Kapitel 32: Tee und Kuchen

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Mit Malin besuchte ich am nächsten Tag eine der vielen Konditoreien, die sich in Drywheg auf Süßigkeiten spezialisierten. Da es nur wenige tropische Gebiete auf dieser Welt gab, wurde Rohrzucker nur in sehr geringen Maßen angebaut. Deswegen kam die meiste Süße von Honig oder Rübenzucker. Kaffeebohnen oder Schokolade schien es überhaupt nicht zu geben.

Die Halbelfe verlor sich in der schieren Auswahl an Keksen, Kuchenscheiben und Pralinen. Sie sprang zwischen den Regalen und Ziertischen hin und her, unfähig eine Entscheidung zu treffen. Ich kaufte einige Kleinigkeiten, die ich später mit Cecilia teilen wollte und gönnte mir an einem der Tische im Lokal einen ausgezeichneten Kräutetee, der gut mit dem Duft der Backwaren harmonierte.

Während ich das Getränk genoss, hörte ich hinter mir am Nachbartisch eine Diskussion.

»Nach dem Mord an dem Grafen Secalour ist der Sklavenhandel in dieser Region komplett zusammengebrochen«, meinte einer der Männer, der eine teure Weste in Lila und Rot trug. »Er war der letzte große Abnehmer für solche Ware. Vermutlich gibt es keinen anderen im Imperium, der so sehr auf Sklaven gesetzt hat wie er.«

»War eh ein aussterbendes Geschäftsmodell. Viele Adlige in der Hauptstadt haben das für pure Barbarei gehalten. Da der Erbe des alten Grafen nun selbst alle übrigen Sklaven befreien ließ, gibt es niemanden mehr, der den Kaiser davon abhalten kann ein Verbot auszusprechen.«

»Doch ein Verbot in welchem Maße? Sklaven für die Arbeit auf Plantagen oder Bergwerken werden sicher der Vergangenheit angehören. Aber sie finden noch Verwendung als Diener in Haushalten oder in Bordellen.«

»Tja, das ist die Frage. Was ist besser? Unfreie Frauen offen auf dem Markplatz mit Steuern und nachvollziehbaren Verträgen zu verkaufen oder das Ganze in den Untergrund zu verlagern? Damit gäben wir diesem Philippe nur noch mehr Geschäftsmöglichkeiten.«

»Er wurmst sich auch in alles rein. Drogenhandel, Erpressung und große Teile des Schwarzmarktes. Die vorherigen Banden und Verbrecherfamilien können kaum mit ihm mithalten.«

»Hat seine Methoden anscheinend aus seiner Heimat mitgebracht, wobei ich sagen würde, dass er selbst nach Maßstäben seiner Lanzleute besonders grausam ist. Hast du schon gehört, was er mit dem Kerl gemacht hat, der früher die Schlosserstraße beherrschte?«

»Die Drecksgegend? Nein, was?«

»Haben brennbares Öl über seinen Kopf gekippt und angezündet. Immer und immer wieder. Bis alles Fleisch und Haut weg waren und nur noch der nackte, versenkte Schädel übrigblieb. Soll zu dem Zeitpunkt noch am Leben gewesen sein.«

»Bei Parith!«

»Ein anderer musste zusehen, wie sie seine Ehefrau in einen Eintopf verwandelten und er musste zuerst sie und dann sich selbst essen.«

»Hat er irgendwo in seiner Blutlinie einen Dämon oder was?«

»Würde mich nicht wundern. Scheint aber zu klappen. Diese Brutalität hat schon dafür gesorgt, dass einige Banden sich ihm kampflos anschlossen... wobei angeblich dann die Anführer dann verschwanden. Philippe scheint keinerlei Macht teilen zu wollen.«

»Könnte also die Stadt bald ihm gehören?«

»Das klingt jetzt etwas dramatisch, aber zumindest die Unterwelt ist nun in seine Griffweite. Aber es könnte vorher noch sehr hässlich werden. Es gibt noch genug Abschaum und Stadtteile, die sich noch nicht geschlagen gegeben haben. Könnte sein, dass sie, um ihre Macht zu sichern, wesentlich offener vorgehen.«

»Wie offener?«

»Straßenschlachten.«

»Meine Güte... sollte ich dann vielleicht erstmal meine Lieferungen umleiten? Nicht, dass sie mir hier meine Lagerhäuser abbrennen.«

»Also ich habe schon einige Abenteurer als weitere Wachen angeheuert...«

Malin klatschte ihren mit Kuchen überfüllten Teller auf den Tisch und riss mich damit aus dem Gespräch. Dies war aber auch nicht weiter schlimm, da ich meinte genug gehört zu haben.

»Es war die beste Idee hierher zu kommen«, meinte die Halbelfe und rieb sich vorfreudig die Hände.

»Solche Geschäfte gibt es nicht in Aronsfeld«, stimmte ich zu.

Sie trennte ein Stück Sahnetorte ab und hob die Gabel vorsichtig... allerdings nicht zu ihrem Mund.

»Sag Ah!«, meinte sie dann mit einem breiten Lächeln.

Ich betrachtete sie für einige Sekunden, bevor mein Blick zu der Süßigkeit wanderte, die sie mir anbot. Es begann bereits von der Gabel zu rutschen und drohte auf dem Tisch zu fallen.

Um es nicht zu verschwenden, akzeptierte ich mein Schicksal, beugte mich vor und schloss meine Lippen um die Delikatesse.

»Ah Nilim! Du bist so süß, wenn du Kuchen isst! Hier! Noch ein Stück für dich!«


Das Wispern aus dem AbgrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt