Kapitel 6

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Der nächste Morgen kam - und trotz der unruhigen Nacht fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Ich hatte keine Schmerzen, war hier in Hogwarts, wo ich Menschen um mich hatte, denen ich nicht egal war.

Ich strahlte und sprang aus dem mit grünen Samtstoff geschmückten Bett. Ein Blick zum zweiten Bett in diesem Raum, das leer war, ließ allerdings die Schuldgefühle in mir wieder aufflammen. Ari hatte wegen mir auf dem Sofa des Gemeinschaftsraums schlafen müssen. Ihre erste Nacht in Hogwarts!

Hoffentlich verzeiht sie mir!, dachte ich, während ich mich fertig machte.

Im Bad betrachtete ich mein Spiegelbild kritisch. Der Spliss in meinen Haaren störte mich. Ich hatte noch nie eine Frisör besuchen dürfen ... vielleicht konnte ich aber jetzt selbst nach einem Zauber suchen, um dieses Problem zu beheben.

Ich betrachtete mein Spiegelbild noch einen Moment länger. Unter meinen blauen Augen lagen Augenringe, die von der letzten Nacht zeugten. Meine Haut war blass, was sie allerdings von Natur aus war. Ich schnitt mir eine Grimasse und verlies das Bad.

Im Wohnzimmer traf ich auf Ari.
,,Hi, Sam! Na, alles okay?", begrüßte sie mich munter.
,,Ja", antwortete ich. ,,Tut mir Leid, dass du auf dem Sofa schlafen musstest."

Ari machte eine wegwerfende Handbewegung.
,,Ach, das, alles gut. Neben dem Kamin war es wenigstens mollig warm." Sie zwinkerte.
,,Komm, lass uns zur großen Halle gehen. Ich habe einen Bärenhunger!"

Das war allerdings leichter gesagt als getan: Der Weg war uns von gestern nicht mehr ganz in Erinnerung - wir verliefen uns hoffnungslos. Nur mit Hilfe eines freundlichen Porträts kamen wir bei unserem Ziel an.

Obwohl die Halle nicht ganz so voll wie gestern war, ein munteres Stimmengewirr war trotzdem vorhanden. Die fröhliche Atmosphäre war ansteckend, ein Lächeln zierte unsere Gesichtszüge während wir uns am langen Tisch der Slytherins niederließen. Darauf türmte sich mehr Essen, als ich je gesehen hatte. Mal abgesehen von gestern Abend natürlich.

Aber anders als erwartet blieb das verbittere Gefühl, das normalerweise aufkam, wenn ich an mein früheres Leben dachte, aus - was mich fröhlich grinsen lies, während ich mir ordentlich Obstsalat auftat.

Gegen Ende der Mahlzeit erhoben sich vier der Lehrer und jeder ging zu einer der Tafeln. Zum Slytherin-Tisch kam Professor Snape, der uns die Stundenpläne aushändigte.

,,Gleich haben wir Zauberkunst", stellte meine Freundin sofort erfreut fest.
,,Danach Geschichte der Zauberei - und Zaubertränke!", rief ich erfreut aus. Dass der Professor bei diesen Worten schmunzeln musste, entging mir.

Wir beeilten uns nun, aus der Halle zu kommen - wer weiß, wie lange wir brauchen würden um das Zauberkunst-Klassenzimmer zu finden.
Doch unsere Sorge stellte sich als unbegründet heraus, wir folgten einfach unauffällig ein paar Viertklässlern, die erwähnten, gleich ebenfalls Zauberkunst zu haben, und waren dann sogar als Erste da.

Der Lehrer war bereits da. Er war ein sehr sehr kleiner Mann mit weißem Haar und Bart, der uns freudestrahlend empfing.
,,Guten Tag, guten Tag! Ich bin Professor Flitwick, wer seid ihr?"
,,Ich bin Samantha. Smith."
,,Aventurine Angel."

,,Aventurine und Samantha, setzt euch ruhig!" Dem kamen wir gerne nach. Nach und nach traten auch die anderen Schüler ein. Ein Junge mit dunkelbraunen Locken lies sich neben mich auf die Bank fallen.
,,Hi, ich bin Darwin! Und wer seid ihr?"
,,Sam", stellte ich mich zum wiederholten male vor.
,,Ari."
,,Cool", sagte er und grinste. Dann packte er seine Sachen aus.

Ich beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Er hatte blond-goldene Locken, die ihm in sein Gesicht fielen und gerade sein eines Auge verdeckten. Mir fiel auf, dass er seinen Kopf immer ein wenig nach rechts geneigt hatte.

In memoria tenereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt