Kapitel 16

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Gründe, eine super wichtige Gala nicht zu besuchen – London, Juli 1988

Wie die restliche Gala verlief erfuhr sie aus der Zeitung – Jedenfalls die Sicht von Rita Kimmkorn darüber. Am darauffolgenden Montag hörte sie die Version ihrer Kollegen und diskutierte mit Damocles über alles beim Mittagessen.

„Hast du mitbekommen, dass Berta Jorkins sich den Mund über ihren Vorgesetzten zerrissen hat, während er neben ihr stand?", fragte Ophelia weiter, nachdem sie einen Platz in einem Café gefunden hatten.

„Nö", sagte Damocles und starrte aus dem Fenster.

„Und das mit Cornelius Fudge?", fragte sie weiter.

„Nicht wirklich." Sein Blick wirkte abwesend.

„Und dass angeblich Dumbledore auf einem der Tische getanzt hat... nackt und McGonagall hat währenddessen gerappt", erzählte sie weiter, doch Damocles rührte sich nicht. „Schade, dass Alex und ich dann schon weg waren."

„Wie spannend", sagte er weiter.

„Und ich hab auch gehört, dass du mir überhaupt nicht zuhörst."

„Das habe ich auch gehört."

Nun reichte es ihr. „Damocles!", rief sie und ihr bester Freund (und ein paar Gäste neben ihr) zuckte zusammen. „Was?", fragte er entgeistert.

„Du hörst mir nicht zu", erwiderte sie. „Ich rede seitdem wir in diesem Café sind mit mir selbst. Selbst für eine Hexe ist sowas verrückt."

„Tut mir leid", murmelte er und fuhr sich durch die Haare. „Ich war in Gedanken."

„Darf ich erfahren wieso?", fragte sie und nahm die Heiße Schokolade entgegen, die die Kellnerin ihr reichte.

„Ich habe mich am Samstag mit jemandem getroffen", sagte er nach einer kurzen Pause.

„Und mit wem?", fragte Ophelia weiter. Natürlich interessierte es sie brennend, wie Damocles nicht zu der Gala erschienen war (er hatte sie mit einem „Ich habe keine Zeit" abgespeist). „Das scheint dich ziemlich aus der Bahn geworfen zu haben."

„Mit einer jungen Frau", erklärte Damocles. „Ihr Name ist Daisy."

Ophelia sah ihn vielsagend an. Sie konnte ein Grinsen nicht zurückhalten. „Das ist nicht dein Ernst."

„Doch", sagte Damocles, doch er schien ihren Enthusiasmus nicht zu teilen.

„Du hörst dich so an, als ob sie dir deinen Todestag verkündet hat", bemerkte Ophelia und legte den Kopf schief. „Ist alles okay bei dir?"

Damocles schüttelte mit dem Kopf und fuhr sich über das Gesicht. „Nicht wirklich. Ich treffe mich schon seit ein paar Wochen mit ihr und ich habe Angst, dass es ernst zwischen uns ist."

„Ist das nicht etwas Gutes?", fragte Ophelia und versuchte ihre Enttäuschung zu überspielen, darüber dass Damocles ihr nicht schon früher von dieser Daisy erzählt hatte. „Seit der Sache mit Sirius hast du nicht einmal ein zweites Date ertragen können und nun triffst du dich seit ein paar Monaten mit dieser Daisy und es scheint doch gut zu laufen."

„Das ist es ja", sagte er. „Ich hatte keine richtige Beziehung mehr seit Sirius. Ich weiß nicht einmal, ob das was ich fühle, wirklich etwas ist. Ich- Ich fühle mich, als ob ich ihn betrügen würde."

„Damocles." Ophelias Tonfall wurde schlagartig etwas ernster. Sie nahm seine Hand in ihre und sah ihn in die Augen. „Du kannst Sirius nicht betrügen. Er ist seit sieben Jahren in Askaban und ich denke nicht, dass er jemals wieder die Mauern des Gefängnisses verlassen wird. Ich glaube, es ist an der Zeit, weiterzuziehen und etwas Neues zuzulassen."

„Sowie du schon Remus hinter dir gelassen hast?", fragte Damocles und hob eine Augenbraue.

„Das ist etwas anderes", erwiderte sie.

„Wie ist das etwas anderes? Du hast seit sieben Jahren auch keine richtige Beziehung gehabt und diese absurde Wohngemeinschaft mit meinem Cousin ist wohl keine richtige Beziehung, auch wenn die Presse das anders sieht."

