Kapitel 17

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Daisy Lewis - London, August 1988

Juliette sah sich im Spiegel an und zog an ihrem roten Kleid herum, als ob es ihr an manchen Stellen zu eng sei (das Kleid passte wie angegossen). Mit kritischem Blick sah sie ihr Spiegelbild an und inspizierte Ophelias altes Kleid.

„Warum muss ich nochmal dieses Kleid anziehen?", fragte sie mit einem Hauch Genervtheit in der Stimme, während sie weiter an dem Stoff herumzog.

„Weil wir einen guten Eindruck bei Daisy hinterlassen wollen." Ophelia sah nicht von ihrem Schminkspiegel weg, hatte Juliette aber im Blick, während sie ihr Rouge auftrug.

„Warum müssen wir einen guten Eindruck hinterlassen?" Juliette gab das Ziehen auf und drehte sich hin und her, während sie aber nicht den Blick von ihrem Spiegelbild nahm. Sie versuchte, einen Fehler an diesem Kleid zu finden, doch es gelang ihr nicht. So sehr sie es auch wollte. „Schließlich will sie ja uns kennenlernen."

Ophelia griff nach ihrem Lippenstift. Er hatte dieselbe Farbe wie Juliettes Kleid. „Sowas beruht auf Gegenseitigkeit."

Die Blonde legte ihren Kopf schief. „Warum?"

„Ganz ehrlich?" Ophelia legte den Lippenstift zur Seite und drehte sich zu Juliette um, die ihre Hände in die Hüfte gestemmt hatte und sie mit einem frechen Blick ansah. (Es war ihr „Ich stelle dir so lange nervige Fragen, bis ich meinen Willen bekomme"-Blick, doch Ophelia war zum Glück immun dagegen.) „Ich habe keine Ahnung, aber ich bin mir sicher, dass Daisy sich darüber freuen wird, wenn du dich extra für sie schick gemacht hast."

„Hm." Juliette sah wieder zu ihrem Spiegelbild und formte die Augen zu schlitzen. Als ob sich ihr Kleid plötzlich in etwas anderes verwandeln würde.

„Luna wird sicher auch ein nettes Kleid tragen."

„Und warum soll ich dann ein nettes Kleid anziehen, wenn sie schon eins an hat? Sie kann doch sicher hübsch genug für uns beide sein."

„Du wirst ein nettes Kleid tragen. Ende der Diskussion."

„Aber Kleider sind so langweilig." Das letzte Wort sprach sie gedehnt aus, während sie sich dramatisch auf Ophelias Bett fallen ließ.

„Sind sie nicht. Ist mein Kleid etwa langweilig?"

Juliette musterte Ophelia, die selbst ein blaues Kleid trug. Ihre Tante sah gut in Kleidern aus. Aber an Juliette sahen sie immer so kitschig aus, wie sie fand. „Nein, aber du bist auch alt."

Ophelia schnaubte belustigt. „Ich erinnere dich daran, wenn du achtundzwanzig bist."

Juliette zuckte mit ihren Schultern. „Mach das. Ich würde viel lieber etwas anderes anziehen."

„Okay, machen wir einen Deal."

Nun blickte Julie Ophelia interessiert an, während sie sich aufrichtete. „Ich höre."

„Du ziehst das Kleid an und das nächste Mal, wenn wir schicke Kleidung für solche Anlässe kaufen, bekommst du auch einen Festumhang wie Vincent. Abgemacht?" Ophelia trat auf ihr Bett zu und hielt Juliette ihre Hand hin.

„Abgemacht." Energisch griff Julie nach Ophelias Hand und schüttelte sie.

„Und nun lass uns gehen." Ophelia schnappte sich den Umhang, der über ihrem Stuhl hing und warf sich ihn über. „Ich bin mir sicher, dass Alex und Vincent schon dort auf uns warten. Und alle anderen auch."

„Fünf Minuten gelten noch nicht als Verspätung."

„Woher hast du das?"

„Von Rudolf. Der neue Junge aus meiner Klasse. Er ist aus Deutschland und meint, dass fünf Minuten noch nicht als Verspätung gelten."

cicatrize - the scars of the past [R.L.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt