Kapitel 3

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Eine weitere kaputte Generation, die der Meinung war, dass sie es am beschissensten getroffen hatte. Eine weitere Generation, die viel zu früh viel zu viel trank und rauchte. Einen Fick. Wir waren nicht besser oder schlimmer dran als unsere Eltern, die zu großen Teilen ihr Leben lang in diesem Drecksviertel festhingen. Sie hatten die gleichen beschissenen Probleme wie wir gehabt. Sich gegenseitig aufs Maul gehauen. Gesoffen, um ihre Sorgen und Ängste zu ertränken. Viele von ihnen taten es noch heute. Nur die Wut ließen sie nun an ihren Kindern aus. Verdammt diese Arschlöcher hatten sogar am selben Ort ihre verdammten Partys gefeiert.

Ich riss mich von den verblichenen Namen meiner Eltern los, die auf die Betonwand des alten Parkhauses geschrieben worden waren. Jedenfalls redete ich mir gerne ein, dass es ihre Namen waren. Und nicht die von anderen, die ihre Namen zufällig teilten. Ihr Datum, das darunter stand. Ich wünschte mir, dass es von ihnen einmal eine romantische Version gab. Frisch verliebt und besoffen hatten sie ihre Namen an die Wand der Sünde geschrieben. Als vielleicht nicht alles gut war, doch einiges leichter. Besser. Oder zumindest egal. Ich für meinen Teil hatte noch nie meinen Namen an die Wand geschrieben. Es hatte zwar ein Mädchen gegeben, mit dem ich meine Erfahrungen gemacht hatte, doch waren wir nie ineinander verliebt gewesen. Emma war bis heute einfach nur eine gute Freundin, die zum richtigen Zeitpunkt meine Neugier geteilt hatte. Und das war okay so.

„Da bin ich wieder!", sang Momo, der in einem lustigen Hopseschritt zu mir zurückkam.

„Digga, wieso hat das so lange gedauert? Kein Geld dabei gehabt? Musstest du Pille einen blasen, um dein Zeug zu bekommen?" Ich zerrieb den Zigarettenstummel an der Wand der Sünde und ließ ihn zu Boden fallen.

„Haha. Ich lach mich tot, Husky." Er fummelte an dem Tütchen herum, dass er unserem Ticker des Vertrauens abgekauft hatte. Pille gehörte nicht in diese Gegend. Der fiel auf, in seinen versnobten Klamotten und der arroganten Art zu labern. Nicht einmal die Lehrer an unserer Schule redeten so geschwollen daher. Seine Eltern waren Besitzer mehrerer Apotheken. Im Gegensatz zu ihnen, verkaufte ihr Sohn allerdings illegale Substanzen. Ein Wunder, dass der Typ noch nie erwischt worden war. Noch dazu war sein Spitzname mehr als auffällig. Da müsste doch sogar ein Blinder mit 'nem Krückstock sehen, dass der Wichser nicht ganz sauber war.

Ich sah Momo dabei zu, wie er sich ein Teil einwarf. Keine Ahnung, was genau das war. „Willst du auch?"

„Nee, ich bleib lieber beim Ott. Schramme hat locker was dabei."

Momo zuckte mit den Schultern und stopfte das Tütchen in seine Jackentasche, ehe er vor mir die Treppe nach oben joggte.

Die Musik wurde lauter. Mit jeder Stufe spürte ich mehr den Bass unter meinen Füßen. Dass das alte Parkhaus noch nicht zusammengebrochen war, grenzte an ein Wunder. Es wurde lange nicht mehr zum Parken benutzt. Abbruchreif und offiziell war das Betreten verboten. Allerdings wusste jeder, dass hier noch immer Partys veranstaltet wurden und die Polizei kam nur, um es aufzulösen, wenn es mal wieder eskalierte. Ansonsten ließen sie uns einfach in Ruhe. Vielleicht hatten sie die Hütte deshalb noch nicht abgerissen. Denn wenn sie es täten, würden wir uns einen anderen Platz suchen und der wäre aus Prinzip schon irgendwo, wo wir den Leuten gehörig auf den Sack gehen würden.

„Hey! Wo wart ihr so lange?" Emma kam mit ausgebreiteten Armen auf uns zu.

„Ficken."

„Und ich soll nicht labern oder was?" Ich boxte Momo gehen die Schulter.

„Verleugnest du mich etwa?" Mein bester Freund zog eine Schnute und streichelte mir über die Wange. „Wie gemein von dir, Baby!"

„Örgh hau ab...!" Ich zog mein Gesicht weg. Trotzdem konnte er mir noch einen Schmatzer auf den Mundwinkel drücken, ehe er sich Emma schnappte, um mit ihr zu tanzen.

I cry a lot Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt