Kapitel 10

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Am nächsten Morgen wurde ich von einer aufgeregten Ari geweckt. Viel zu früh für meinen Geschmack!
,,Saaam, wach auf! Ich habe mir etwas überlegt!", verkündete sie und hopste im Sitzen auf ihrer Matratze herum.

Ich gähnte und setzte mich träge auf.
,,Was 'n", nuschelte ich und blinzelte müde, aber auch etwas neugierig geworden, zu meiner Freundin.

,,Ich war ja leider gestern nicht in Verteidigung und konnte den neuen Zauber gar nicht üben, und du bist ja auch nicht so ganz dazu gekommen. Aber Titus kann ihn ja!
Wie wäre es, wenn er das mit uns zusammen übt? Wir kriegen das bestimmt auch bald hin und dann staunen die Anderen und Professor Lloyd, wenn wir im nächsten Unterricht den Zauber - zack - einfach können!"

Begeistert sprang sie auf und tat so, als würde sie sich ein Duell mit einem unsichtbaren Gegner liefern.
Ich musste kichern, sie war wirklich keine schlechte Schauspielerin!

,,Also? Wollen wir ihn fragen?"
Die mutige Kämpferin war vor mir stehengeblieben und sah mich nun so voller Freude und Hoffnung an, dass ich gar nicht ablehnen konnte.
,,Also gut, versuchen wir es"
,,Jippii", jauchzte Ari und tanzte ins Bad um sich für den ersten Unterricht fertig zu machen, währenddessen sang sie irgendwelche aktuellen Hits aus dem Radio.

Es war zum Glück Freitag, was bedeutete, dass wir nur vier Stunden Unterricht hatten und danach mit Aris Plan beginnen konnten.
Titus hatte dem ganzen natürlich zugestimmt, mir aber einen fragenden Blick zugeworfen.
Aber seine unausgesprochene Frage war berechtigt: wollte ich das wirklich üben und eventuell all das erneut erleben müssen?
Aber auf der anderen Seite war es einen Versuch wert - und auf jeden Fall besser, nur mit meinen Freunden zu üben als vor der gesamten Klasse. 

So kam es also, dass wir nach Kräuterkunde nicht mit den anderen Schülern hoch ins Schloss gingen, sondern draußen blieben und nach einem von Bäumen und Gestrüpp sichtgeschützten Ort Ausschau hielten.
Das war gar nicht so leicht, denn die meisten Bäume waren schon kahl, hatten ihr schützendes Blätterkleid bereits losgelassen. 

Nach ein wenig suchen fanden wir dann doch einen brauchbaren Übungsplatz, der von jungen Tannen umrahmt war.

Titus lies mich Ari zuerst die Theorie erklären und ich merkte stolz, dass ich mir alles gemerkt hatte.
Zusammen übten wir die Aussprache und die Bewegung, dann führte Titus den Zauber mit Ari, die sich wie im Unterricht ein Schutzschild aufrecht erhielt, den Zauber vor.

,,Darf ich jetzt?", fragte Ari aufgeregt, sobald das Schild zerbarsten war.
Titus grinste und nickte. Dann beschwor er ein neues Schild auf und Ari stellte sich in Position. Mit konzentrierter Mine hob sie ihren Zauberstab und rief dann: ,,Stupor!"

Nichts geschah. Fragend sah meine Freundin zu mir.
,,Hast du etwas gesehen, was ich falsch gemacht habe?"
,,Ich glaube, du hast die Bewegung etwas zu schwungvoll gemacht und damit gar nicht auf Titus gezielt", erklärte ich meine Beobachtung.

,,Du hast wahrscheinlich Recht, danke. Okay dann versuch' ich 's einfach noch einmal ..."
Dieses Mal glomm das Schutzschild etwas auf, blieb allerdings bestehen.
,,Das war etwas zu sanft, Ari", ermutigte Titus sie, es erneut zu probieren.

Und tatsächlich zerplatzte das Schild jetzt, genau wie es das bei Titus getan hatte. Ari jubelte vor Freude und lies bunte Lichter aus ihrem Zauberstab aufsteigen - ein lustiger Zauber, den wir in Zauberkunst gelernt hatten.

,,Willst du es zuerst an einem nicht lebenden Ding ausprobieren?", fragte Titus mich und deutete auf den Baumstumpf einer Tanne, die wohl einst bei einem starken Sturm gefallen sein musste.
Ehrleichtert nickte ich, hob den Zauberstab, atmete noch einmal tief durch und sagte: ,,Stupor!"
Ein blaues Licht prallte auf den Stumpf, glomm einmal auf und verschwand dann wieder.
,,Voll gut, Sam!"

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