„Ich habe niemanden getroffen, für den ich diese Art von Gefühlen empfinden kann", sagte Ophelia ernst. Es entsprach der Wahrheit. Seit Remus war da niemand gewesen und sie bezweifelte, dass es noch jemanden geben würde, für den sie dasselbe empfinden würde, wie für ihn. „Du allerdings scheinst dich gerade in jemanden zu verlieben, Damocles."

Er wich ihrem Blick wieder aus. „Liebe ist ein sehr starkes Wort."

„Es sind auch sehr starke Gefühle", erwiderte Ophelia.

„Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dazu bin, sie in mein Leben zu lassen."

„Doch bist du, ich weiß es."

Er schwieg. Damocles ließ Ophelias Hand los. Damocles war eine Person, die nicht gerne allein war. Anders als Ophelia konnte er sich ein Leben ohne jemanden an seiner Seite nur schwer vorstellen. Weswegen er wahrscheinlich auf all diesen Dates war. Weswegen er versuchte, Sirius wie verrückt zu vergessen.

Er wollte weiterziehen. Er war bereit, einen neuen Weg einzugehen.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis er die nächsten Worte aussprach: „Da ist noch etwas."

„Was denn?"

„Daisy hat mir bei unserem letzten Treffen erzählt, dass sie ein Werwolf ist", sagte er. „Sie meinte, ich solle es wissen, bevor ich eine Beziehung mit ihr eingehe."

„Ich verstehe", murmelte Ophelia.

„Ich kann darüber hinwegsehen, aber ich weiß nicht, ob meine Familie das kann", sagte Damocles. „Ich befürchte, dass ich mich dann zwischen ihnen und Daisy entscheiden muss."

„Und du willst dich nicht entscheiden", bemerkte Ophelia.

„Ich kann mich nicht zwischen ihnen entscheiden", sagte Damocles. „Ich kenne Daisy erst seit ein paar Monaten, aber wenn ich mich dazu entscheide, sie in mein Leben zu lassen, dann soll sie auch ein fester Teil davon werden, aber ich will mich nicht mit meinen Eltern oder mit meiner Tante zerstreiten, weil ich mit einem Werwolf zusammen bin."

„Weißt du denn, ob sie dich deswegen ausstoßen würden?", fragte Ophelia weiter.

„Ich denke, dass die Meinungen gespalten sein werden", sagte Damocles. „Vielleicht hätte sie es vor dem Angriff nicht interessiert, aber seit der Sache mit Martin und Genievive kann es sein, dass sie dagegen sein werden."

„Die Meinungen werden sicher auseinander gehen, aber wenn du dir sicher bist, dass du mit ihr zusammen sein willst, dann sollte es dir egal sein", sagte Ophelia und griff nach seiner Hand. Damolces blickte kurz zu ihr auf und schenkte ihr ein Lächeln.

In Momenten wie diesen fragte Ophelia sich, warum die Presse eigentlich sich nicht dachte, dass sie mit Damocles zusammen war. Natürlich wohnte sie mit Alex zusammen, aber sie zeigte sich mehr mit Damocles in der Öffentlichkeit.

Wahrscheinlich war er ihnen nicht interessant genug.

„Ich habe trotzdem Angst", sagte Damocles.

„Du solltest das Risiko auch nur eingehen, wenn du dir wirklich sicher bist", sagte Ophelia. „Aber egal wie du dich entscheidest, ich bin auf deiner Seite und ich bin mir sicher, dass Alex das auch sein wird, auch nachdem, was damals in Paris passiert ist."

„Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so sein wird, aber danke, dass du auf meiner Seite bist", murmelte Damocles. Natürlich war seine beste Freundin auf seiner Seite. Wieso sollte sie nicht? Sie konnte doch am besten nachvollziehen, wie er sich nun fühlen musste. Auch wen Euphemia und Fleamont Potter sicher schon längst von Remus wussten.

Er liebte seine Familie, aber etwas in ihm sagte, dass Daisy ihm wichtig war. Wichtiger als all die anderen Mädchen vor ihr. Es war das erste Mal seit sieben Jahren, dass er wirklich etwas fühlte. Etwas anderes als Leere in diesem Teil seines Herzens.

Es war das erste Mal seit Sirius, dass jemand diesen Platz einnahm. 

cicatrize - the scars of the past [R.L.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt