Kapitel 50: Kommende Schatten

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»Wie konnte Derios besiegt werden?«, fragte der grobschlächtige Mann aufgeregt, während der Schweiß an seinem Gesicht herabtropfte. »War er nicht der Stärkere von euch beiden?«

»Seine Feuermagie war beeindruckend, Galvan«, sagte die Frau mit den kurzgeschnittenen roten Haaren beruhigend. An ihren freien Armen waren blaue und rote Tätowierungen mit fremdartigen Symbolen, die wie Schlangen über ihre Haut wanderten. »Aber er machte zu viele unnötige Spielereien. Er versuchte immer zu stark seine Gegner einzuschüchtern, bevor er sie tötete. Diesen Fehler mache ich nicht.«

Lissi lag auf dem Boden, Füße und Hände zusammengebunden. Neben den beiden waren weitere Männer im Raum, die Äxte und Macheten trugen. Nicht wenige sahen mit Blicken zu ihr, die ihr gar nicht gefielen.

»Dass Philippe so eine junge Magierin gefunden hat«, knurrte der Mann namens Galvan weiter. »Ging tatsächlich als die Freundin von der Göre durch. Pah! Glaubst du, dass du mir ihr fertig wirst, Siln?«

»Ich denke ich habe bessere Chancen als Derios«, meinte die Frau, doch sie klang nicht wirklich überzeugt. Sie bemerkte diesen Umstand selbst und kam so einer Nachfrage zuvor. »Ich weiß halt leider nichts über diese junge Magierin. Ich war ja nicht bei dem Kampf mit Derios dabei und wir haben keine überlebenden Zeugen.«

»Doch haben wir!«

Der Mann namens Galvan spuckte einmal aus. Sie befanden sich in einer verlassenen Mietskaserne und in diesem Wohnabschnitt gab es als Möbel nur noch einen umgeworfenen Tisch. Der dichte Staub auf den Bodenplanten saugte sich sofort mit seiner Spucke voll.

Mit festen Schritten kam er zu Lisse. Die versuchte sich weiter zusammenzurollen.

»W-was wollt ihr von mir?«, fragte sie angstvoll.

»Deinen Vater«, war seine kurzangebundene Antwort. »Ich will diesen Bastard endlich den Hals umdrehen.«

»Aber wieso? Mein Vater hat doch niemanden etwas getan...«

Er trat ihr in den Bauch und der Schmerz war so unerträglich, dass sie würgte und wimmerte. Sie glaubet ihr Magen würde aufplatzen oder ihre Gedärme splittern.

»Vorsicht, Galvan«, kam es von Siln. »Verletz sie nicht zu stark!«

»Sobald ich Philippe vor mir habe, will ich sie eh vor seinen Augen vergewaltigen und ihr jeden Knochen brechen«, gab er grob zurück. »Kein Grund, jetzt schon sanft mit ihr zu sein solange sie überlebt. Du kannst sie ja heilen, wenn ich es übertreibe.«

»Ich spare meine Kräfte lieber für den Fall, dass diese Magierin hier auftaucht.«

»B-bitte nicht...«, begann Lissi.

»Sag mir, was diese Magierin mit Derios gemacht hat, und vielleicht töte ich dich etwas sanfter später.«

»Magierin?«

Er trat sie erneut und der Druck seines Stiefels schien ihren Mageninhalt nach oben zu treiben. Beinahe übergab Lissi sich.

»Die Göre mit der du vorhin unterwegs warst. Wie hat sie Derios besiegt? Was für Zauberei beherrscht sie?«

»Nilim?«

»Wenn das ihr Name ist, ja.«

»I-ich weiß nicht.«

Galvan packte ihre Haare und zog ihren Kopf brachial nach oben.

»Kaum zu glauben, dass du die Tochter von Philippe bist«, meinte er und sie roch seinen nach Alkohol riechenden Atem. »So verweichlicht! Weiß von nichts! Will von nichts wissen! Ha. Du warst vorhin dabei. Du hast alles gesehen. Hast nur keine Lust dich zu erinnern. Willst nicht wahrhaben, dass deine Freundin Menschen töten kann und nur Zeit mit dir verbrachte, weil man es ihr befohlen hat. Ein Schoßhund deines Vaters. Mehr ist sie nicht.«

»Nein!« Lissi versuchte den Kopf zu schütteln, doch wegen seines Griffs ging es nicht. »Nilim ist...«

»Wie wäre es, wenn ich dir ein Auge aussteche«, fuhr Galvan fort und zog ein Messer. »Brauchst ja nur eins. Deine Ohren lasse ich dir aber! Immerhin will ich dir erzählen, was für ein Mistkerl dein Vater ist. Oh ja, du sollst wissen was er für schlimme Dinge er gemacht hat. Du hast Angst vor mir? Du wirst deinen Vater noch viel mehr fürchten, wenn ich fertig bin. Aber zuerst,« er zerrte sie näher an sein Gesicht, »erzählst du mir endlich, was diese Nilim mit Derios gemacht hat!«

»F...«, wimmerte Lissi leise.

»Was? Ich verstehe dich nicht, Göre!«

»Finsternis« brachte sie hervor. »Sie hat Finsternis benutzt.«

In diesem Augenblick verdunkelte sich der gesamte Raum. Ein schwarzer Umhang schien sich über das Fenster gelegt zu haben und das kühle Sonnenlicht, was nach dem Sturm nach Drywheg zurückgekehrt war, wurde abgeschnitten.

»Verdammt«, murmelte Siln und ihre Tätowierungen begannen zu glühen.


Das Wispern aus dem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt