch und stürmte aus dem Bistro. Jenny starrte ihrer türmenden Freundin verdutzt hinterher. Und griff nach dem Zeitungsartikel, um ihn erneut zu studieren.

Schwarze KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt