Laut drangen unzählige Stimmen an mein Ohr, als ich meinen nicht allzu schweren Koffer in den scharlachroten Zug hievte.
Dort nahm ihn mir eine Frau im Schaffneranzug ab und lies ihn mit einem Wink in eine Ecke sauber gestapelter weiterer Koffer und Taschen schweben. Sie zwinkerte mir zu und erklärte:
,,Der wartet dann in Hogwarts auf dich."
Ich lächelte ihr dankbar zu und das vor freudige Kribbeln in mir wurde immer größer.Hogwarts, ich komme!
Langsam ging ich den Gang entlang und spähte in die Viererabteile. Einige waren schon besetzt von größeren Schülern, die sich bereits angeregt über ihre Ferien unterhalten zu schienen.
Trotzdem fand ich noch ein freies, in das ich hineintrat und mich auf einen Platz am Fenster setzte. Ich legte meinen Kopf an die kühle Scheibe und fragte mich, ob sich wohl jemand zu mir setzen würde ...
Wahrscheinlich eher nicht - ich hatte ja auch nach einem freien Abteil geschaut.
Auch, wenn ich mit meinen ordentlich gewaschenen Haaren, die ich zu zwei geflochtenen Zöpfen gebunden hatte, und der perfekt passenden Hogwarts-Uniform nicht mehr so abstoßend aussah, wie ich es noch vor ein paar Tagen getan hatte, war ich schließlich immer noch Samantha, die, mit der sich nie jemand unterhalten hatte und die nie bei den Pausenhof-spielen mitspielen durfte.
Plötzlich räusperte sich jemand hinter mir und ich drehte den Kopf zur Abteilungstür. Dort stand ein mittelgroßes Mädchen mit schulterlangen, braunen Haaren und ebenfalls brauen sanften Augen.
,,Ist hier vielleicht noch ein Platz frei für mich?"
,,Na klar, setz dich ruhig!" Freudig lächelte ich sie an. Sie erwiderte es und setzte sich mir gegenüber.,,Ich bin Ari. Eigentlich Aventurine, aber das ist mir einfach zu lang ... Wie heißt du?"
,,Samantha", antwortete ich und fügte schmunzelnd hinzu: ,,aber nenn mich ruhig Sam".
,,Cool! Das ist auch dein erstes Jahr in Hogwarts, oder?"
Ich nickte und Ari redete direkt weiter.
,,Ich bin schon soo aufgeregt! Weißt du, ich bin die erste aus meiner Familie, die nach Hogwarts geht. Meine kleinen Brüder sind erst in zwei Jahren dran."
Sie grinste und fragte:
,,Hast du Geschwister?"
,,Nein, leider nicht ..."
,,Oh, du Arme. Die beiden sind zwar manchmal echt nervig, aber ohne sie wäre mein Leben wohl viel langweiliger."
Sie lachte und kleine Grübchen erschienen neben ihren Augen.,,Hast du denn schon eine Idee, in welches Haus du kommen könntest?"
Ich wog den Kopf.
,,Nicht wirklich. Ravenclaw wäre schön ... auch Gryffindor, aber ich glaube nicht, dass ich dorthin komme. Ich bin nicht so mutig. Was denkst du, in welches Haus du kommst?"
,,Ich bin mir auch nicht sicher. Meine Mutter war in Slytherin, mein Vater in Ravenclaw. Meine Cousine ist in Hufflepuff. Wo waren deine Eltern?"Oh nein, das musste ja kommen. Ich schluckte den Kloß hinunter, der immer in mir aufkam, wenn ich an meine verstorbenen Eltern dachte und antwortete:
,,Das weiß ich nicht. Ich kann mich nicht an sie erinnern ..."Ich sah aus dem Fenster, an dem grüne Landschaften vorbeizogen, damit sie meine schimmernden Augen nicht bemerkte.
,,Das tut mir Leid ...", murmelte Ari, bevor sie betroffen schwieg.,,Schon gut", ich schenkte ihr erneut ein Lächeln und war froh, als eine rundliche Dame im nächsten Moment die Wagentür aufschob und fragte:
,,Ihr Lieben, etwas vom Süßigkeiten-Wagen?"
,,Au ja!", rief Ari und sprang auf.
,,Für mich nicht, danke", sagte ich schweren Herzens.Ich hatte noch nie die Möglichkeit gehabt, mir etwas süßes zu kaufen. Ich hatte kaum Geld - und selbst wenn ich mehr hätte würde ich mir lieber anderes davon kaufen.
Oder Carl etwas geben, als Dank für die Bücher - und dass er für mich da war.
Ich hatte viel Zeit mit ihm verbracht in den letzten Tagen, er hatte mir alle meine Fragen zur magischen Welt beantwortet und ich hatte ihm sogar etwas aus meiner Vergangenheit erzählt. Ihm hatte ich auch zu verdanken, dass ich den Weg zum Gleis 9 ¾ gefunden hatte - ich wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, gegen die Säule zwischen Gleis neun und zehn zu laufen!
DU LIEST GERADE
In memoria tenere
FanfictionEine magische Schule, geheimnisvolle Artefakte; neue Freundschaften und Erinnerungen aus vergangenen Tagen ༺༻ Die bald 11 Jährige Samantha Smith wuchs bei ihren Verwandten auf, ohne je Zuneigung oder Liebe von ihnen zu erfahren. Aus ihrer trostlos...