Kapitel 9

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Die Nächte wurden kälter. Zu kalt, um im Parkhaus zu feiern, weshalb die Besäufnisse in WG's und Keller und Garagen umzogen. Andere Orte, dieselben Leute. Die immer gleichen Grüppchen und Paare und Pille, der seinen Stoff verkaufte, obwohl die Ticker dieser Gegend ihm bereits öfter gedroht hatten, weil er in ihrem Revier war. Miese Mucke und noch miesere Tänzer und zwischen ihnen meine Freunde, die wahrscheinlich nur weniger albern aussahen, weil ich sie mochte.

Sichtbarer Atem, wenn wir gemeinsam nach Hause liefen und die Temperaturen uns langsam ausnüchterten. Partys, weil wir uns einsam fühlten und das Genießen der Stille danach, weil unsere Sinne überreizt waren.

Momos Mageninhalt klatschte auf den Gehweg. Er atmete schwer und stützte sich auf den Knien ab. Sabber tropfte ihm von der Unterlippe, während ich ihm über den Rücken streichelte.

„Schatz, was haben wir gesagt? Nimm nicht verschiedenes gleichzeitig. Mischkonsum ist kacke", versuchte ich ihn zu belehren. Wie immer war ich nüchtern geblieben, weil ich generell keinen Alkohol trank. Hatte heute nicht einmal etwas geraucht, weil ich geahnt hatte, dass einer einen klaren Kopf behalten sollte. „Und was hast du gemacht, hm?"

„Mischkonsürrrgh..."

Ich seufzte leise und hockte mich mit ihm hin, ließ ihn sich anlehnen. „Schon okay. Lass alles raus."

Ein paar Meter weiter hörte ich noch jemandem würgen, was mich zum Lachen brachte. „Alles okay?", fragte ich Schramme, der sich mit dem Handrücken über den Mund wischte.

„Geht schon." Er widersetzte sich einem weiteren Brechreiz, als Momo erneut loslegte. Ich wusste, dass er es nicht abkonnte, wenn sich jemand anderes übergab. Ihm drehte sich dann jedes Mal selbst der Magen um.

Mir machte das nichts aus. Schon bevor ich zehn war, hatte ich die Kotze meines Vaters vom Küchenboden gewischt, weil er selbst nicht in der Lage dazu gewesen war. Er hatte mir mit Schlägen gedroht, weil er meiner Mutter verheimlicht hatte, dass er noch immer trank, obwohl er ihr versprochen hatte, aufzuhören. Eigentlich hätte er mein Erbrochenes wegwischen müssen, wenn ich krank gewesen war. Er hätte mich ins Bett bringen sollen, statt ich ihn, weil er zu dicht gewesen war, um sich selbst zuzudecken. Ich hatte mein Leben lang auf ein betrunkenes Riesenbaby aufgepasst, obwohl er mich wie Dreck behandelt hatte. Deshalb machte es mir nichts aus, auf meine Jungs aufzupassen.

„Du wirst eine jaaaaanz..." Momo musste Luft holen, bevor er weitersprach. „ ... tolle Mama werden, Husky. Eine janz tolle Mama." Er betatschte mein Gesicht. Das Übergeben hatte ihn offensichtlich nicht völlig ausgenüchtert. Sein Atem stank fürchterlich, als er meinem Gesicht so nahe kam.

„Momo, mein Engel. Du übersiehst etwas wesentliches. Ich werde nie eine Mama werden."

„Doooooch...! Eine Mami." Er schlang seine Arme um meinen Hals und kletterte auf meinen Rücken. „Bring mich ins Bett, Mami!"

„Oh mein Gott..." Ich erhob mich mit meinem Klammeräffchen. „Na kommt, meine Kinderlein. Ab nach Hause. Hopp Hopp! Schrammi, kommst du?"

Hinkebein trottete brav hinter uns her, als ich mich in Bewegung setzte.

Kotzen auf dem Heimweg. Darüber lachen und einschlafen in Schrammes Zimmer, weil ich nicht zu mir wollte und Momo in seinem Zustand nicht zu sich konnte.

Katerfrühstück bei Opa im Wohnzimmer. Belehrende Worte einer Krankenschwester, die uns jedoch angrinste, weil sie nicht anders gewesen war. Geschichten von Früher. Über Abstürze mit ihrer besten Freundin. Freundinnen, die Mütter wurden und dessen Söhne statt ihrer nun gemeinsam ihre Jugend vernebelten.

Eine große Schwester, die mich beiläufig berührte. Den besten Freund ihres kleinen Bruders. Es machte mich verrückt und Momo machte sich lustig, weil er wusste, dass ich ihr verfallen war, seit dem Alter, in dem Jungs Mädchen nicht mehr eklig fanden.

I cry a lot Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt