Kapitel 5

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Ein eiskalter Schauer jagt mir über meinen Rücken, während ich meine Finger dabei beobachte, wie sie langsam über die Wasseroberfläche gleiten. Noch bevor ich reagieren kann, höre ich das grelle wiehern von dem Einhorn neben mir.

Ich spüre seine Unruhe und die Angst, die viel stärker ist wie üblich und mich unwohl fühlen lässt. Als ich meinen Blick zu es hindrehe, steht es wie eine Figur aus Marmor gemeißelt auf seinem Fleck und starrt auf die andere Seite des Baches.

Es befindet sich in einem inneren Kampf. Sein Körper zittert und es möchte sich aufbäumen. Die Flucht ergreifen. Jedoch bewegt es sich nicht. Etwas zwingt es dazu, regungslos nach dem panischen Wiehern stehen zu bleiben. Nur die silbrige Mähne weht leicht in einer kleinen Brise.

Zu meiner anderen Seite erklingt ein bedrohliches Knurren, welches mich in seiner tiefe, in mir vibrieren lässt. Der sonst friedliche Wolf zeigt seine blanken Reißzähne und lässt sein knurren nicht verstummen. Auch sein Blick ist auf die andere Seite gerichtet.

Erschrocken vom dem neuen Gefühl, welches ich noch nie zuvor an diesem Bach erlebt habe, blicke ich in die Richtung wo die mir wohlbekannten Gestalten hinschauen und sehe einen Wolf.

Noch vor einer Sekunde war ich in meinen Gedanken völlig verwirrt über das Verhalten der beiden Geschöpfe neben mir.

Weder die beiden Wölfe aus meiner Kindheit, noch der schwarze Wolf in den letzten Monaten, hat so eine extreme Reaktion hervorgerufen.

Aber ich erkenne, dass mir dieser Wolf nicht ganz unbekannt ist, mir schießen unzählige Bilder in meinen Kopf. Dieser ist mir genauso wenig unbekannt. Er stand vor mir, näher als jetzt an diesem Bach. Der Wolf aus dem Büro.

Sam

Seine Farbe, die Augen, das gesamte Erscheinungsbild ist identisch mit dem Wolf im Büro. Der Wolf der vorher noch wie ein Mensch aussah. Den freundlichen Menschen bei meiner neuen Arbeit.

In der Sekunde wo ich Ihn erblicke, entgeht mir nicht wie sein Maul leicht aufsteht, er seine weißen Reißzähne bedrohlich zeigt und daran etwas Speichel herunter tropft. Das dunkle Knurren aus seiner Kehle gelangt an meine Ohren.

Nora! Lauf!

Gelangt eine warnende Stimme an mein Ohr und ich ordne diese schnell dem Wolf neben mir zu. Mein inneres schreit nach Zustimmung und ich versuche mich aufzurichten. Mit meinen Beinen so schnell wie möglich von diesem friedlichen Ort davon zu laufen. Aber mein Körper zeigt keine Reaktion. Nichts geschieht. So sehr ich es versuche. Ich bin wie das Einhorn erstarrt. Dabei ist mir diese bedrohliche Situation bewusst.

Es fühlt sich an, als ob eine unheimliche Macht mich daran hindert, meinen Instinkten freien Lauf zu lassen.

Wie gefesselt starre ich auf den Wolf, der langsam einen Schritt in den Bach setzt und auf mich zu gelangt.

Unerwartet spüre ich dieses Kribbeln in meiner Halsbeuge. Wie kleine Funken breiten sich diese aus. Begleitet von einer Wärme um jeden einzelnen Funken, welche mich sonst an die Hitze erinnert, warum ich jedes Mal das kühlende Quellwasser aus diesem Bach genieße. Nicht weit entfernt von meinem Zeltplatz.

Eine aufsteigende Unruhe breitet sich in mir aus und mir wird schnell bewusst, wie sehr ich diese Funken und die dazugehörige Wärme nicht spüren möchte.

Ich konzentriere mich angestrengt darauf, den Blick von dem Wolf auf das Wasser zu richten. Aber mein Instinkt sagt mir diesen Wolf nicht aus den Augen zu lassen. Also versuche ich mit meiner Hand das Wasser zu erreichen.

Durch die Anstrengung mich von meiner Starre zu lösen, bilden sich die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn. Trotzdem kämpfe ich weiter, konzentriere mich darauf endlich dieses kühlende Wasser zu spüren.

Die Chroniken von Silver-BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt