in meiner Welt

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Soleil  Amiri19 Jahre alt

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Soleil Amiri
19 Jahre alt

Montag
19:03

Ich saß auf dieser verdammten Tischtennisplatte auf dem Spielplatz, dem Ort, der für mich so viel mehr ist als nur ein paar verstaubte Platten und verrostete Netze. Es ist mein Rückzugsort, mein Ort der Ruhe in diesem Chaos, das ich Leben nenne.

Die Sonne, die gerade untergeht, wirft lange Schatten und taucht die Welt in ein melancholisches Licht. Der Name, den ich trage, Soleil - „Sonne" auf Französisch - passt irgendwie nicht zu dem, was aus mir geworden ist. Obwohl das vielleicht eine Verbindung zu meiner kurdischen Herkunft darstellt, kann ich diese Bedeutung nicht wirklich leben. Wie soll ich mich wie die Sonne fühlen, wenn meine Eltern nicht mehr da sind und ich in diesem grauen Betonlabyrinth gefangen bin? Mein Name ist ein Witz in diesem trüben Fleck auf der Landkarte. Die Sonne, die mir ursprünglich Licht und Wärme bringen sollte, ist zu einem fernen, unerreichbaren Traum geworden.

Die letzten Strahlen der Sonne blitzen durch die Bäume, während ich meinen Joint drehe. Der Joint zwischen meinen Fingern fühlt sich vertraut an. Die kleinen Brösel des Cannabis rieseln auf den Tisch wie die Reste einer gescheiterten Existenz, die ich versuche, hinter mir zu lassen. Ich drehe den letzten Rest zusammen und sehe dabei zu, wie sich der Rauch durch meine Finger schlängelt. Der Geruch von Haze vermischt sich mit meinem Tom Ford Duft, was ich mir gestern geholt hatte.

Plötzlich störten mich zwei bekannte Stimmen. Zwei Junkies, meine Kunden, schlurften auf mich zu. Ihre Augen waren leer, ihre Kleidung schäbig.

"Ey, Soleil, hast du was für uns?" fragte einer von ihnen mit einer Stimme, die so rau ist wie der Beton, auf dem wir stehen.

Ich zückte mein kleines Päckchen, das ich immer dabei habe. Der Austausch ist routiniert: Geld gegen Stoff, kaum ein Blick wird gewechselt. Es ist immer dasselbe. Die haben keinen Plan, wie sehr sie mich nerven, wie ich mich in diesem Scheiß loch fühle, auch wenn ich es hier mittlerweile als meinen Ort des Überlebens akzeptiert habe.

Als die Typen sich endlich wieder verzogen, ließ ich mich zurück auf die Tischtennisplatte fallen. Das Ding ist durchgesessen, der Lack blättert ab - genau wie mein Leben. Manchmal frage ich mich, ob ich jemals aus diesem Loch rauskomme oder ob ich hier für immer gefangen bin.

Früher, als ich noch in Frankreich war - ich war vielleicht sechs, als meine Eltern starben, so lange ist das her -, war alles noch irgendwie okay. Denke ich.. ich weiß es nicht mehr.. Frankreich, das war wie ein verschwommener Traum, den ich mir kaum noch vorstellen kann. Die Erinnerungen sind wie ein verschwommenes Bild, eine Postkarte von einem besseren Ort. Damals war ich noch ein Kind, noch voller Hoffnung, noch nicht zerrissen. Aber das war vorbei, als ich nach Deutschland kam und in Hemshof landete, wo alles düster und verkommen ist.

Nach dem Tod meiner Eltern wurde alles schlimmer. Mein Onkel nahm mich zu sich, aber das war der Anfang einer noch größeren Katastrophe. Die Jahre, die ich bei ihm verbrachte, sind eine dunkle Wunde in meiner Seele. Missbrauch, Vernachlässigung, sogar Vergewaltigung.

Als ich neun war, gab er mich auf, als wäre ich ein lästiger Gegenstand, den man nicht mehr braucht. Er hatte eine Frau und ließ mich einfach zurück. Er gab mich an das Jugendheim. Die Jahre im Jugendheim waren geprägt von Isolation und dem unaufhörlichen Kampf, mich in einer fremden Sprache zurechtzufinden. Deutsch zu lernen war eine Herausforderung, die mich noch weiter von den anderen Kindern trennte. Von da an war ich allein, und die Welt wurde zu einem feindlichen Ort. Es war der Ort, an dem ich zum ersten Mal wirklich lernte, was Einsamkeit und Verzweiflung bedeuten.

Bis ich Nour kennenlernte. Die Marokkanerin, die ich seit meinem 14. Lebensjahr kenne, stand mir bei. Auch wenn wir uns nahe standen, konnte ich nie wirklich offen mit ihr über alles sprechen. Ich hielt meine dunklen Geheimnisse tief verborgen und sprach mit niemanden darüber.

Ich arbeite mit ihren Bruder Ali zusammen, was Drogengeschäfte angeht. Der Typ ist ein Drogenboss, und die meisten in Ludwigshafen kennen ihn und fürchten ihn. Er hat die Macht, die Straßen zu kontrollieren, aber ich habe keine Lust auf seine Spielchen. Die Arbeit ist dreckig und gefährlich, und Ali ist ein Hund- ein Hurensohn- ich hasse den Typen, auch wenn seine Schwester eine liebevolle ist. Der Typ ist mir nie auf Augenhöhe begegnet. Er hat seine eigene Art von Macht und Respekt, die ich nicht respektieren kann. Er ist skrupellos und nutzt seine Position aus, um seine eigene Agenda zu verfolgen. Jeder in der Szene kennt ihn, aber ich mache es nur, weil ich sonst nichts anderes habe.

Trotz allem - dem Dreck, den Menschen, die mich umgeben, und der ständigen Gefahr - würde ich nie aus Hemshof weggehen. Die Leute hier mögen schäbig wirken, und das Leben ist ein Kampf, aber ich habe hier meine Nische gefunden. Wenn du hier nicht klarkommst, überlebst du nicht. Es ist hart, aber es ist auch mein Zuhause. Und manchmal frage ich mich, ob es überhaupt einen besseren Ort für mich gibt oder ob ich einfach schon zu sehr in diesem Schlamassel gefangen bin.

So verbringe ich meine Tage - drehe Joints, verticke Drogen und halte mich am Leben. Manchmal, wenn ich nachts im Bett liege, frage ich mich, ob ich jemals aus diesem Teufelskreis herauskomme oder ob ich für immer in diesem verdammten Hemshof gefangen sein werde.

Aber bis dahin bleibe ich hier, in meinem Schutzhafen aus Graffiti und Elend. Ich lasse mir von niemandem etwas vormachen und halte mich an den letzten Rest von Hoffnung fest, den ich noch habe - so dünn und brüchig er auch sein mag.

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