Kapitel 4

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Mein Blick wandert auf die riesige Uhr an der Wand. Der lange und schmale Zeiger bewegt sich in seinem gleichbleibenden Rhythmus voran und gibt die Sekunden an. Die vielen und lauten Stimmen dringen wieder an mein Ohr und ich warte noch immer in der Schlange darauf, näher an den Tresen zu kommen.

10 Minuten...

Ganze 10 Minuten stehe ich hier und nur eine Position weiter. Dabei wollte ich doch nur 2 Kaffee für Sam und mich holen. Wenn es so weiter geht, komme ich noch zu spät zur Arbeit...

Schnaufe ich leicht genervt meine Gedanken vor mich hin und rücke eine Position weiter auf. Dabei wird mir mehr ein freier Blick auf den Tresen gegönnt und ich entdecke ein Ölgemälde an der Wand.

Der Vollmond scheint prächtig auf einen See und spiegelt sich mit seiner silbernen Silhouette darin. Der See ist umgeben von einer grünen Wiese und malerischen Bäumen. Am Ufer steht ein Einhorn und stillt seinen Durst. Leichte Wellen gehen von den Nüstern aus.

Mit jedem weiteren Detail zieht mich dieses Bild magisch in seinen Bann und erinnert mich an den Traum der mich seit meiner Kindheit jede Nacht verfolgt.

„Welch ein Zufall, Nora!" erkenne ich sofort die freundliche Stimme von Sam, die hinter mir an mein Ohr gelangt und mich somit aus meinen verträumten Gedanken reißt.

Ruckartig drehe ich mich von dem Schreck um und schaue direkt in sein freundliches Lächeln. Dabei erinnere ich mich sofort daran, warum ich hier stehe. Im Grunde kann ich sogar auf den Kaffee verzichten. Jedoch möchte ich irgendwie so meine Dankbarkeit ihm gegenüber zum Ausdruck bringen.

Immerhin habe ich Ihm dem Job zu verdanken. Wie auch das Zimmer im Motel. Er ist bisher der einzige freundliche Mensch der mich nicht mit diesem komischen Knurren in dieser Stadt abwimmelt.

Bevor ich noch eine Antwort geben kann, schlängelt er sich mit einem Augenzwinkern an mir vorbei und geht direkt an den Tresen. Niemand stellt sich ihm in den Weg oder versucht auch nur ein Wort gegen Ihn zu erheben.

Ganz schön dreist, sich einfach vorzudrängeln...

Solch ein Verhalten würde mir niemals in den Sinn kommen. Selbst wenn ich hier schon ewig Stammkunde wäre. Sam scheint es jedoch nichts auszumachen und nach wenigen Minuten kommt er mit 2 Pappbechern lächelnd zurück. Ich beobachte ihn noch wie er an mir vorbei geht und vor dem Eingang des Cafés stehen bleibt. Sich geschmeidig zu mir umdreht und einen fragenden Blick mir zu wirft.

„Kommst du, Nora?!"

Völlig verwirrt sehe ich, wie er hinaustritt und realisiere dann, was er genau gesagt hat. Hastig trete ich aus der Schlange und eile ihm hinterher. An der wohlbekannten Parkbank kann ich endlich zu Ihm aufschließen.

Nachdem er mir einen der Becher gereicht hat, setzen wir uns beide auf die Bank und beobachten, wie den Morgen zuvor die Menge an Menschen, die gerade in das große Firmengebäude gehen.

Nach einer kurzen Stille eröffne ich eine Unterhaltung und erkläre Ihm was ich in dem Café vorhatte. Auch wie ich sein Vordrängeln in der Reihe nicht für gutheiße.

Nachdem ein schallendes Lachen aus ihm herausbricht, sehe ich ihn verwundert an.

„Nora, lass es gut sein. Keiner wird was sagen in dieser Gegend. Mein Boss unser Alpha hat hier sehr viel Einfluss. Ich weiß deine Geste zu schätzen. Wie wäre es, wenn wir uns dann abwechseln? Du bist morgen mit dem Kaffee dran und ich dann danach?"

„Alpha? Ein komischer Begriff für einen Chef." Murmel ich vor mich hin und Sam schaut mich Prüfend an.

„Sam? Da fällt mir gerade noch etwas ein. Ich wollte noch mit dir über die Bezahlung sprechen." Platzt mir der Gedanke ohne zu überlegen raus.

Die Chroniken von Silver-BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt