Kapitel 1

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Neue Anfänge – Paris, Juli 1984

Eine Menge an Menschen war gekommen und schaute mit mehr oder weniger interessierten Blicken auf die Plattform, auf der ein großer Mann eine Rede hielt. Dass ihm dabei nur die Hälfte zuhörte, schien ihn recht wenig zu interessieren.

Er schaffte es dennoch, mit begeistertem Blick seine Worte zu verkünden und immer wieder in die Menge zu schauen

Einige der Anwesenden hatten ihre Familien zu der Veranstaltung mitgenommen, andere ihre Freunde, manche waren aber auch allein. Dennoch waren auch andere Leute anwesend – Angestellte, Professoren und Studenten, die vor ihnen das Studium abgeschlossen hatten.

Sie hatten sich aber alle wegen einem Grund versammelt: Um den Abschluss der neuen Absolventen zu feiern.

Sechs junge Menschen saßen auf Stühlen neben dem Pult in dunkelblauen Roben, die alle mit goldenen Applikationen verziert waren – Pflanzen und Kräuter auf den Ärmeln, einen schmuckvollen Zaubertrankkessel auf dem Rücken, aus dem Rauch aufstieg und kleinere unauffällige Schriftzüge an den Nähten der Umhänge – Die Grundsätze, des Instituts. Die Absolventen konnten sie alle auswendig. Auf der Vorderseite war das Emblem des Pariser Instituts für Zaubertränke gestickt: Ein goldener Rabe auf blauem Grund.

Henry Schwartz -derzeitiger Leiter des Instituts und Nachfahre des Gründers Jaques Schwartz- beendete seine Rede und rief die Absolventen nacheinander auf.

Es folgte ein kurzer Applaus, obwohl der von den Absolventen wahrscheinlich am lautesten war. Denn in den letzten drei Jahren hatten sie einander liebgewonnen und sie verband eine tiefe Freundschaft.

Es waren am Anfang fast dreißig Studenten gewesen, aber viele hatten abgebrochen. Die meisten hatten schon in den ersten Wochen aufgegeben, am Ende des ersten Jahres waren sie dann nur noch zehn gewesen. Als sie das zweite Jahr beendet hatten, waren es nur noch sechs.

Sechs Leute, die sich durchgeschlagen hatten, die durchgehalten hatten und nun mit Stolz ihr Zeugnis in die Hand gedrückt bekamen.

Sie traten alle auf die Plattform und bekamen ihr Zeugnis von Henry in die Hand gedrückt. Natürlich durfte ein Foto von der Presse nicht fehlen – Sicher würde man es demnächst in der Zeitung lesen können, wenn nicht sogar noch am selben Tag. Denn diese sechs jungen Menschen waren etwas Besonderes und das war jedem der Anwesenden bewusst.

Es dauerte nicht besonders lange, bis er bei der letzten Person angekommen war und sich noch einmal räusperte.

Die junge Frau mit dunklen Haaren sah zu ihm und ihren Freunden auf, die schon alle auf der Plattform standen und im Publikum nach ihren Familien in der Menge suchten. Nur einer sah zu ihr herunter und grinste sie breit an. Drei Jahre hatten sie nun auf diesen Moment hingearbeitet und nun war es endlich so weit.

„Und mit besonderer Auszeichnung, darf ich Ihnen die letzte Absolventin dieses Abends vorstellen", ertönte Henrys Stimme durch den Lautsprecher. „Die beste und jüngste Absolventin, die das Pariser Institut für Zaubertränke je gesehen hat. Mademoiselle Ophelia Potter."

Ophelia lächelte kurz auf, bevor sie sich erhob und zum Rednerpult ging.

Es waren nur fünf Stufen, aber sie kostete jeden Moment aus, bis sie bei Henry angelangt war. Sie wagte einen Blick in die Menge und spürte ein leichtes Ziehen in ihrer Brust, als sie nicht die Gesichter sah, die in ihrer Vorstellung hätten da sein sollen.

Drei Personen waren ihrer Einladung nach Paris gefolgt, eine hatte absagen müssen und der Rest – der Rest konnte aus offensichtlichen Gründen nicht kommen, außer man wagte es, Nekromantie anzuwenden, was ihr natürlich eine direkte Fahrt nach Askaban eingebracht hätte.

cicatrize - the scars of the past [R.L.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt