Kapitel 33: Nächtliches Treffen

2 0 0
                                    

Ich wollte die restliche Zeit bis zum Tag der Grabesblumen nutzen, um mehr Informationen zu sammeln. Besonders nachdem ich das Gespräch in der Konditorei mitgehört hatte, war meine Neugier geweckt.

Mit Cecilia traf ich mich also am selben Abend zusammen mit dem Mitglied meiner Organisation in einer kleinen Wohnung, wo es nur ein schmales Bett, eine Truhe und einen wackligen Schrank gab. Wir entfachten keine der Lampen und draußen veranstaltete ein Magier eine Art Feuerwerk für die verarmten Kinder. So wurden wir drei immer von verschiedenen Farben beleuchtet, die vom Fenster in stetigem und raschem Wechsel hereinkamen.

»Philippe D'Seno«, erzählte der ehemalige Sklave, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen war. Nur seine Nase schimmerte leicht in dem grellen Gelb, was gerade draußen explodierte. »Er kam vor genau vier Jahren nach Drywheg und erobert seitdem ein Stadtteil nach dem anderen. Mehrere Banden und Familienclans wurden bereits ausgelöscht oder absorbiert. Mehrere Händler arbeiten direkt mit ihm zusammen, entweder freiwillig oder aus Zwang. Falls sich ihm jemand entgegenstellt oder versucht ihn zu verraten, so sind die Konsequenzen meist grausam. In der Regel werden die Kinder der Opfer zuerst gefoltert und getötet, bevor man sich den Eltern zuwendet.«

»Er droht gewissermaßen damit Blutlinien zu einem Ende zu bringen«, sagte ich dazu nur. »Was sagt die Stadtverwaltung dazu?«

»Das Kopfgeld wird stetig erhöht, doch er besitzt keinen bekannten Wohnort und nicht wenige Wachen, die ihn finden wollten, fand man ohne Haut im Fluss treibend.«

»Er hält sich also die ganze Zeit verdeckt? Niemand weiß, wo er ist? Für was gibt er denn das ganze Geld aus, was er mit seinen Machenschaften verdient?«

Der Anhänger schüttelte den Kopf. »Dies kann ich nicht sagen. Auf eure Anweisung hin, habe ich nur so tief gegraben, wie es mir möglich war, ohne Aufmerksamkeit zu erlangen. Dies sind Informationen, die ein jeder sammeln kann. Zu erfahren, wo man Philippe D'Seno treffen könnte, erfordert mehr Aufwand und ist riskant, Meisterin Nilim.«

Ich entließ ihn daraufhin. Mit einer Verbeugung verließ er den Raum. Cecilia sah noch eine Weile zu der verschlossenen Tür, während ich ans Fenster trat, um das Feuerwerk zu betrachten. Rot, Grün, Lila und Blau huschten über mein Gesicht und warfen immer neue Schatten hinter mir auf die Bodenbalken.

»Er besitzt leider nicht mehr genug Kreativität und Eigeninitiative, um eine Infiltration zu riskieren. Falls dieser Philippe so intelligent ist wie ich vermute, wird er schnell merken, dass etwas nicht stimmt, wenn er meiner Schachfigur gegenübersteht.«

»War es wirklich notwendig, Meisterin Nilim?«, fragte Cecilia.

»Ihn in diesem Zustand zu versetzen? Da musst du die Göttin fragen und nicht mich. Sein Wille ist nun geschwächt, doch dafür muss ich keinen Verrat fürchten. Erinnert er dich an die Sklaverei? Denkst du, er ist von einem Meister zum nächsten gewechselt?«

»Ist er denn noch frei, Meisterin Nilim?«

»Welcher Mensch ist denn jemals vollständig frei? Ich selbst diene ja auch jemanden. Doch ich diene freiwillig. Glaub mir, wenn er wirklich nicht gewollt hätte, so wäre er niemals mehr aus dem dunklen Wasser emporgestiegen. Genauso wie dein Wille dich zurückgebracht hat von der Grenze des Todes. Zurück zu mir.«

»Dient dieser Philippe irgendwem, Meisterin Nilim?«

»Geld? Macht? Seinen gewaltsamen Fantasien? Wir werden es erfahren, wenn wir ihn treffen. Da wir der Schachfigur die Verantwortung nicht übertragen können, müssen wir selbst ins dunkle Herz dieser Stadt dringen.«

»Ich habe Angst, Meisterin Nilim«, meinte Cecilia und trat etwas näher an mich. Eine leuchtende Blume, die weiß und Magenta miteinander verwob, blühte draußen auf und erfreute die Kinder unten auf die Straße.

»Egal wie gewalttätig dieser Philippe ist, ich bin zuversichtlich, dass wir die Fähigkeiten haben, alles zu überleben, was er gegen uns werfen kann.«

»Trotzdem habe ich Angst, Meisterin Lili.«

»Dann lass mich deine Furcht lindern.« Ich griff in den Beutel, den ich bei mir trug und holte eine der kleinen Marzipanpralinen heraus, die ich vorhin gekauft hatte. Ich hielt es ihr hin. »Bitte. Für dich.«

Cecilia zögerte für meinen Moment. Sie wollte danach greifen, doch ich hob meine Hand nur weiter, sodass die Süßigkeit direkt vor ihrem Kinn hing. Da verstand sie und mit einer leichten Rötung auf den Wangen beugte sie sich vor und aß es direkt aus meiner Hand.

»Sehr lecker«, meinte sie nur und schaute weg. Draußen nahm das Feuerwerk derweil eine pinke Farbe an.


Das Wispern aus dem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt