𝙁𝘼𝘿𝙀 𝙄𝙉𝙏𝙊 𝙔𝙊𝙐 ⁿᵒˡⁱⁿ

𝘌𝘓𝘌𝘝𝘌𝘕, schere stein papier

( colin ) was haben wir zu verlieren?
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Das Zimmer meines Englischkurses befand sich im Keller des Hörsaalgebäudes und sah sehr viel mehr wie ein Abstellraum aus, als ein Klassenzimmer. Die Lichter flackerten, das Whiteboard funktionierte nicht und der Dozent – ein anstrengender kleiner Mann im Anzug – schien zu glauben, er unterrichtete an einem amerikanischen Ivy League College. Zumindest war er ziemlich enttäuscht gewesen, als er herausgefunden hatte, dass einige der Studierenden sich nicht einmal problemlos vorstellen konnten. Dennoch sprach er weiter auf Englisch, was für die Zuhörenden weder durch seine Sprechgeschwindigkeit, noch den starken sächsischen Dialekt angenehmer wurde. Gerade wollte ich den Kurs schon als überspringbar abstempeln, als sich die schwere Tür noch einmal öffnete und niemand anderes als Noah durch den Spalt schaute.

Als er mich entdeckte erhellte sich sein Gesicht für einen Moment, doch dann glitt sein Fokus sofort zu unserem Dozenten, der ihn irritiert und etwas genervt anfunkelte.

„Sorry, ist das B2 Englisch?"

„In English, please."

„Also ja." Noah lachte leise in sich hinein und ließ die Tür hinter sich zu fallen. Für einen Moment glaubte ich, er würde sich einfach den den nächstbesten Platz am Rand setzen, doch er zwängte sich durch die Reihen bis er den freien Stuhl neben mir erreichte. Klar, schließlich kannten wir uns. Vielleicht hätte ich dasselbe getan. Es war nicht komisch. Der Dozent schüttelte etwas angepisst den Kopf, sprach dann aber weiter über die Wichtigkeit von Kommas und Satzbau, als würde es irgendwen interessieren.

„Ich dachte, du studierst irgendetwas mit Zahlen", flüsterte Noah mir zu. Er legte seinen Kopf auf seine Arme, nicht einmal daran denkend, einen Stift und Papier aus seinem Rucksack zu holen.

„Englischkurse sind auch für Informatik Pflicht. Ich dachte du studierst irgendetwas deutsches?", entgegnete ich.

„Ja, das dachte ich auch." Er rieb sich die Augen. „Scheinbar sind viele von den Texte die wir lesen müssen aber auf Englisch. Und mein Englisch ist very shit."

„Immer noch?" Noah machte ein betretenes Gesicht und schüttelte dann grinsend den Kopf. Es war seltsam ihm wieder so gegenüber zu sitzen. Als wären wir ohne Vergangenheit. Aber vielleicht waren es die Jahre, die seit unserem letzten Treffen verstrichen waren. Vielleicht war das hier wirklich ein Neubeginn.

Der Dozent erschien plötzlich vor unserem Tisch und funkelte uns wütend an, während er uns je einen dünnen Stapel Blätter auf den Tisch knallte. Dr. Kiereckl's Guide to B2 English. Ach du Schande, der meinte es wirklich ernst.

Der dünne Stapel stellte sich als dreißigseitiges Handbuch voller Aufgaben, Erklärungen und Textausschnitten heraus, welches wir wohl im kommenden Semester bearbeiten würden – ob wir wollten oder nicht. Noah sah in etwa so begeistert aus wie ich, als er die Seiten überflog und das, obwohl ich in Englisch eigentlich ziemlich gut war. Ich war hier, um Algorithmen zu programmieren und sinnlose Codes auszurechnen, nicht, um Shakespeare zu interpretieren.

„In den Heften befindet sich sowohl ein Überblick über die gesamten Inhalte des Kurses, als auch eine detaillierte Erklärung und Aufgabenstellung des Abschlussprojektes. Eure Ausarbeitungen sollen am Ende des Semesters in kleinen Gruppen präsentiert werden – je nachdem, für welche Form ihr euch entscheidet. Die Benotung wird aus einer Note für das Gesamtergebnis und einer Note, die ihr euch gegenseitig erteilt, bestehen. Mehr dazu findet ihr auch in den Heften", erklärte der Dozent nun ausnahmsweise auf Deutsch und sah aus irgendeinem Grund Noah und mich dabei an. Klasse, noch nicht einmal einen vollen Block überstanden und schon hasste mich der Professor.