24. Kapitel | Schon wieder eine Beerdigung (Archie)

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Ich parke das Auto ein Stück entfernt vom Friedhofseingang und habe sofort so ein Matteo-Gefühl.

Hier sind wir uns zum ersten Mal begegnet, erinnere ich mich. Heute regnet es allerdings nicht und es ist deutlich kühler als damals. Aber auch heute scheint so eine Trauerfeier stattzufinden, denn unter einem Baum auf dem grünen Gelände stehen mehrere Menschen, die alle in Schwarz gekleidet sind.

Ist Matteo auch dort?

»Wartet hier.« Gino steigt hinten aus und schlendert über den Rasen. Da Gino fast ausschließlich schwarze Klamotten trägt, fällt er natürlich kaum auf, als er auf die Gruppe zu geht.

Hugo schlürft weiter an seinem Bubble Tea. Der Becher scheint einfach endlos voll zu sein.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und öffne meine bisherigen Notizen.

Was für einen normalen Beruf hättest du? schreibe ich zuerst die Frage auf, die ich Hugo vorhin gestellt habe.

Darunter schreibe ich direkt Fische und Haie und hoffe, dass mir das als Stichwort genügt, wenn ich das nächste Mal mit Matteo spreche.

Zuletzt tippe ich Matteo-Gefühl und stecke das Handy wieder ein.

Gino steht etwas abseits der Trauergruppe unter einem großen Baum bei einem schlacksigen Typen und reicht ihm einen schwarzen Rucksack.

Ich schaue wieder zu der Beerdigung und versuche unauffällig einen Blick auf den Redner zu erhaschen.

»Ich hasse Beerdigungen«, sagt Hugo plötzlich vollkommen unerwartet.

Überrascht hebe ich die Augenbrauen und sehe ihn an. »Echt?«

Schlürrrrrrp!

Jetzt muss der Bubble Tea aber wirklich leer sein.

Surrend fährt das Fenster auf der Beifahrerseite herunter und Hugo wirft den riesigen Plastikbecher einfach nach draußen.

»Ja, Mann. Alle heulen rum, man muss unbequeme Klamotten tragen, man sieht nur Leute, die man eigentlich nie sehen will und muss mit denen reden«, faselt er weiter.

Ich zucke mit den Schultern, so wie immer wenn ich nichts weiter zu dem Thema beizutragen habe.

Ich war noch nicht auf vielen Beerdigungen. Meistens bin ich der Fahrer und warte am oder im Auto, so wie heute.

Kann man sich nicht aber aussuchen, was man anzieht? Der tote Mensch sieht einen doch sowieso nicht.

Mich würde interessieren, was Matteo darüber denkt und ob bei ihm schon mal jemand im Clownskostüm bei einer Beerdigung aufgetaucht ist.

Das wäre irgendwie lustig.
Oder auch gruselig.

Ich schaue zurück zu der Trauergesellschaft und meine, schwarze Locken dazwischen zu entdecken.

»Ey, wir haben danach doch erst mal nichts zu tun, oder?«, frage ich Hugo.

Er zuckt mit der fetten Schulter. »Nö, ich hätte Bock, ein paar Burger zu holen.«

Ich rolle mit den Augen und öffne die Fahrertür. Hugo hat einfach immer Hunger.
»Dann mach das mit Gino, ich hab noch was zu erledigen.«

»Eh?« Er beugt sich herüber und stützt seine speckige Hand auf den Sitz, auf dem ich bis eben saß, um mich anzusehen. »Wohnt Hailey etwa hier in der Nähe? Ich hätte gedacht, sie wohnt irgendwo in der Gegend beim Pulse

Ich winke ab und schaue unauffällig wieder rüber zum Friedhof. Es scheint Bewegung in die Trauernden zu kommen, vermutlich sind sie gleich bei dem Teil, wo sie Erde in die Grube werfen.

»Du bist so pussy-whipped, Alter!« Hugo kichert und ich zeige ihm einfach nur den Mittelfinger.

Dass er glaubt, dass ich mit Hailey zusammenbin, macht mir tatsächlich gar nichts aus. Allerdings bekomme ich ein Problem, wenn er sie darauf anspricht.

Fuck! Ich hab nicht mal ihre Nummer.

Aber darum muss ich mich später kümmern, erst einmal will ich zu Matteo.

Ich klopfe einmal aufs Auto und rufe Hugo ein »Bis später« zu, ehe ich mich langsam auf den Weg über den Friedhof mache.

•••

Ich lungere bestimmt eine halbe Stunde in gebührendem Abstand auf einer Bank ganz in der Nähe der Trauergemeinde und außerhalb der Sichtweite unseres SUVs herum, aber ich wollte ganz sicher gehen, dass es wirklich Matteo ist, den ich dort vermutet hatte.

Und er ist es.

Vor etwa zehn Minuten hat er mich entdeckt – ich habe ihn die ganze Zeit angestarrt, weil ich ihn echt richtig hübsch finde und weil ich ihn so lange nicht gesehen habe – und seitdem ist sein Blick immer mal wieder zu mir gewandert.

Freut er sich wohl auch, mich zu sehen?

Ich kann ihn schlecht fragen, ob er mich hübsch findet. Das fühlt sich irgendwie merkwürdig an. Und wenn er nein sagen würde, wäre ich ganz schön verletzt.
Besser, ich frage ihn nicht.

Allerdings notiere ich mir in meinem Handy, das ich ihn hübsch finde. Ich kann ihm das ja sagen. Hoffentlich freut er sich darüber.

Außerdem fällt mir noch diese Frage mit dem Clownskostüm auf der Beerdigung ein, also schreibe ich auch die gleich auf.

Heute ist auf jeden Fall keiner in schreiend bunte Farben gekleidet.

»Hallo Archie.« Da steht er auf einmal vor mir, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen, so dass das Grübchen daneben nur zu erahnen ist.

Aber es ist da, ich weiß es.

»Hi!« Ich springe auf und sein Kopf bewegt sich mit meiner Größe nach oben. »Ich ...« Rasch blicke ich mich um, ob uns jemand beobachtet.

Der alte Pfar– nein, Pastor, bei dem er arbeitet, scheint nicht mehr da zu sein und auch die Trauernden sind nicht länger zu sehen.

»Ich musste dich unbedingt sehen«, flüstere ich. »Und ich wusste nicht, ob du ein Handy hast. Jedenfalls hab ich deine Nummer nicht und ich konnte nicht früher kommen, weil ich Angst hatte, dass Hugo oder Gino misstrauisch werden.«

Er schmunzelt und jetzt ist das Grübchen vollständig zu sehen.

Ein Glück! Ich liebe dieses Grübchen! Am liebsten würde ich ihn direkt hier küssen.

»Ich freue mich, dass du hier bist. Wollen wir vielleicht zu mir nach Hause gehen?«, schlägt er vor und ich komme mir vor wie einer dieser komischen Wackeldackel, so schnell wippt mein Kopf auf und ab.

Holy Shit | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt